Zorneding:Bürokratie trennt Witwe von verstorbenem Mann

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Eine Eigenbedarfskündigung zwingt die schwerkranke Rosa Prochaska zum Wegzug aus Zorneding. Nun möchte sie die Urne ihres Mannes umbetten. Doch so einfach ist das nicht.

Von Sina-Maria Schweikle, Zorneding

Rosa Prochaska ist verzweifelt. Seit zwei Jahren ist ihr Mann tot und seine Asche ruht in der Pöringer Urnenwand. Bis vor Kurzem besuchte sie seine Urne fast täglich - bis eine Eigenbedarfskündigung die schwerkranke Frau zu einem Umzug nach Unterschleißheim zwang. Gemeinsam mit ihrer Schwägerin Agathe Schmidt fragte sie bei der Gemeinde Unterschleißheim nach, ob sie die Urne ihres Mannes auf den Friedhof umbetten könnte, den sie nun aus ihrem neuen Wohnzimmerfenster aus sehen kann. Es ginge in Ordnung, sagte man zu ihr, solange die Gemeinde Zorneding damit einverstanden wäre. "Wir dachten es sei eine reine Formalie", sagt Agathe Schmidt. Doch dann kam die Absage aus dem Rathaus: Die Ruhezeit für die Urne sei einzuhalten.

Der Tod ist in Deutschland eine streng geregelte Angelegenheit. So auch in der Gemeinde Zorneding. Welche Arten von Grabstätten gibt es? Wie darf ein Grabmal gestaltet sein und welches Ausmaß darf dieses haben? Alles ist in der "Friedhofs- und Bestattungssatzung für die gemeindlichen Friedhöfe in Zorneding und Pöring" geregelt - und diese sieht in Zorneding eine Totenruhe von zwölf Jahren vor. Die Achtung der Toten erlaubt keine Unordnung.

Ob Rosa Prochaska in zehn Jahren noch lebt, ist ungewiss

"Günter und ich haben unser ganzes Leben miteinander verbracht", sagt Rosa Prochaska. Sie hat Brustkrebs und ist schwer krank - wie viel Zeit ihr noch bleibt weiß sie nicht. Sie möchte ihren Mann in dieser Zeit in ihrer Nähe wissen, ihn besuchen können und, wenn es so weit ist, auch mit ihm gemeinsam in Unterschleißheim bestattet werden. Deshalb ging Schwägerin Agathe Schmidt nun über Facebook an die Öffentlichkeit und tat ihren Unmut über die Entscheidung im Zornedinger Rathaus innerhalb der Gruppe "Du bist aus Zorneding, wennst..." kund. Es sei traurig, dass man in einem solchen Moment keine Ausnahme machen könne, schreibt sie dort. Doch ist es überhaupt möglich, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen? Ruhezeiten für Verstorbene sind gesetzlich geregelt und obliegen dem Friedhofsträger - in diesem Fall der Gemeinde Zorneding. Diese sieht in der Friedhofs- und Bestattungssatzung vor , dass die Ruhezeit für Verstorbene zwölf Jahre beträgt - auch für deren Asche. Eine Umbettung ist demnach nur mit Erlaubnis der Gemeinde möglich und wenn ein wichtiger Grund die Störung der Totenruhe rechtfertigt, heißt es darin.

"Bitte helfen sie mir, ihr diesen doch sehr verständlichen einzigen Wunsch zu erfüllen."

