Bildung im Landkreis Ebersberg:Und jetzt alle

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Am Kirchseeoner Gymnasium wird es eng, der Landkreis plant einen Erweiterungsbau. Wie teuer dieser wird, soll bis Oktober feststehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Berufsschule oder fünftes Gymnasium? Das soll im Landkreis Ebersberg nicht mehr die Frage sein. Die neue Strategie des Kreistags: beides, aber billiger.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Landkreis plant, alle seine drei anstehenden Schulbauprojekte innerhalb eines knappen Zeitplans umzusetzen. Das gab Landrat Robert Niedergesäß (CSU) nun im Kreistag auf eine Anfrage der SPD-Fraktion bekannt. Noch heuer soll der Anbau des Kirchseeoner Gymnasiums von der Warteliste genommen werden, im Herbst kommenden Jahres dann sowohl die Berufsschule, die in Grafing-Bahnhof entstehen soll, als auch das in Poing geplante fünfte Landkreisgymnasium.

Dass der Anbau in Kirchseeon 2024 in die Umsetzung gehen soll, ist keine ganz neue Nachricht, für diesen Zeitplan hatte sich Niedergesäß bereits vor gut einem Monat ausgesprochen. Dass allerdings kein Jahr darauf gleich beide Großschulen von der Warteliste genommen werden sollen, ist durchaus ein Novum - zumindest für die Öffentlichkeit. In der nichtöffentlich tagenden Arbeitsgruppe Schulbauten scheint sich dieser Plan schon vor einiger Zeit manifestiert zu haben - was wohl der Grund für die SPD-Anfrage gewesen sein dürfte.

Alle geplanten Schulbauten würden zusammen etwa 250 Millionen Euro kosten

Denn bislang galt zumindest außerhalb des Schulbautengremiums als sicher, dass man sich bald würde entscheiden müssen: entweder für das Gymnasium oder die Berufsschule. Eine Kostenschätzung taxiert die Berufsschule auf rund 100, das Gymnasium sogar auf 110 Millionen Euro. Zählt man noch die etwa 22 Millionen Euro dazu, die es braucht, um das Kirchseeoner Gymnasium G9-tauglich zu machen und vielleicht noch einen vorsichtig auf 14,5 Millionen Euro geschätzten Neubau der Turnhalle des Vaterstettener Gymnasiums, wird schnell klar, dass wohl nur eine einzige Schule in diesen Dimensionen umzusetzen sein dürfte.

Vor knapp zwei Jahren war am Vaterstettener Gymnasium Spatenstich für den Erweiterungsbau, vielleicht werden die Spaten bald wieder gebraucht, wenn dort eine neue Turnhalle gebaut wird. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und genau an diesen soll sich nun etwas ändern, so Niedergesäß, Ziel sei es, die Kosten der Neubauten auf das absolut Nötige zu drücken - einschließlich der Erweiterung in Kirchseeon. Diese soll gewissermaßen der Versuchsballon dafür werden, wie weit man die Baukosten senken kann. Dazu sollen noch bevor der Kreistag das Projekt offiziell von der Warteliste nimmt, bestimmte Planungsleistungen zumindest begonnen werden, bereits jetzt würden entsprechende Angebote eingeholt. Die sogenannte Planungsphase Null soll dabei vor allem ausloten, wie weit man das Raumprogramm, aber auch die technische Ausstattung abspecken kann. Das Ziel definierte Niedergesäß bei Baukosten zwischen 15 und 18 Millionen Euro. Eine Strategie, die Kosten zu drücken, liegt in der Methode Fertighaus: Der Anbau in Kirchseeon könnte in Modulbauweise errichtet werden.

Neu ist der Ansatz, beide Großschulen gleichzeitig umzusetzen

Module sollen auch helfen, die Kosten für die Berufsschule zu senken: Diese könnte abschnittsweise errichtet werden, ein Ansatz, der bereits in der Vergangenheit zu hören war. Genau wie die Idee, durch eine funktionale Leistungsbeschreibung - hier werden vom Bauherrn nur sehr eingeschränkte Vorgaben gemacht - Geld zu sparen. Das eigentlich Neue ist aber, dass Niedergesäß seine früher geäußerte Präferenz für das Gymnasium offenbar aufgegeben hat. Die Konkurrenz zwischen den beiden Schulen - und damit verbunden zwischen Landkreisnorden und -süden - sei schädlich: "Wir brauchen beide Schulen und wir wollen beide voranbringen."

