Serie: Hüter der Geschichte:Wenn der Kreis sich schließt

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Für den Kreisheimatpfleger Thomas Warg steht fest: das Klosterseebadfest war die schönste Serie an Momenten im Jahr 2022. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Thomas Warg hat sich schon als Jugendlicher für Geschichte interessiert, wollte immer hören, was die Alten zu erzählen haben. Heute ist er Kreisheimatpfleger und für die Stadtführungen von Ebersberg und Grafing verantwortlich.

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Irgendwann um das Jahr 2006 sitzt eine Dreijährige am Antoni-Weiher, einem kleinen Gewässer im Ebersberger Forst, etwa auf halbem Weg vom Egglburger See zum Forsthaus St. Hubertus. Auf dem Steg macht die Familie Picknick. Dann schreit das Mädchen plötzlich auf. Eine Seejungfrau will es im Wasser gesehen haben, in echt: mit Schuppen und Flosse. Der Weiher muss verzaubert sein, ist sich die Familie sicher. Deshalb gibt sie dem Antoni-Weiher einen neuen Namen: Zaubersee. Und der spricht sich herum. Es sind solche Begebenheiten - oder treffender: deren Geschichtsschreibung -, die den Ebersberger Kreisheimatpfleger Thomas Warg so faszinieren.

Aufgewachsen ist Warg in den 1960er Jahren in Zorneding. Brennend habe ihn damals interessiert: "Wie sah das hier denn vor hundert oder tausend Jahren aus? Wer lebte hier? Und vor allem - wie?" Das Internet als Rechercheplattform ist damals noch nicht erfunden. Und ins Staatsarchiv lässt man den 14-Jährigen nicht rein. Warg aber mäht an Wochenenden den Rasen von Maria Marc, der Witwe des Gründers des Zornedinger Kulturvereins. Sie bringt ihn mit den alten Zornerdingern zusammen. "Deren Geschichten waren unglaublich spannend! Und später hatte ich das Glück, einen sehr engagierten Lehrer zu haben, der meine Begeisterung für die Geschichte nochmal steigerte."

Schon als Schüler zeichnet der Zornedinger die Geschichte seines Heimatorts nach - und wird dafür ausgezeichnet

Als es ein paar Jahre später am Vaterstettener Gymnasium um die Facharbeit geht, befragt Warg alte Zornedinger nach Quellen, Erinnerungen, Anekdoten. Er will den Weg vom Dorf zur Landeshauptstadt-Vorstadt nachzeichnen. Die mühevolle Detektivarbeit hat einen guten Grund: Nach einem Tieffliegerangriff in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs 1945 war die Dorfchronik verbrannt. Insofern sind die Geschichtslehrer von Wargs Projekt absolut begeistert - er erhält den Heimatpreis des Landkreises Ebersberg. "Die Auszeichnung hat einige ganz schön gewundert", ordnet Warg die Sache heute lachend ein. "Als guter Schüler war ich nämlich nicht gerade bekannt."

Nach der Schule geht Warg zuerst nach Regensburg zur Bundeswehr. Dann schreibt er sich an der Münchner LMU ein, bayrische Geschichte. Doch noch als Student wird Warg Familienvater. "Mir war bald klar, dass beruflich die Bäume für Historiker nicht gerade in den Himmel wachsen." Warg bewirbt sich also bei der Deutschen Journalistenschule in München, wird prompt genommen. "Am Ende war ich nicht nur Historiker, sondern auch Diplom-Journalist."

Der berufliche Lebensweg führt ihn zum Bayrischen Rundfunk und Fernsehen, danach in die Pressearbeit. Warg wird stellvertretender Pressesprecher der CSU-Landesleitung, danach Pressereferent bei Siemens. Spätestens jetzt ist Geschichte für ihn vor allem eines: ein geliebtes Hobby. "Dann habe ich mich selbständig gemacht und viele Jahre bayrische Verbände in Kampagnen vertreten, später dann Staatsministerien und die Luft- und Raumfahrtindustrie", erzählt Warg.

Aber auch die tollsten Kampagnen liefen aus und irgendwann sei kein gutes Folgeengagement mehr da gewesen, sagt Warg. "Deshalb habe ich mich gefreut, als die Stadt Ebersberg vor sechs Jahren gefragt hat, ob ich Lust hätte, das Projekt der Stadtführungen umzusetzen." Der Stadtrat hatte dieses erst kurz vorher beschlossen. "Dass dies Zukunft hat - meine Zukunft - hätte ich selbst nicht geglaubt. Aber es war so." In Ebersberg ist das Konzept derart erfolgreich, dass bald auch die Grafinger bei Warg anfragen. Der traut sich zu sagen: "Geben Sie uns ein beliebiges lokalhistorisches Thema - und wir sind in der Lage, eine durchaus tiefgründige Führung drumherum zu bauen."

Mittlerweile koordiniert Warg 16 Stadtführer und entwickelt mit ihnen gemeinsam immer wieder neue Themen

Es gibt Zeitreisen, wie es sich ums Jahr 1655 rund um den Ebersberger Marktplatz lebte. Es geht zu den Hügelgräbern im Ebersberger Forst oder an die Weiherkette, die Ebersberg den Benediktinern zu verdanken hat, die das Kloster Ebersberg fast sechs Jahrhunderte führten. Es kommen die "Katastrophentouren" dazu, oder Schatzsuchen und Zauberführungen für Kindergeburtstage. 16 Stadtführer koordiniert Warg in Ebersberg und Grafing mittlerweile. "Sowas macht man nicht alleine. Und ich mache das, was ich eigentlich schon als Jugendlicher immer tun wollte: Geschichte erforschen und weitergeben."

Der junge Lehrer übrigens, den Warg so lobend erwähnte, ist im Landkreis kein Unbekannter: Peter Maicher aus Zorneding, ebenfalls Geschichtsforscher und früherer Direktor des Bayrischen Landtags. Und dem Heimatpreis des Landkreises ist Warg noch immer eng verbunden - inzwischen als Mitglied der Jury.

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