Bestattungskultur im Wandel:Wie menschlich kann Bürokratie sein?

Bestattungskultur im Wandel: Darf eine einmal beigesetzte Urne umziehen? Das ist eine Ermessensfrage.

Darf eine einmal beigesetzte Urne umziehen? Das ist eine Ermessensfrage.

(Foto: Florian Peljak)

Eine schwerkranke Frau aus Zorneding darf die Urne ihres Mannes nicht umbetten. Sollte man in einer sich ständig wandelnden Zeit auch den Umgang mit dem Tod ändern?

Kommentar von Sina-Maria Schweikle

Wie viel Bürokratie ist notwendig - und wie kann man trotz aller Regelgebundenheit den gesunden Menschenverstand und eine dazugehörige Flexibilität erreichen? Es ist wohl eine Frage, die sich ein jeder ab und an stellt, der mit Behörden zu tun hat. Man versucht, den Dingen sachlich auf den Grund zu gehen. Eine Sachlichkeit, die oftmals den Menschen dahinter zu vergessen scheint. So dürfte es auch in diesem Fall in Zorneding gewesen sein. Die Entscheidung, die Totenruhe eines verstorbenen Menschen über die Bedürfnisse der schwerkranken Witwe zu stellen, wirkt objektiv gesehen nachvollziehbar. Doch kann - und sollte man - in einer solchen Ausnahmesituation nur sachlich entscheiden? Wir leben in einer sich ständig wandelnden Welt und Zeit. Menschen heiraten, wechseln den Job - oder, wie im aktuellen Fall, den Wohnort.

Währenddessen bleibt eine Sache immer gleich: Der Mensch stirbt. Was damit zusammenhängt schiebt der Einzelne nur zu gerne auf einen anderen Tag. Eine andere Woche. Einen anderen Monat. Und - und das geschieht vermutlich recht häufig - auf einen anderen Menschen. Dabei gäbe es vorab vieles zu planen und zu bedenken: Urne oder Sarg. Mahagoni oder Fichte. Trauerredner oder Pfarrer. Und natürlich auch: der Ort der Bestattung. Denn dieser Ort ist ein wichtiger. Es ist der Ort, an den sich die Hinterbliebenen zurückziehen können und des Verstorbenen gedenken - oder sich mit ihm austauschen. Daher ist es mehr als nachvollziehbar, dass eine Person, die ihr ganzes Leben mit einem Partner verbracht hat, diesen auch nach dem Tod in der Nähe haben möchte. Vor allem, wenn diese Person selbst an einer schweren Krankheit leidet und sich täglich mit der eigenen Endlichkeit beschäftigen muss.

Es ist fraglich, ob eine Behörde, die den Verstorbenen vermutlich nicht so gut kennt wie die Angehörigen, feststellen kann, wo dieser begraben sein möchte - neben seiner Ehefrau oder auch nicht. In einer Zeit, in der sich alles verändert, verändert sich eben auch das Sterben in Deutschland. In Bayern ist seit 2019 die Sargpflicht aufgehoben, in Bremen kann man sogar unter bestimmten Umständen die Asche des Verstorbenen auf dem eigenen Grundstück bestatten. Sterben passt sich dem Zeitgeist an. Doch in diesem Fall scheint er noch Halt zu machen und es drängt sich einem die Frage auf, ob es nicht möglich gewesen wäre, mehr dem Gefühl zu entsprechen als den Verordnungen: aus der Aneinanderreihung von Buchstaben und Worten Sätze der Anteilnahme zu formulieren und in diesem Fall dem letzten Wunsch einer noch lebenden Frau nachzukommen.

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