Wohnbaupolitik:Grafing tritt auf die Preisbremse

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Grafings jüngstes Baugebiet am Aiblinger Anger. (Foto: Christian Endt)

Eine "Stadtratsampel" plant einen drastischen Schritt, um mehr Grafingern günstiges Bauland zu ermöglichen.

Von Thorsten Rienth, Grafing

700 000 Euro hatte einst das günstigste Haus im sogenannten Einheimischenbauland der "Wolfschlucht" gekostet. Heute, knapp zehn Jahre später, geht der Preis als Schnäppchen durch. Bei etwas mehr als 600 Euro je Quadratmeter hatte er zu Wolfschluchtzeiten in dieser Gegend gelegen. Zum Jahresende 2020 waren es laut Bekanntmachung der Stadt Grafing glatt das Doppelte. Eine "Stadtratsampel" aus Grünen, SPD und FDP will die örtliche Baulandentwicklung mit einem drastischen Schritt neu strukturieren.

"Die Stadt ein sehr wertvolles und wertschaffendes Instrument in der Hand, nämlich das Recht, Bauland auszuweisen beziehungsweise Baurecht auszuweiten", heißt es in dem am Montag im Rathaus eingereichten Papier. Allein: "Bisher nutzen wir dieses Potential nur marginal und indirekt."

Durch die hohen Baulandpreise werden bestehende Fördermaßnahmen unwirksam

Bisher, damit ist der sogenannte Grundsatzbeschluss zur Grafinger Grundstückspolitik aus dem Jahr 2016 gemeint. Grundsatzbeschlüsse regeln, unter welchen Bedingungen billige Wiese zu teurem Bauland werden darf. Erschließungsflächen schon abgezogen darf der Grafinger Grundstückseigentümer aktuell 65 Prozent auf den freien Markt bringen. Die verbleibenden 35 Prozent muss er 40 Prozent unter dem aktuellen Bodenrichtwert verkaufen. Wer für diesen Teil den Zuschlag erhält, regelt der Kriterienkatalog der Stadt. Für hohes Einkommen gibt es Maluspunkte, für Kinder oder zu pflegende Angehörige Pluspunkte. Sozialgerechte Bodennutzung lautet der Fachterminus, kurz SoBon.

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Doch je höher Baulandpreise steigen, desto seltener kommen diejenigen zum Zug, für die das vergünstige Bauland eigentlich gedacht ist. Selbst das verbilligte Bauland ist für sie zu teuer. Sie müssen sich von der Liste streichen. Oft rutschen Leute nach, die aufgrund des hohen Einkommens weiter hinten stehen. Wenn man so will: Leute außerhalb der Zielgruppe.

Die Stadt soll eine aktivere Rolle spielen

Deshalb wollen Grüne, SPD und FDP das Zahlenwerk deutlich verschärfen: "Die Kernidee dabei ist, dass sich Kommune und Grundstückseigentümer den neu entstehenden, wertvollen Baugrund teilen, der durch das Zusammenlegen von Grund und Baurecht erst entsteht", schreiben die Fraktionen in der Antragsbegründung. Heißt: Wer künftig am Ort neues Bauland ausweisen will, muss die Stadt also die Hälfte der Grundstücksfläche des Plangebiets erwerben lassen. Der Vorschlag ist angelehnt an einen Beschluss, den der Zornedinger Gemeinderat im vergangenen Jahr gefasst hatte.

Nach Ansicht der Grafinger Ampel ist die 50/50-Aufteilung nur fair. "Denn beide Seiten bringen ihren wichtigen Teil ein: Die Stadt gibt Baurecht durch einen Bebauungsplan, der Eigentümer steuert den Grund bei." Das Kalkül: Erhalte die Stadt einen größeren Anteil am Bauland, könne sie auch mehr Häuser oder Wohnungen gemäß Kriterienkatalog vergeben.

Auch Folgekosten für Infrastruktur sollen ausgeglichen werden

Aber es geht nicht nur um die Preise, die Grafinger Familien für ihr Bauland hinlegen müssen. Neues Bauland ziehe immer auch einen Ausbau der Infrastruktur nach sich, argumentieren die Fraktionen. Eigentümer verdienten mit der Baulandentwicklung gutes Geld. Die Allgemeinheit übernehme die Folgekosten.

"Gerade Grafing kann es sich nicht mehr länger leisten, von kommunalen Kosten und Aufwänden und mit einer daraus resultierenden, weiter stark steigenden Verschuldung an die Wand gedrückt zu werden", schreiben die Stadträte in dem Antrag. "Es geht um die Zukunft unserer Stadt, um auch weiterhin gesund und maßvoll wachsen zu können, dabei aber auch die finanziellen Möglichkeiten zu behalten, wertvolle Infrastruktur wie Schulen, Kinderbetreuung, Seniorenbetreuung, aber auch freiwillige Leistungen, wie Freibad, Eisstadion, Stadthalle, Unterstützung der Vereine und vieles mehr qualitativ hochwertig zu erhalten und weiterentwickeln zu können."

Mögliche Einwände etwa hinsichtlich Umsetzbarkeit versuchen die Initiatoren bereits zu Beginn der Debatte - und mit dem Verweis auf Zorneding - auszuräumen. "Die notwendige Rechtssicherheit ist durch dieses Vorbild ebenso gegeben, da er Beschluss in Zorneding (und anderswo) erfolgreich rechtskräftig beschlossen wurde. Daher beantragen die unterzeichnenden Stadträte und Fraktionen den (...) Grundsatzbeschluss im Bauausschuss vorzuberaten und im Stadtrat zu beschließen."

Wann der Antrag auf die Tagesordnung kommt liegt nun an Bürgermeister Christian Bauer (CSU).

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