Lokale Energiewende:Megawatt von Nebenan

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Das Windrad in Hamberg bei Bruck ist bisher das einzige im Landkreis. Nordwestlich von Nettelkofen bei Grafing könnte bald eine weitere Anlage entstehen. (Foto: Christian Endt)

Grafing geht die nächsten Schritte zum ersten Bürgerwindrad im Landkreis: Die Verwaltung legt mit der Änderung des Flächennutzungsplans los, bis Ende Juni 2024 sollen alle nötigen Genehmigungen beantragt sein. Klarheit herrscht nun auch, wer die Anlage später einmal betreiben soll.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Eine große grüne Fläche zieht sich auf diesem Landkartenausschnitt zwischen Kirchseeon und Grafing von West nach Ost. Halbtransparent liegen große rote und kleinere orange Kreise darüber. Just dort, wo ein paar der Kreise fast zusammenstoßen und eine kleine Lücke zwischen zwei Windkraft-Sperrgebieten aufmachen, dorthin hat jemand einen kleinen schwarzen Punkt gesetzt. Der markiert auf der Suche nach einem Areal fürs geplante Grafinger Bürgerwindrad einen Volltreffer, kurz: Einen Standort, gegen den es, soweit fürs Erste absehbar, keine regulatorischen Einwände gibt.

Auf genau diesem schwarzen Punkt Nordwestlich von Nettelkofen will Grafings Bauausschuss die "Sonderbaufläche Windenergiegebiet" ausweisen, eine Kreisfläche von 90 Metern Radius. Darauf soll das erste Bürgerwindrad im Landkreis Ebersberg entstehen, und zwar mit einer Nennleistung von satten fünf Megawatt. Die lange Liste an Beschlüssen hinter der Anlage fällte der Grafinger Bauausschuss am Dienstagabend größtenteils mit nur einer Gegenstimme.

Die Finanzierung soll über eine Genossenschaft laufen, betreiben will die Anlage die Stadt

"Das wird eine super Sache", freute sich Bürgermeister Christian Bauer (CSU) im Anschluss. "So ein Bürgerwindrad ist genau das, wo wir bei den erneuerbaren Energien hinwollen: Sie vor Ort zu erzeugen, sie vor Ort einzuspeisen - und auch die Rendite vor Ort behalten."

Dass der Bürgermeister das so sagen kann, das liegt durchaus auch am - wahrscheinlich bald früheren - Grundstückseigentümer des 90-Meter-Kreises. Auf eine Umsatzbeteiligung von drei Prozent haben er und die Stadt sich geeinigt. Bisweilen verlangen Grundstückseigentümer das Doppelte. Doch was in die Tasche der Vertragspartner fließt, das schmälert die Attraktivität bei mitmachgeneigten Bürgerwindradlern.

Klarheit herrscht nach der Sitzung auch, wer die Anlage später einmal betreiben soll, nämlich die Stadt Grafing selbst. Die Finanzierung, die von Gesetzes wegen vom Betrieb getrennt sein muss, soll entweder über eine Genossenschaft oder eine Gesellschaft laufen. "Da müssen wir bei einigen Details noch prüfen, was die sinnvollere Variante ist", erklärte Bauer.

Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum hält den Standort für geeignet

Erklärt ist auch das Ziel, die nötigen Genehmigungen, also allen voran das sogenannte umweltrechtliche Antragsverfahren, spätestens Ende Juni 2024 beim zuständigen Ebersberger Landratsamt einzureichen. Denn bis dahin gilt für Windkraftanlagen ein vereinfachter Prozess. "Den wollen wir nutzen, um das Windrad zuerst möglichst schnell genehmigt, und dann möglichst schnell in den Betrieb zu bekommen", sagte Bauer.

Aus regionalplanerischer Sicht steht einer schnellen Umsetzung jedenfalls nichts entgegen. Der Standort deckt sich mit dem Suchkreis des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum, der auf übergeordneter Ebene die Ausweisung von Windenergiegebieten vorbereitet. "Daraus können wir auf jeden Fall schonmal entnehmen, dass wir hier nicht den Zielen der Raumordnung entgegenstehen", war sich der Bürgermeister sicher.

Nordwestlich von Nettelkofen könnte das Bürgerwindrad entstehen. Zu dieser Frage hat Grafings Bürgermeister Christian Bauer nun einen Ratsentscheid angekündigt - ohne sich mit dem Gemeinderat vorher abzustimmen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nicht zuletzt deshalb bewerteten die Mitglieder des Bauausschusses die Chancen auf die Genehmigung als hoch. So hoch, dass sie an dem Abend mit den Planungsleistungen für den Stromnetzanschluss des Windrads eine nicht unwesentliche Infrastrukturmaßnahme beauftragten.

Dahingehend nämlich fügen sich die Dinge aus Grafinger Perspektive gut. Wegen der hohen Nennleistung hatte gar eine aufwendige neue Leitungsverlegung bis zum Umspannwerk nach Gsprait gedroht. Weil entlang der Kreisstraße EBE 8 zwischen Gsprait und Kirchseeon aber nun ohnehin eine neue Leitungstrasse gebaut werden soll, lässt sich das Windrad vergleichsweise unkompliziert anbinden. Zu der neuen Leitung sind es gerade einmal 350 Meter.

Zunächst sollen sich ausschließlich Grafinger Bürger an der Anlage beteiligen können. Anschließend will die Stadt den Kreis auch für auswärtige Interessenten öffnen.

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