Finanzen des Landkreises Ebersberg:Die Vermessung des Schuldenberges

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Wenn im Landratsamt der Kreistag über neue Investitionen berät, soll es dazu genauere Schulden-Prognosen geben. Dies hat der zuständige Ausschuss nun beschlossen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Grünen-Fraktion im Kreistag regt eine Neuberechnung der Verbindlichkeiten des Landkreises an. Hintergrund sind unter anderem die geplanten neuen Schulen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die genaue Höhe eines Berges festzustellen, ist eine knifflige Aufgabe, das gilt für solche im eigentlichen, wie im übertragenen Sinne. Die Rede ist vom Ebersberger Schuldenberg, zu diesem hatten die Grünen im Kreistag nun eine Nachmessung angeregt. Konkret geht es um die Entwicklung der Verbindlichkeiten des Landkreises für die kommenden vier Jahre.

Der Zeitraum entspricht jenem, der für gewöhnlich in der kommunalen Finanzplanung betrachtet wird. Darin stehen Vorhaben, die im Gegensatz zum aktuellen Haushalt entweder noch nicht final beschlossen sind, oder deren Kosten sich über mehrere Haushaltsjahre erstrecken. Besonders erstere müsse man genauer betrachten, so die Antragsteller.

"Wir halten es für dringend notwendig, die Schulden-Kalkulation weiter zu rechnen", sagte Grünen-Kreisrat Benedikt Mayer nun im für die Finanzplanung zuständigen Kreis- und Strategieausschuss. Die aktuelle Vorausberechnung der Verwaltung sieht einen eher moderaten Anstieg zum Schuldenberg. Demnach hat der Landkreis Ende dieses Jahres 54,8 Millionen Euro Miese, diese sollen in den beiden Folgejahren um je rund zwei Millionen steigen und bis Ende 2027 dann wieder leicht auf 57 Millionen Euro sinken.

Die bislang prognostizierte Schuldenhöhe bis 2027 halten die Grünen für zu optimistisch

Allerdings nur, wenn überhaupt keine Neuinvestitionen hinzukommen - und dies sei unrealistisch, so Mayer. So stünden selbst ohne die Großprojekte Gymnasium Poing, Berufsschule Grafing und die neue Notaufnahme für die Kreisklinik, Vorhaben mit geschätzten Kosten in Höhe von zehn Millionen Euro pro Jahr auf der Warteliste. Darunter zahlreiche Schulprojekte, wie etwa die notwendige Erweiterung des Gymnasiums in Kirchseeon, aber auch weitere Investitionen ins Krankenhaus, in die Verkehrswege und für das geplante Feuerwehr-Schulungszentrum.

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Die Erweiterung des Gymnasiums Kirchseeon wird wohl nicht rechtzeitig zur Vollbelegung nach Rückkehr zum G9 fertig. Auch für die beiden anderen Schulprojekte des Landkreises stehen die Zeichen auf Schleichfahrt.

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Ebenfalls zu einem steileren Schuldenanstieg beitragen könnte, dass für die kommenden Jahre sehr hohe Ergebnisüberschüsse angesetzt sind - für die es nach Meinung Mayers indes keine Garantie gebe. Mehr noch: "Wir halten es für sehr schwierig, dass wir absehbar Überschüsse von sieben bis zehn Millionen Euro im Jahr erwirtschaften können."

Zu guter Letzt fehle in der Berechnung auch der Kassenkredit, den der Landkreis Ende 2020 aufnehmen musste, um eine sogenannte Steuerübertragung leisten zu können. Konkret ging es darum, dass die Finanzbehörden zu dem Schluss gekommen waren, die zwischen 2007 und 2010 durch das Gewerbegebiet "Seegrasstadel" im Ebersberger Forst eingenommenen Steuern, gehörten eigentlich der Stadt München. Denn die angeblich im Forst ansässigen Firmen hätten in der Landeshauptstadt ihren Hauptsitz und in Ebersberg lediglich einen Briefkasten gehabt. Inklusive Zinsen belief sich die Überweisung nach München auf 23,5 Millionen Euro - und in diese Höhe hatte der Landkreis einen Kredit aufgenommen.

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Zwar konnten mittlerweile einige Rücklagen gebildet werden, dennoch sei nach Auslaufen des ersten wohl ein zweiter, wenn auch niedrigerer, Kredit nötig. Mayer setzte für diesen, der im kommenden Jahr fällig würde, eine Summe von zehn Millionen Euro an, die man zu den übrigen Schulden addieren müsste.

Die Grünen kommen auf eine doppelt so hohe Schuldenbelastung, wie die Verwaltung

Basierend auf dieser Berechnung soll der Berg sehr deutlich höher sein, als in den Kalkulationen der Verwaltung. So müsste man bereits heuer zum Jahresende mit rund 75,8 Millionen Euro rechnen, kommendes Jahr dann mit 77,3 und Ende 2026 wären es bereits 91,8 Millionen. Zum Ende der Vier-Jahres-Spanne stünde der Kreis dann mit 101,9 Millionen Euro in der Kreide - hätte also nahezu doppelt so viele Schulden, wie die Kämmerei prognostiziert.

Mayer verwies darauf, dass dies noch keine belastbare Kalkulation sei - eine solche solle die Verwaltung unter Einbeziehung der drei Faktoren - Neuinvestitionen ohne Schulen, Kassenkredit und erwartbare Überschüsse - erstellen. Dies sei nötig auch "zur Vorbereitung auf die Entscheidung über weitere Schulneubauten". Deren Kosten werden bislang auf rund 100 Millionen Euro geschätzt -jeweils. Wie teuer die beiden Bildungseinrichtungen am Ende werden, ist aber offen, derzeit laufen Bemühungen, die Kosten zu drücken.

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Bis zur April-Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses soll die Berechnung wie beantragt vorliegen. Dies beschloss der Ausschuss ohne Gegenstimmen. Brigitte Keller, Leiterin der Abteilung Zentrales im Landratsamt und langjährige Kreiskämmerin kündigte sogar noch weitere Informationen an: "Wir werden es durchrechnen und weiterentwickeln." Zum Punkt Kassenkredit konnte Keller schon in der aktuellen Sitzung gute Nachrichten verkünden: Derzeit habe man für die Tilgung bereits 13,5 Millionen Euro angespart, es sei geplant, den Kredit zum Jahresende komplett abzulösen.

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