Ein Dorf im Ausnahmezustand:2000 Gäste? Kein Problem!

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"Serious Black" ist international erfolgreich, doch verantwortlich zeichnet Mario Lochert aus Kirchseeon (Zweiter von rechts). (Foto: Veranstalter)

Kirchseeon veranstaltet erstmals "Rock im Markt", ein Open-Air-Festival, wie es der Landkreis Ebersberg wohl noch nie gesehen hat. Headliner ist die Band "Serious Black", deren Gründer aus der Gemeinde stammt. Doch wo genau wird es laut?

Von Anja Blum, Kirchseeon

Seine Band sei sehr "fanfreundlich", sagt Mario Lochert. Aber eine Row Zero oder gar dubiose Backstagepartys gebe es bei ihm natürlich nicht. "Und wenn überhaupt, dann nur homöopathische Tropfen." Bei Serious Black nämlich beschränke sich der Kontakt mit den Fans auf Autogramme, gemeinsame Selfies und einen Ratsch am Merchandise-Stand. Solche aber wird Lochert demnächst zuhauf führen müssen, denn er spielt nun erstmals mit seiner international erfolgreichen Power-Metal-Band in Kirchseeon - seinem Heimatort.

"Rock im Markt - Lautstark für einen guten Zweck" heißt das Event, dessen Idee auf dem Neujahrsempfang der Gemeinde ihren Anfang nahm. Mario Lochert nämlich wurde da geehrt, sozusagen als Kirchseeons größter musikalischer Exportschlager. Schon früh machte der gelernte Konditor sein Hobby zum Beruf, wurde Tontechniker, Songschreiber und Bassist. 1995 gründete er Emergency Gate, eine Metal-Band, die irgendwann mit Kreator auf Europatournee ging - einem der erfolgreichsten Acts der Szene. 2014 dann rief Lochert die international besetzte Formation Serious Black ins Leben - und startete damit eine steile Karriere. Das neueste Album erreichte in den deutschen Charts Platz 16, auf seinen Tourneen hat der Kirchseeoner schon die halbe Welt gesehen: Indien, USA, Kanada, Japan, China, Korea, Australien.

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Und nun also Kirchseeon. Ein Heimspiel an jenem Ort, wo schon seit fast zehn Jahren jene Songs entstehen, denen die Fans in Barcelona genauso zujubeln wie in Tokio. "Das ist eigentlich völlig irre", sagt Lochert und lacht. Ob man da nicht mal was machen könne, hatte ihn der Bürgermeister beim Empfang gefragt - und stieß bei dem 42-Jährigen sofort auf offene Ohren.

Ein Gespräch, das nun gravierende Folgen für Kirchseeon hat: Die Marktgemeinde stellt ein Rockfestival auf die Beine, wie es der Landkreis wahrscheinlich noch nie gesehen hat. Neben Headliner Serious Black werden drei weitere Bands spielen: Inferno, die Maladroits und Wasteland. Die Veranstalter rechnen mit bis zu 2000 Besucherinnen und Besuchern aus Nah und Fern.

"Inferno" ist mit Rock-Cover-Nummern von gestern bis heute die klassische Partyband. (Foto: Dominik Bartl/oh)

Und man mag es kaum glauben: Diese oberbayerische Dorfgemeinschaft, wie man so schön sagt, veranstaltet dieses Event komplett in Eigenregie. "Wir wollten das unbedingt selber stemmen", sagt Bürgermeister Jan Paeplow nicht ohne Stolz. Wie sehr das ganze Projekt auf Heimatgefühl fußt, zeigt nicht zuletzt die Gestaltung des Plakats, denn es verweist auf das Kirchseeoner Wappen: In der Mitte, hinter einer schnittigen E-Gitarre, prangt ein Nonnenfalter, jener kleine Schädling, der dem Ort einst zu großem Wirtschaftswachstum verhalf.

Offizieller Veranstalter ist die Gemeinde, doch das Rathaus alleine käme bei so einem Mammutprojekt wohl nicht sehr weit. Schließlich ist so ein Festival mit haufenweise unterschiedlichen Aufgaben verbunden. Da geht es zunächst einmal darum, ein geeignetes Lineup zusammenzustellen, dann um professionelle Werbemaßnahmen und Ticketverkauf, schließlich um Bühnentechnik sowie Sicherheit, Parkplätze, Sanitäranlagen und nicht zuletzt um Gastronomie. Wie gesagt: für 2000 Menschen.

Hinter "Rock im Markt" steht ein schlagkräftiges Team, hier stellvertretend Christian Eringer für die Vereine, Musiker Mario Lochert und Bürgermeister Jan Paeplow (von links). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Insofern wäre die Premiere von "Rock im Markt" wohl nicht zustande gekommen, hätten der der Metal-Star und der Bürgermeister nicht so viele Helfer hinter sich scharen können: die Kirchseeoner Vereine. "Die haben alle innerhalb von zwei Tagen ihre Unterstützung zugesagt", erzählt deren Sprecher Christian Eringer. "Schließlich haben wir alle großen Spaß an Veranstaltungen." Mit dabei bei "Rock im Markt" sind lauter Vereine, die viel Erfahrung haben, weil sie seit Jahren die Verpflegung beim Bürgerfest schmeißen: der FC Fussi, die Feuerwehr Markt Kirchseeon, die Perchten, der Kegel- und der Boßelclub. Insgesamt werde man auf an den Schenken, Bars und Grillstationen des Festivals mit rund 70 Helfern vertreten sein, sagt Eringer. "Und wir sind sehr schlagkräftig."