Auf dieser Fläche im Poinger Lerchenwinkel soll einmal das neue Gymnasium entstehen... (Foto: Peter Hinz-Rosin)
... auf dieser Wiese nahe Grafing-Bahnhof die Berufsschule. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weniger an der grundsätzlichen Strategie, aber an der an der konkreten Umsetzung gab es einige Kritik. Etwa von Franz Greithanner und Angelika Obermayr (beide Grüne), die bemängelten, dass man vieles, das in der Phase Null für Kirchseeon passieren soll, bereits erledigt habe, etwa das Raumprogramm. Zudem, so Greithanner weiter, sollten Entscheidungen über Art und Weise der Bauausführung in den politischen Gremien in Zusammenarbeit mit dem Liegenschaftsamt fallen.

Niedergesäß bemühte sich zu versichern, dass die Arbeitsgruppe keinesfalls Entscheidungen treffe, sondern diese höchstens vorbereite: "Das geht alles in die Ausschüsse." Was die Frage der doppelten Raumplanung angeht, verwies der Landrat auf mögliche Kostensenkung: "Wenn man dadurch zwei Millionen spart, war es das wert."

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Kommentar von Wieland Bögel

Albert Hingerl (SPD) kritisierte, dass der Erweiterungsbau Kirchseeon überhaupt von der AG Schulbauten behandelt wurde. Schließlich habe dieser eigentlich den Auftrag gehabt, zu eruieren, wie sich Berufsschule und Gymnasium baldmöglichst umsetzen lassen. Für die Erkenntnis, dass man zuerst Kirchseeon erweitern muss, "brauchen wir die Arbeitsgruppe nicht". Laut Hingerl habe die AG Schulbauten ihren Auftrag nicht erledigt: "Beide Schulen stehen auf der Warteliste und das werden sie nächstes Jahr auch noch bleiben."

Eine Aussicht, die auch Johannes von der Forst (Grüne) für wahrscheinlich hielt. Die Idee der Phase Null für Kirchseeon lobte er dagegen ausdrücklich, so könne man innovativ sein und Geld sparen. Auch Manfred Schmidt (AfD) stellte der Schulbauten AG ein gutes Zeugnis aus, das Gremium habe dank der eingeladenen Fachleute viele Fortschritte erzielt.

Voraussichtlich im Oktober soll zunächst über den Anbau in Kirchseeon entschieden werden

Allerdings ausgerechnet nicht in der wichtigsten Frage, kritisierte Martin Lechner (CSU): "Mich stört, dass man nicht nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten gesucht hat." Die Berufsschule sei doch "geradezu prädestiniert für PPP" - also für ein Investorenmodell. Laut Brigitte Keller, Leiterin der Zentralabteilung im Landratsamt und erklärtermaßen keine Freundin privater Investoren für öffentliche Aufgaben, sei es doch gerade der Grund für die Einrichtung der AG gewesen "dass wir uns die 230 Millionen nicht leisten können".

Christa Stewens (CSU) mahnte zuletzt noch etwas mehr Eile bei der Umsetzung an. In Poing sei der Bedarf für ein Gymnasium wirklich groß "es brennt", so die Poingerin - "da liegt ein Riesengrundstück und daran gehen die Eltern täglich vorbei und sagen ihren Kindern: Da gehst Du mal zur Schule - aber es wird nichts draus". Außerdem regte sie an, zumindest in der öffentlichen Kommunikation ein besseres Wort zu finden als "Phase Null" - "wer kann denn damit was anfangen, das heißt für die meisten Leute doch einfach: Gar nichts."

Einen Beschluss fällte der Kreistag noch nicht, dieser steht voraussichtlich in der Sitzung im Oktober an, wenn es darum geht, was kommendes Jahr von der Warteliste genommen werden soll.

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