Nach dem Anruf und der damit verbundenen ersten Absage der Gemeinde setzte sich Agathe Schmidt an ihren Rechner und verfasste eine E-Mail an Piet Mayr, den Ersten Bürgermeister der Gemeinde Zorneding: "Meine Schwägerin wird ziemlich sicher keine zehn Jahre mehr schaffen. Und sie möchte unbedingt mit ihrem Mann in Unterschleißheim in die Urnenwand. Bitte helfen sie mir, ihr diesen doch sehr verständlichen einzigen Wunsch zu erfüllen", schreibt sie ihm. Doch die Antwort ist ernüchternd. Man habe das Anliegen ausführlich geprüft und sei zu der Entscheidung gekommen, diesem nicht nachzukommen. In der Begründung des Bürgermeister, die der SZ vorliegt, heißt es, dass der Gesichtspunkt der besseren Betreuung nach einem Umzug keinen gewichtigen Grund nach allgemeinem Sittlichkeits- und Pietätsempfinden sowie der einschlägigen Rechtsprechung darstelle. Es sei zumutbar bei der Grabpflege auf Dritte zurückzugreifen und ebenso sei der Weg von Unterschleißheim nach Zorneding zumutbar. Zumal es sich hier um eine Urnennische handelt, es sei keine umfassende Grabpflege notwendig. Auch der Wunsch trotz veränderter Lebensumstände (Krankheit) das Grab des Ehemannes weiterhin besuchen zu können, stellt keinen wichtigen Grund im Einzelfall dar. Auch seien sich verändernde Lebensumstände kein Einzelfall und absehbar.

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Eine Einschätzung, zu der bereits auch deutsche Gerichte gekommen sind. So hat im August 2016 das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach entschieden, dass der Schutz der Totenruhe gegenüber dem Recht der Angehörigen auf Totenfürsorge grundsätzlich höher wiegt und hat die Klage einer Tochter auf Genehmigung der Umbettung der Urne der verstorbenen Mutter auf einen anderen Friedhof abgelehnt. Doch ob solche Fälle vergleichbar sind scheint fraglich - schließlich müssen diese im Einzelfall abgewogen werden.

Agathe Schmidt appelliert nun an die Menschlichkeit

Rosa Prochaska und Agathe Schmidt sind jedenfalls bestürzt über die - für sie rein bürokratische- Entscheidung. Für die beiden sind die Begründung nicht nachvollziehbar. "Die Ruhefrist endet erst in zehn Jahren. Wir wissen nicht, ob Rosa noch so lange lebt", sagt sie. Agathe Schmidt kümmert sich um ihre schwerkranke Schwägerin, die mittlerweile in ihrer direkten Nachbarschaft lebt. Aufgrund ihrer Krankheit könne sich die 77-Jährige nicht mehr allein um sich kümmern. "Sie hat keine Kinder, die sich um sie oder das Grab ihres Mannes kümmern können und die verbliebenen Angehörigen leben in München oder Unterschleißheim", erklärt sie die Situation. Auch könne sie beobachten, dass sich der Zustand von Rosa zunehmend verschlechtere. Nach Zorneding brauchen wir 30 bis 40 Minuten mit dem Auto - der Friedhof in Unterschleißheim ist zwei Gehminuten entfernt, sagt sie.

"Ein Umzug ist kein wichtiger Grund", erklärt Daniel Kommnick, auf Rückfrage der Redaktion. Er ist Geschäftsleiter der Gemeinde Zorneding und sagt, dass man nicht davon ausgehen kann, dass ein Umzug nach Unterschleißheim dem letzten Willen des Verstorbenen entspricht. Daher habe man sich nach "sachgerechter Abwägung und unter Einbeziehung mehrerer Personen im Haus" dafür entschieden, die Totenruhe über den Wunsch der Dame zu stellen. "Würde man rein emotional entscheiden können, dann wäre der Fall vielleicht anders entschieden worden."

Für Agathe Schmidt ist es eine emotionale "Herzensangelegenheit" ihrer Schwägerin den Wunsch der Umbettung ihres Ehemannes zu erfüllen. "Man kann doch einmal menschlich sein", appellieren die beiden Frauen nun an die Gemeinde Zorneding. Letztlich sagen die beiden, bliebe ihnen nur noch der Weg über einen Anwalt - doch das würde viel Kraft und Zeit kosten. Kraft und Zeit, die Rosa Prochaska vielleicht nicht mehr hat.

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