Kindermedizin:Gute Versorgung gefährdet

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Wer einen Termin in der Kinderarztpraxis braucht, muss aktuell viel Geduld mitbringen. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Die Lage in den Kinderarztpraxen im Landkreis Ebersberg ist bedenklich - gearbeitet wird am Anschlag, dennoch kommen so manche Eltern nicht einmal durch, um einen Termin für ihr krankes Kind zu vereinbaren. Doch es gibt auch zwei gute Nachrichten.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Ein Tuten als Zeichen für "belegt". Die Melodie irgendeiner Warteschleife. Oder gleich ein Anrufbeantworter, der sagt, dass aktuell keine Anrufe entgegengenommen werden können - man möge sich bitte per E-Mail melden. Eltern brauchen derzeit schon viel Durchhaltevermögen, um in einer Kinderarztpraxis im Landkreis Ebersberg jemanden zu erreichen: Überall wird am Anschlag gearbeitet, die Praxen sind voll. Drastische Worte findet Lampros Kampouridis, Kinderarzt aus Baldham, um die Situation zu beschreiben: "Wenn der Anspruch eine gute Versorgung ist, dann kann man durchaus sagen: Die ist gerade gefährdet", sagt er.

In den umliegenden Kinderkliniken - im Landkreis selbst gibt es keine - herrscht auch kein besseres Bild. Es kann in diesen Tagen schon mal vorkommen, dass Kinder mit dem Rettungswagen gut 150 Kilometer weit bis nach Deggendorf gefahren werden müssen, weil erst dort das nächstgelegene freie Krankenhausbett ist, wie das BRK Ebersberg mitteilt. Und jetzt? Was bedeutet das für Eltern aus dem Landkreis Ebersberg, die ein krankes Kind zu Hause haben?

Unfallchirurgische Notfälle kann die Ebersberger Kreisklinik versorgen

Die erste gute Nachricht vorneweg: Die Notfallversorgung ist nach wie vor sichergestellt. So können in der Kreisklinik Ebersberg, obwohl es sich dabei um ein Krankenhaus für Erwachsene handelt, Kinder ab drei Jahren nach Unfällen ohne weiteres in der Unfallchirurgie behandelt werden, wie die Klinik mitteilt. "Wenn sich ein Kind also etwas staucht oder bricht, können wir sehr gut die Notfallversorgung übernehmen." Bei allem anderen jedoch sind spezielle pädiatrische Abteilungen - die es in Ebersberg nicht gibt - oder Kinderkliniken gefragt. Dazu zählen auch Fälle, in denen es um Atembeschwerden geht - also jene Fälle, die aktuell gehäuft vorkommen. In solchen Notfällen sind die Kinderkliniken in Rosenheim und Schwabing die nächstgelegenen Anlaufstellen.

Auch in der Ebersberger Bereitschaftspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) können Kinder und Jugendliche versorgt werden, wie ein Sprecher mitteilt. Ab welchem Alter genau, wird leider nicht gesagt. Bei der Bereitschaftspraxis handelt es sich um eine allgemeinärztliche, sie stellt somit die hausärztliche Versorgung unter der Woche in den Abendstunden sowie an den Wochenenden und Feiertagen sicher, also dann, wenn die Sprechstundenzeiten der regulären Praxen vorüber sind.

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Die Fallzahlen sind auch in der Bereitschaftspraxis derzeit höher als sonst, das sei aber zur Grippezeit die Regel, so der KVB-Sprecher. Insofern habe man sich vorbereitet, von der aktuellen Entwicklung sei niemand überrascht worden. "In der Bereitschaftspraxis Ebersberg war und ist genug Kapazität vorhanden, um alle Patienten zu behandeln." Es herrsche keine Sorge, an die Belastungsgrenze zu stoßen. Wie viele der Patienten jedoch Kinder und Jugendliche sind, dazu dürfe sich die KVB nicht äußern.

Wer nun aber werktags mit dem kranken Kind zum Arzt möchte, der wird in vielen Fällen aktuell ein Problem haben - daran kann auch die funktionierende Notfallversorgung nichts ändern. Kinderarzt Kampouridis zumindest kann hier nichts Entwarnendes sagen. "Aktuell ist es sicher so, dass wir nicht alle Kinder behandeln, weil einige Eltern erst gar nicht bis zu uns durchkommen", sagt er. Ob das bei anderen Kinderarztpraxen im Landkreis Ebersberg auch so ist, lässt sich schwer sagen - entweder waren die Praxen telefonisch nicht zu erreichen, ließen schriftliche Anfragen unbeantwortet oder wollten gegenüber der Presse keine Auskunft geben. Aber Kampouridis sagt: "Die Praxen sind überfüllt von Kindern mit Infekten der oberen Atemwege - das höre ich auch von meinen Kolleginnen und Kollegen."

Die Influenzawelle ist heuer früher dran als gewohnt

Dass die Patientenzahlen in der kalten Jahreszeit höher liegen als im Sommer, sei normal, bestätigt der Kinderarzt die Aussage der KVB. Dieses Jahr ist laut Kampouridis dennoch außergewöhnlich: "Es ist früher und heftiger." So mache sich zum Beispiel die für den Winter typische Influenzawelle üblicherweise erst ein paar Wochen später bemerkbar.

Wenn es um RSV geht, herrschen bei den Eltern, die Kampouridis in der Praxis gegenübersitzen, große Ängste. RSV ist kurz für "Respiratorisches Synzytial-Virus", eine Infektion der unteren und oberen Atemwege und laut Robert-Koch-Institut (RKI) "einer der bedeutendsten Erreger von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen, insbesondere Frühgeborenen und Kleinkindern". Gegenüber Kampouridis äußerten bereits Eltern die Sorge, dass das eigene Kind keinen Krankenhausplatz bekommt, sollte es aufgrund einer RSV-Infektion auf Sauerstoff angewiesen sein.

Die Frage nach einem Krankenhausplatz bezeichnet der Kinderarzt durchaus als problematisch - das habe aber strukturelle Gründe. Diese zu lösen, funktioniere leider nicht von jetzt auf gleich. Jedoch ist es auch so, und das ist die zweite gute Nachricht, dass ein RSV-krankes Kind selten in einer Klinik versorgt werden muss. "RSV ist nicht pauschal eine gefährliche Krankheit", sagt Kampouridis. "Nicht jeder positive Abstrich bedeutet automatisch gleich einen Aufenthalt auf der Intensivstation."

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