Ukrainische Flüchtlinge:Zeit für die Renaissance der Helferkreise

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Sollte den Ukrainern ein längerfristiger Aufenthalt in Bayern bevorstehen, wäre ihnen nachhaltigere Unterstützung zu wünschen als den Flüchtlingen 2015.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Es waren große Momente für jene, denen Völkerverständigung am Herzen liegt: Flüchtlinge, die am Münchner Hauptbahnhof von Einheimischen nicht nur sprichwörtlich mit offenen Armen in Empfang genommen wurden. Auch aus dem Kreis Ebersberg standen im Sommer 2015 Menschen am Bahngleis. Manche von ihnen nahmen einen Neuankömmling bei sich auf. Seinerzeit wurde der Begriff "Willkommenskultur" geprägt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, wir schaffen das. Und es wurde auch geschafft. Allerdings nicht von der Gemeinschaft. Sondern von einigen wenigen.

Der Landkreis Ebersberg ist hierfür kein sonderlich auffälliges Beispiel, sondern steht exemplarisch für ein Phänomen, das sich zwischen 2015 und 2016 in Bayern abspielte: Zu Beginn der Krise trugen sich die Menschen auf Helferlisten ein. Gründeten Asylkreise, wo noch keine existierten. Und nicht wenige auf den Listen leisteten auch Beiträge: organisierten Fahrräder, Schulbücher, Einkaufstouren oder Probetrainings beim örtlichen Fußballklub. Ein halbes Jahr später dann sah man immer häufiger die gleichen Menschen an den Turnhallen und Containern vorfahren. Im Sommer 2016 konnte man geschätzt 90 Prozent der Mitglieder in besagten Helferkreisen als Karteileichen verbuchen.

Sollte den vom Krieg in der Ukraine geflohenen Menschen dank Putin und seiner Armee ein längerfristiger Aufenthalt in Bayern bevorstehen? Falls ja, so ist diesen Menschen zu wünschen, dass sich die Dinge nicht wie vor sechs Jahren wiederholen. Falls es also so sein sollte, so dürfte den ukrainischen Neuankömmlingen so manches Mut machen in dieser trostlosen Zeit: Es könnte tatsächlich gut sein, dass die Menschen weniger schnell aus den Köpfen verdrängt werden als vor sechs Jahren. Nie war ein Zeitpunkt geeigneter für eine Renaissance der lokalen Helferkreise.

Die Bilder sind näher, die Katastrophe ist eindeutiger und besser nachvollziehbar. Die Betroffenen bestehen nun anders als damals aus Frauen und Kindern. Vor sechs Jahren kamen außerdem schier unüberwindbare bürokratische Hürden hinzu. Selbst Helfer blickten meist nicht mehr durch. So hatte auch der Freistaat dazu beigetragen, dass die bayerische Willkommenskultur 2015 irgendwann eher einer Ja-mei-Kultur ähnelte. Für Ukraine-Flüchtlinge soll das Ausfüllen von Asylanträgen nun - dem Vernehmen nach - einfacher und verständlicher werden. Das wäre auch Völkerverständigung, ein kleiner erster Schritt.

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