Kinderärztliche Versorgung im Landkreis:Alle Stellen sind vergeben

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Offiziell arbeiten nun im Landkreis Ebersberg sogar zu viele Kinderärzte und -ärztinnen - mehr geht nicht. Ob das Eltern und Ärzte auch so wahrnehmen, steht auf einem anderen Blatt. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Nachdem im Landkreis Ebersberg ein Jahr lang ein halber Kinderarztsitz vakant gewesen war, ist er nun wieder besetzt. Weitere Kapazitäten für die Region sind allerdings nicht vorgesehen - der Statistik zufolge herrscht sogar eine Überversorgung.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Wer mit seinem kranken Kind im Landkreis Ebersberg auf der Suche nach einem freien Termin bei einer Kinderarztpraxis ist, der weiß, was Geduld bedeutet: Gerade in der Erkältungssaison während der kalten Jahreszeit kommt das regelmäßig einem Kraftakt gleich, so haben es schon mehrfach Eltern der SZ berichtet. Da scheint eine jüngst erfolgte Information der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) eine sehr gute für Familien zu sein: Seit 1. April ist der nunmehr ein Jahr lang vakante halbe Kinderarztsitz besetzt, wie ein KVB-Sprecher auf SZ-Anfrage mitteilte: In der Kinderarztpraxis am Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Ebersberg, das eng verbunden mit der Kreisklinik Ebersberg ist, wird aufgestockt.

Zu Beginn des vergangenen Jahres wurde bekannt, dass die beliebte Kinderarztpraxis der Ärztinnen Ulrike Seidel und Veronika Spranger unter dem Dach der Kirchseeoner Familienpraxis schließt - nur gut zwei Jahre nach der Eröffnung. Über die Gründe dafür führte die SZ damals mehrere Gespräche, daraus zitiert werden wollte letztlich aber niemand.

Bei vielen Eltern indes war die Verzweiflung groß: Wohin jetzt mit dem kranken Kind? War die Versorgungslage schließlich ohnehin schon schwierig, bei einigen Praxen herrschte Aufnahmestopp für neue kleine Patientinnen und Patienten.

Ein kleines Aufatmen gab es, immerhin, denn Veronika Spranger zog mit ihrem halben Sitz an das MVZ nach Ebersberg um. Wer in der Kirchseeoner Praxis hauptsächlich von ihr ärztlich versorgt wurde, hatte also gute Chancen, dass dies auch weiterhin möglich war - nun eben an der neuen Wirkungsstätte in Ebersberg. Für die übrigen Fälle sah es allerdings eher schlecht aus, ein ganzes Jahr lang. "In den Gesprächen mit den Kinder- und Jugendärzten im Landkreis wurde den Mitarbeitern des KVB-Beratungscenters durchaus von einer hohen Arbeitsbelastung in den Praxen berichtet", hieß es bereits Ende vergangenen Jahres von der KVB. In Einzelfällen sei es auch zu Beschwerden gekommen.

Zuständig für die Vergabe der Arztsitze ist der Zulassungsausschuss Ärzte Oberbayern

Nun teilte die KVB mit, dass die zuständige Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern in der jüngsten Sitzung den halben Sitz vergeben hat. Der Zulassungsausschuss ist ein von der KVB unabhängiges Gremium, besetzt zu je 50 Prozent aus Vertretern der oberbayerischen Ärzteschaft und den Krankenkassen, die Beschlüsse dort werden nicht-öffentlich gefällt. Aus Datenschutzgründen, so der KVB-Sprecher weiter, könne nicht mitgeteilt werden, welche Bewerbungen für den Ebersberger kinderärztlichen Planungsbereich vorlagen und ebenso wenig, welche Bewerbung letztlich den Zuschlag bekommen hat.

Nach Recherchen der SZ ist der halbe Sitz ans MVZ in Ebersberg gewandert, Klinik-Chef Stefan Huber bestätigte dies. Dort war Veronika Spranger seit dem Ende der Kirchseeoner Kinderarztpraxis im Rahmen eines halben Sitzes tätig. Die Kinderärztin arbeite nun mit mehr Stunden, in zwei Wochen wird laut Huber eine weitere Kinderärztin ihre Arbeit am MVZ beginnen, sodass der ganze Arztsitz ausgefüllt ist.

Veronika Spranger ist Kinderärztin und Neonatologin im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Ebersberg. (Foto: Kreisklinik/oh)

Damit sind aktuell 13, bald 14 Ärzte und Ärztinnen auf elf Sitzen im Landkreis Ebersberg tätig, jeweils einer in Markt Schwaben und Grafing, sechs in Poing, drei in Vaterstetten und zwei beziehungsweise demnächst drei in Ebersberg - im südlichen Landkreis ist keine einzige Kinderarztpraxis angesiedelt. Die Mediziner sind für 27 884 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre (Einwohnerstand: 31. Dezember 2022) zuständig - das macht fast 2535 Patientinnen und Patienten pro Arztsitz. Die Grundlage für die Bedarfsplanung des Landesausschusses orientiert sich daran, wie viele Kinder und Jugendliche ein Kinderarzt oder eine Kinderärztin als Ziel versorgen soll. Das ist eine bundeseinheitliche Richtlinie, die festgelegt wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss.

Damit ist der Landkreis laut KVB-Versorgungsatlas offiziell mit fast 115 Prozent überversorgt. Ab einer Versorgung von 110 Prozent herrscht der KVB-Pressestelle zufolge ein Niederlassungsstopp: Ein weiterer Kinderarzt oder eine weitere Kinderärztin kann im Landkreis derzeit also nicht hinzukommen. Allerdings sind zwei der Ärzte 60 Jahre oder älter. Damit ist es absehbar, dass ruhestandsbedingt in den kommenden Jahren wieder zwei Sitze vakant werden und die Suche nach geeigneten Nachfolgern erneut beginnt.

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