Kreis Ebersberg:Mit das größte Carsharing-Angebot in Deutschland

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Insgesamt elf Carsharing-Vereine gibt es derzeit im Landkreis. Wie etwa die Grafinger Autoteiler, die diesen roten Flitzer verleihen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kaum eine ländliche Region hat bundesweit so ein großes Repertoire wie der Landkreis Ebersberg. Über die elf Vereine und ihre ehrgeizigen Ziele.

Von Jonas Braun

Modellregion Ebersberg. In kaum einem Zusammenhang ist diese Bezeichnung so passend, wie wenn es um Carsharing geht. Trotz des modern klingenden Begriffs ist das Teilen von Autos bei weitem keine Modeerscheinung. Klaus Breindl ist der Sprecher der Projektgruppe Carsharing des Landkreises Ebersberg und setzt sich nun seit fast 30 Jahren zusammen mit seinem Verein, dem Vaterstettener Autoteiler (VAT), für das Carsharing ein. Die Idee dahinter ist simpel: Man verzichtet auf ein eigenes Auto und hat trotzdem immer eines für Einkäufe oder Ausflüge zur Verfügung.

Im Landkreis Ebersberg gibt es ein sehr starkes Angebot, verglichen zum Rest von Deutschland. "In über 50 Prozent der Gemeinden bieten wir Carsharing an", erzählt Breindl. Zum Vergleich: Im Rest von Deutschland haben nur etwa fünf Prozent der Gemeinden unter 50 000 Einwohnern ein vergleichbares Angebot. Mittlerweile zählt der Landkreis 1100 Mitglieder, insgesamt fahrberechtigt sind etwa 2500 Personen. Am Anfang des Jahres standen ihnen 24 Autos zur Verfügung, allein in Vaterstetten seien aber schon zwei dazugekommen, sagt Breindl. Elf Anbieter in elf Gemeinden gibt es bereits und bald soll auch noch Parsdorf ein Teil der Carsharing Gemeinschaft werden.

Auch diese Branche hat die Pandemie allerdings deutlich zu spüren bekommen. "Es traf die einzelnen Vereine unterschiedlich hart, aber wir mussten alle einen sehr starken Einbruch hinnehmen", erzählt er. Rund 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Folge? Die Vereine mussten Autos stilllegen, um Versicherungskosten zu sparen, die Fixkosten liefen trotzdem weiter. Währenddessen gab es massive Einnahmeausfälle.

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Der Verein appellierte an die Mitglieder, Berührungsflächen zu desinfizieren und stellte in allen Autos Desinfektionsmittel bereit. Breindl habe trotzdem "Großes Verständnis" für alle gehabt, die aus Angst vor dem Virus das Carsharing nicht mehr nutzen wollten. Ein paar Vereine mussten die Corona Soforthilfe beantragen, doch alle elf hätten die Pandemie "mit zwei mehr oder weniger blauen Augen" überstanden, so Klaus Breindl.

Nun stehen große Ziele für die Zukunft an. Bis 2030 sollen 95 Prozent der Landkreis-Bürger mit Führerschein auf ein Carsharing Angebot zurückgreifen können und zehn Prozent sollen das Angebot dann auch aktiv nutzen. Dies seien sehr ehrgeizige Ziele, meint Breindl. "Bis jetzt sind wir bei einer Teilnahme von zwei Prozent. Es liegt noch viel Arbeit vor uns." Das Angebot im Landkreis ist aber jetzt schon beispiellos für eine so ländliche Region.

Wichtig für das gute Funktionieren ist die Struktur der Anbieter: Es sind Vereine. Klaus Breindl legt hier besonders großen Wert auf Eigenverantwortung, man fühle sich als Teil einer Gemeinschaft. "Die Autos sind keine Dienstleistung", sagt er und lobt das starke ehrenamtliche Engagement der Vereinsmitglieder. Die Leute seien außerdem vorsichtiger und sähen die Autos eher als ihre eigenen. Die Kosten für das Carsharing setzen sich aus einem Aufnahmebeitrag, einer Einlage in Form eines zinsfreien Darlehens und Nutzungsgebühren zusammen. "Das Geld steckt alles wieder in den Autos", erklärt Breindl, die seien so viel wert, wie die Summe aller Einlagen.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels sollten Angebote, wie das Carsharing, eigentlich boomen. Dass sie das nicht tun, liegt laut Klaus Breindl an der Mentalität der Deutschen: "Auto hat man. Punkt." Er sieht sich als Vorreiter für eine klima- und umweltfreundlichere Mobilität und hofft auf ein Umdenken. "Es muss sich was tun", sagt er. Auch im Bereich Elektromobilität versucht sein Verein mit gutem Beispiel voranzugehen.

Im Landkreis Ebersberg gibt es bereits fünf verfügbare Elektrofahrzeuge. Die Zahl sei so gering, da es einfach nicht die nötigen Ladekapazitäten gebe, sagt Klaus Breindl. Öffentliche Säulen seien leider nicht geeignet. "Es gibt noch einiges zu klären, bevor der große Schritt zur Mobilitätswende gemacht werden kann", erklärt er, "die Frage ist aber nicht ob, sondern wann."

© SZ vom 23.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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