Am Ebersberger Bahnhof:Sparkassenbau wird zur Flüchtlingsunterkunft

Am Ebersberger Bahnhof: Große Teile des früheren Sparkassengebäudes am Ebersberger Bahnhof stehen leer. Nun sollen hier Geflüchtete einziehen.

Große Teile des früheren Sparkassengebäudes am Ebersberger Bahnhof stehen leer. Nun sollen hier Geflüchtete einziehen.

(Foto: Christian Endt)

Bis zu 170 Menschen sollen im Sitzungssaal und früheren Büroräumen Platz finden. Landrat Robert Niedergesäß will auf jeden Fall vermeiden, dass erneut Turnhallen umgenutzt werden: "Notfalls lege ich mich davor."

Von Barbara Mooser und Sina-Maria Schweikle, Ebersberg

Wo in den vergangenen Jahren Sitzungen des Kreistags, Feiern und Tagungen stattfanden, werden bald Menschen leben: Im Sitzungsaal des früheren Sparkassengebäudes am Ebersberger Bahnhof sollen 50 Geflüchtete Platz finden, weitere 120 Menschen können in anderen Räumen des großen, weitgehend leerstehenden Baus untergebracht werden. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) reagiert so auf die Tatsache, dass der Landkreis - wie andere in Bayern auch - erneut extrem unter Druck ist, Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Schon vor Wochen hatte Niedergesäß deutlich gemacht, dass er nicht erneut freiwillig Turnhallen für die Unterbringung zur Verfügung stellen werde. "Dabei bleibe ich auch. Notfalls lege ich mich vor die Turnhalle", so Niedergesäß am Mittwoch in einem Pressegespräch.

Erfahrungen mit Unterkünften in Turnhallen hat der Landkreis bereits 2015 und in den folgenden Jahren gemacht, als besonders viele Menschen in Deutschland Schutz suchten. Teilweise schickte die Regierung von Oberbayern damals jede Woche bis zu 70 Asylbewerber in den Landkreis, um die sich die Verantwortlichen im Landratsamt kümmern mussten. Im März und April 2016 lebten im Landkreis fast 1600 Geflüchtete, viele von ihnen in sechs Schulturnhallen, die der Kreis zu Unterkünften umgebaut hatte. Zuletzt hatte die Gymnasiumsturnhalle in Kirchseeon als vorübergehende Unterkunft gedient, hier waren im Sommer zeitweise ukrainische Flüchtlinge untergebracht. Seit September wird die Halle aber wieder für ihren ursprünglichen Zweck genutzt.

Am Ebersberger Bahnhof: In der Vergangenheit tagte im Sparkassensaal unter anderem der Kreistag. In den nächsten Tagen werden statt der Tische Betten und Schränke aufgebaut.

In der Vergangenheit tagte im Sparkassensaal unter anderem der Kreistag. In den nächsten Tagen werden statt der Tische Betten und Schränke aufgebaut.

(Foto: Christian Endt)

Man könne den Kindern und Jugendlichen sowie den Mitgliedern der Sportvereine nun aber nicht erneut zumuten, auf ihre Trainingsmöglichkeiten zu verzichten, unterstrich Niedergesäß am Mittwoch. Sie hätten schon in den schwierigen Corona-Jahren wenig Sport treiben können, worunter viele von ihnen sehr gelitten hätten. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Niedergesäß Unterkünfte in Hallen ablehnt: Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, so der Landrat, dass Turnhallen keine menschenwürdige Unterbringung ermöglichten - ebenso wenig wie Traglufthallen, das habe die Erfahrung mit einer solchen Halle in Pliening gezeigt, wo ebenfalls zeitweise Geflüchtete lebten. Angesichts der horrenden Energiepreise wäre laut Niedergesäß eine solche Halle ohnehin derzeit keine Option.

Schon am 30. November sollen die ersten Flüchtlinge einziehen

Mit der Umgestaltung des Sparkassengebäudes zur Flüchtlingsunterkunft soll daher nun ein Puffer geschaffen werden, von hier sollen dann die Menschen möglichst bald in dezentrale staatliche Unterkünfte umziehen, wie Marion Wolinski, Leiterin des Sachgebiets Sozialhilfeverwaltung und Asyl im Landratsamt Ebersberg, am Mittwoch erläuterte. 1000 Geflüchtete leben derzeit in den 79 Unterkünften im Landkreis, 130 von ihnen sind sogenannte "Fehlbeleger", also Menschen, deren Asylantrag schon anerkannt ist oder die aus anderen Gründen Bleiberecht haben und deshalb eigentlich ausziehen dürften - wenn sie denn Wohnungen fänden. Die vorhandenen Unterkünfte sind mit der Ankunft von knapp 50 Geflüchteten am Montag aber nun voll. Wenn der nächste Bus wie geplant am 30. November ankommt, soll schon das Sparkassengebäude als Zwischenunterkunft bereitstehen.