Doch nicht nur bezüglich Speis und Trank tragen die Kirchseeoner einen großen Teil zum Gelingen bei: Rainer Eglseder von den Perchten etwa hat gemeinsam mit Lochert für ein stimmiges Lineup gesorgt, denn dank seiner Kontakte als Schariwari-Mitglied war es ihm ein Leichtes, weitere Bands mit Lokalkolorit zu mobilisieren: Wasteland rund um den Kirchseeoner Gitarristen Bernie Schröter und den Grafinger Bassisten Franz Meier-Dini bietet erdigen, selbst geschriebenen Westcoast-Rock, die Maladroits aus Kirchseeon haben sich dem - gelegentlich taktlosen - Punk-Rock und Fun-Punk mit Ska-Einflüssen verschrieben, und Inferno aus Aßling bezeichnet Lochert als eine der besten Rock-Cover-Bands. "Die spielen alles, von den 80ern bis heute - und das perfekt!"

Classic-Rock aus eigener Feder hat "Wasteland" im Gepäck. (Foto: Heinrich Rieger/oh)

Damit diese druckvolle Livemusik aber auch tatsächlich ihre Wirkung entfalten kann, braucht es eine professionelle Bühne mit allem Pipapo. Und da kommt Andreas Weber ins Spiel: Der Kirchseeoner arbeitet bei Qualimero in Hohenbrunn, einer Firma für Veranstaltungstechnik. Dank dieser erwartet das Festivalpublikum eine neun mal sechs Meter große Bühne samt 5000-Watt-Beschallung und 20 beweglichen Scheinwerfern. Außerdem werden bei Licht- und Tondesign absolute Profis am Werk sein. "Da gibt's ordentlich was auf die Mütze, und ich freu mich schon auf die Specialeffects", sagt Lochert.

Doch wo, zur Hölle, kann in Kirchseeon ein solches Rockfestival überhaupt stattfinden? Ganz einfach: mitten im Ort, neben der Schule. Ihr gegenüber nämlich gibt es einen Parkplatz, auf dem die Bühne stehen kann. Als Festivalgelände soll ganz einfach die Münchner Straße fungieren. "Die wird mit Gittern abgesperrt", erklärt der Bürgermeister, "und bietet genügend Platz für all die Gäste und Verpflegungsstationen". Ob man dann allerdings von überall auch einen Blick auf das Bühnengeschehen werfen kann, darf zumindest angezweifelt werden. Andererseits ist anzunehmen, dass nicht nur die Besucher in den Genuss der lauten Gitarren kommen werden... Indes: Kein Problem, ist man sich im Organisationskreis einig, Kirchseeon sei partyerprobt.

Auf diesem Parkplatz an der Münchner Straße, wo früher eine Kita der Johanniter stand, wird die Bühne des Festivals stehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für Sicherheit rund ums Gelände sorgen übrigens die örtlichen Rettungskräfte - denen ganz generell der Dank der Veranstalter gilt: "Rock im Markt" ist ein Benefizkonzert, dessen Erlös den Kirchseeoner Feuerwehren und dem BRK zugute kommen wird. "Angesichts der jüngsten Vorfälle wollen wir ein lautstarkes Zeichen setzen für diese ehrenamtlichen Helfer und ihnen unseren Respekt zeigen", sagt Paeplow mit Blick auf die zunehmenden Attacken gegen Rettungskräfte. Um diese Spendenaktion zu unterstützen, verzichten sämtliche Musiker auf eine Gage, sogar die Stars von Serious Black.

Der Eintrittspreis allerdings ist sehr moderat, er beträgt zwölf Euro. Ob das ausreichen wird, um die - trotz allen Ehrenamtes - hohen Kosten zu decken? "Naja, es gibt Erfahrungswerte, aber sicher ist das natürlich nicht", sagt der Bürgermeister, der aktuell noch auf Sponsorensuche ist. Doch dieses Risiko gehe er gerne ein - zugunsten eines Festivals für alle Menschen, von jung bis junggeblieben, und zugunsten einer möglichst niedrigen Hemmschwelle: Niemand soll seinen Konzertbesuch vom Geldbeutel abhängig machen müssen.

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15 oder schon 20 Jahre sei es her, dass er in Kirchseeon, damals in der ATSV-Halle, aufgetreten sei, erzählt Lochert. "Aber daheim bekommt man halt schon immer sehr emotionale Rückmeldungen." Deswegen sei dieses Festival nun durchaus etwas ganz Besonderes für ihn. "Deswegen freue ich mich, dass unser Bürgermeister die Eier dafür in der Hose hat." Trotzdem: Eine Wiederholung von "Rock im Markt" wird es so schnell nicht geben, zumindest nicht mit Serious Black. "Wir werden jetzt sicher nicht jedes Jahr hier spielen, das wäre viel zu viel", sagt Lochert. Insofern sollte man sich diese Gelegenheit nun wohl nicht entgehen lassen.

Open-Air-Festival "Rock im Markt - Lautstark für einen guten Zweck" : am Samstag, 22. Juli, in Kirchseeon, Münchner Straße, gegenüber der Grund- und Mittelschule. Einlass ab 16.30 Uhr, Beginn um 17.30 Uhr. Der Eintritt kostet 12 Euro. Karten gibt es unter www.eventim.de , in Kirchseeon beim Pinocchio Spielkistl, bei der Poststation, beim Buchladen , in Eglharting bei Sport Gürteler, in Zorneding bei Steffis Schreibwaren sowie an der Abendkasse.

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