Trend:Wohnzimmer statt Wahlkabine

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In Ruhe und mit genügend Platz für die riesigen Stimmzettel wollen viele Menschen ihre Stimmen abgeben. Der Trend geht zur Briefwahl. (Foto: Pia Bayer/dpa)

Die Anzahl der Briefwähler nimmt bei der anstehenden Landtags- und Bezirkstagswahl erneut zu. Die Gemeinden im Landkreis Ebersberg überrascht das längst nicht mehr.

Von Jakob Heim, Ebersberg

Am 8. Oktober sind die Bürger Bayerns zu gleich zwei Wahlen aufgerufen. Für viele von ihnen wird das Datum des Wahltages aber nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Immer mehr Wähler entscheiden sich dazu, ihre Stimme bereits im Voraus per Briefwahl abzugeben. Den klassischen Gang zur Urne nehmen immer weniger Wähler auf sich.

Dieser Trend zeichnete sich bereits bei den vergangenen Landtagswahlen ab. Seit 2008 die Pflicht entfiel, einen Antrag auf Ausstellung eines Wahlscheins zu begründen, steigt der Anteil der Briefwähler von Wahl zu Wahl. Der Wunsch per Post zu wählen ist nicht der einzige Grund, einen solchen Antrag zu stellen. "Viele Wege führen nach Rom. Und so ist es auch bei der Wahl", sagt Florian Huhndt, Leiter des Einwohnermeldeamtes in Vaterstetten und als solcher zuständig für ihre Durchführung. So könne man seine Stimme auch direkt im Rathaus in einem eigens eingerichteten Wahllokal abgeben. Auch Wähler, die in einem anderen Stimmbezirk zur Urne gehen, benötigen einen Wahlschein. Erfahrungsgemäß werden diese, dem Landesamt für Statistik zufolge, jedoch zu 95 Prozent zur Briefwahl genutzt.

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Landesweit vermeldet jenes Amt bereits jetzt einen Rekord: für 3,56 Millionen, 37,9 Prozent aller 9,4 Millionen Stimmberechtigten, hatten die bayerischen Gemeinden am vergangenen Donnerstag bereits Wahlscheine ausgestellt. 2018 waren es insgesamt rund 2,8 Millionen, was einem Anteil von 29,5 Prozent entsprach.

Einige Gemeinden im Landkreis Ebersberg liegen sogar schon deutlich über dem bayernweiten Rekordwert. Während Markt Schwaben am Freitagmorgen 3273 Anträge bei 8524 Stimmberechtigten verzeichnet, was einem prozentualen Anteil von 38,4 entspricht, erklärt das Grafinger Rathaus, bereits rund 40 Prozent der 10 220 dortigen Wahlberechtigten hätten einen Wahlschein beantragt. Florian Huhndt verzeichnet in Vaterstetten einen Anteil von rund 42 Prozent: 7299 von 17211. In der Verwaltungsgemeinschaft Glonn sind es mit 4565 Antragstellern sogar bereits 44 Prozent von 10 382 Stimmberechtigten.

Die Stimmzettel sind besonders groß - und in der Wahlkabine gibt es wenig Platz

Auch der Leiter des Bürgerbüros der Stadt Ebersberg Peter Lechner konstatiert: "Der Trend zur Briefwahl setzt sich fort." Während in der Kreisstadt zum Schluss der Wahlurnen 2018 etwa 2800 Briefwahlstimmen eingegangen waren, habe sein Amt diesmal bereits am vergangenen Donnerstag 3512 Anträge bearbeitet. Die Zahl der Stimmberechtigten sei unterdessen in etwa gleichgeblieben. Sie betrage diesmal 8596.

"Über die Ursachen für diesen Anstieg kann man nur spekulieren", sagt Lechner. Einige Anhaltspunkte hat er allerdings ausgemacht: Bei der Bundestagswahl 2021 lag die Zahl der Briefwähler sogar bei 4753. Denkbar, dass durch die Pandemie viele Wähler erstmals die Möglichkeit der Briefwahl genutzt und ihre Vorzüge kennengelernt haben. Zudem ist Lechner zufolge wahrscheinlich, dass sich die außergewöhnliche Größe der Stimmzettel herumgesprochen habe. Auch Florian Huhndt sagt: "Ich verstehe jeden, der sich die Unterlagen nach Hause schicken lässt." Die Stimmzettel für Landtags- und Bezirkswahl messen schließlich jeweils 1,2 auf 1,6 Meter.

Aber was für Wähler als angenehmer Service daherkommen mag, verursacht für die Verwaltung erheblichen Mehraufwand. "Die Briefwahl bindet viele Ressourcen", sagt Huhndt. Jeder Antrag müsse durch Mitarbeiter bearbeitet, die Wahlunterlagen anschließend ausgedruckt, frankiert und zur Post gebracht werden. An einem Wochenende liefen dabei schon einmal 1400 bis 1500 Anträge auf. Immerhin eine kleine Zeitersparnis bringe die Beantragung auf digitalem Weg, erklärt der Beamte.

Die Gemeinden richten zusätzliche Briefwahlstimmbezirke ein

In Grafing wähnt man sich gut vorbereitet auf die anrollende Flut der Wahlbriefe, sodass nicht mit langen Verzögerungen bei der Auszählung zu rechnen sei: "Wir haben die Bezirke dementsprechend angepasst", teilt eine Mitarbeiterin mit.

Denn auch am eigentlichen Wahltag verursacht der große Anteil an Briefwählern zusätzlichen Aufwand. "Wir haben schon damit gerechnet, dass der Anteil der Briefwähler explodiert", sagt Peter Lechner. Um ihre Stimmen schneller auszählen zu können, habe die Kreisstadt so viele Briefwahlstimmbezirke gebildet wie nie: zehn statt sechs bei der letzten Landtagswahl. Da gleichzeitig keine klassischen Stimmbezirke entfielen, gehe damit ein großer personeller Mehraufwand einher: Acht weitere Mitarbeiter brauche es für jeden zusätzlichen Stimmbezirk.

"Wünschenswert für uns als Verwaltung wäre eine komplette Briefwahl wie bei der Bürgermeisterstichwahl während der Pandemie", sagt Lechner. Wenn jeder Wahlberechtigte die Stimmzettel sofort mit der Wahlbenachrichtigung nach Hause geschickt bekomme, sei der Verwaltungsaufwand am geringsten. "Aber das ist natürlich politisch schwer durchzusetzen", sagt Lechner.

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