Bis dahin muss aber noch ein bisschen umgebaut werden, Vorrang hat laut Wolinski zunächst der Saal, auch Versorgungscontainer müssen noch installiert werden. Wenn Ende des Jahres das Impfzentrum seine Pforten schließt, könnten hier weitere Kapazitäten frei werden, die ebenfalls für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden könnten. Die Sitzungen der Ausschüsse des Kreistags, für die der Saal bisher genutzt wurde, werden künftig wieder im Hermann-Beham-Saal im Landratsamt stattfinden. Der Kreistag selbst wird laut Niedergesäß entweder im Alten Speicher oder in einer Turnhalle tagen.

"Das ist irgendwann nicht mehr zumutbar", sagt der Landrat

Doch selbst wenn die Unterbringungssituation durch die Nutzung des Sparkassenbaus zeitweise etwas entspannt werden kann - dass die Situation insgesamt höchst schwierig ist, daraus macht der Landrat keinen Hehl. Seit 2015 seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landratsamt mit nur einer kurzen Atempause im Krisenmodus - "das ist irgendwann nicht mehr zumutbar", so Niedergesäß. Er hatte bereits vor einigen Wochen in einem Brief an Regierungspräsident Konrad Schober einen Aufnahmestopp gefordert. Seither habe er mit Schober telefoniert, doch diesem seien natürlich auch die Hände gebunden. Eine gerechtere Verteilung der Geflüchteten innerhalb Europas wäre dringend notwendig, so Niedergesäß - darauf müsse nun auch die Regierung in Berlin hinwirken.

Vorläufig aber muss der Landkreis nun eben mit der Situation zurechtkommen, wie sie ist. Laut Wolinski wird voraussichtlich jede zweite Woche ein Bus mit Geflüchteten in Ebersberg ankommen, sofern sich die Lage nicht groß verändert. Doch sicher könne man sich nie sein, es gebe mittlerweile auch Ankündigungen, dass sich wieder mehr Menschen aus der Ukraine in Sicherheit bringen wollten, so Wolinski. Ukraine-Flüchtlinge spielen bei den aktuellen Zuweisungen bisher keine Rolle; viele der Geflüchteten kommen derzeit laut Niedergesäß aus der Türkei nach Deutschland, entweder handle es sich um Menschen kurdischer Abstammung oder in der Türkei lebende Syrer. Aber auch Menschen aus Afghanistan, Brasilien und Peru saßen in dem Bus, der am Montag in Ebersberg eintraf.

Der Ebersberger Bürgermeister rechnet mit einer freundlichen Aufnahme

Unterstützung für seine Pläne erhält der Landrat von Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos), der bereits in der vergangenen Woche informiert wurde. "Momentan ist das mit Sicherheit die beste Lösung überhaupt", sagt er über die Umnutzung des Sparkassengebäudes. Andere Unterkünfte, beispielsweise Container, seien gerade nicht aufzutreiben, und auch er hoffe, dass es sich vermeiden lässt, Turnhallen umzuwandeln. "Wobei ich persönlich glaube, dass wir nicht ganz ohne auskommen werden, wenn man sich die Lage so anschaut", so der Ebersberger Bürgermeister. Er fürchtet nur, dass die neue Unterkunft auch für die Stadt Ebersberg viel Arbeit bedeuten könnte, beispielsweise, falls die Geflüchteten zum großen Teil hier registriert werden müssten: "Dann zerlegt's uns!" Hier müsse noch einiges geklärt werden, sagt Proske, möglicherweise könnten dann auch andere Gemeinden zeitweise mit Personal aushelfen. Proske rechnet damit, dass die Ebersberger mit Verständnis auf die Einrichtung der Übergangsunterkunft reagieren: "Natürlich wird nicht jeder begeistert sein, aber ich schätze die Ebersberger insgesamt schon so ein, dass sie um die Not wissen."

Etwas überrascht von der Entscheidung scheint jedoch die Helferseite zu sein. "Ich habe gerade erst von den Maßnahmen erfahren und bin im Austausch mit anderen Trägern wie beispielsweise der Caritas", sagt Janika Gaßner, Ehrenamtskoordinatorin Asyl. Was das nun alles für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bedeutet? Man sei selbst noch in der Orientierungsphase, so Gaßner. "Die Helfer haben bereits jetzt schon alle Hände voll zu tun" - umso wichtiger sei es deshalb, eng zusammen zuarbeiten, damit man die künftigen Aufgaben gemeinsam stemmen und den Geflüchteten zur Seite stehen könne.

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