Wirtschaft im Landkreis Ebersberg:Ist doch Ega(l)

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Ein Bild aus besseren Zeiten: die EGA 2013 in Ebersberg. (Foto: Christian Endt)

Vor fünf Jahren fand die Gewerbeschau der Städte Ebersberg und Grafing das letzte Mal statt - warum gibt es die Messe nicht mehr? Und wäre eine Neuauflage möglich?

Von Wieland Bögel, Ebersberg/Grafing

Die Gelben Seiten zum Durchschlendern: Diesen Anspruch hatte lange Zeit die gemeinsame Gewerbeschau der Städte Ebersberg und Grafing, die EGA. Doch das Schicksal der Gelben Seiten scheint auch jenes der EGA zu sein - sie hat ihre Bedeutung verloren. Vor knapp fünf Jahren, Anfang Mai 2019, fand die Messe das letzte Mal statt, ob es in absehbarer Zeit einen Neustart geben wird, ist unklar.

Bis vor einem Jahrzehnt hatte der Landkreis Ebersberg sogar noch zwei Gewerbeschauen an drei Standorten: Im Süden die EGA, die 1991 aus der Fusion der beiden Messen in Ebersberg und Grafing hervorgegangen war, sowie die Markt Schwabener Gewerbeschau, die 2003 das erste Mal veranstaltet wurde. Beide Messen fanden immer im späten Frühjahr in allen ungeraden Jahren statt, die EGA wechselte zudem stets zwischen Ebersberg und Grafing.

Turnusgemäß würde die Messe kommendes Jahr wieder stattfinden - wenn jemand es will

Eigentlich wäre 2025 wieder ein EGA-Jahr, diesmal würde die Messe in Ebersberg stattfinden. Allerdings hätten sich bei der Stadt noch keine Interessenten gemeldet, sagt Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos) - übrigens genauso wie in den Jahren zuvor. 2021 sorgte noch Corona dafür, dass die EGA nicht stattfinden konnte, eigentlich hätte die Gewerbeschau dann außerhalb des Turnus im Jahr 2022 nachgeholt werden sollen.

Doch im Sommer 2021 beschloss die Interessengemeinschaft EGA - Mitglieder sind die beiden Städte, der Landkreis Ebersberg, die Gewerbevereine, der Kreishandwerksmeister und die Industrie- und Handwerkskammer - auf die Messe zu verzichten. Als Hauptgrund wurde die immer noch unsichere Lage wegen Corona genannt. Aber es gab weitere Einwände gegen eine Fortsetzung der Gewerbeschau. Im Protokoll ist zu lesen, dass "zumindest im Handwerk offensichtlich kein Bedarf an dieser Messe besteht".

Zu guter Letzt gab es auch Zweifel an dem erst bei der EGA 2017 eingeführten und 2019 modifizierten Konzept. Denn die Gewerbeschau litt schon seit geraumer Zeit an einem Bedeutungsverlust. Wurden im Jahr 2005 noch etwa 25 000 Besucher gezählt, die an den vier Messetagen das lokale Handwerk und Gewerbe kennenlernen wollten, gingen die Zahlen seitdem stetig zurück. Seit 2011 pendelte man sich bei etwa 12 000 ein, diese Zahl wurde seitdem von den Veranstaltern jedenfalls stets genannt.

Ihre beste Zeit hatte die EGA vor gut 20 Jahren, hier die Messe 2005 in Ebersberg, als 25 000 Gäste gezählt wurden, ein nie mehr erreichter Rekord. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mittlerweile war die EGA die einzige Messe im Landkreis, 2015 kam drei Monate vor dem geplanten Termin relativ überraschend das Aus für die Markt Schwabener Gewerbeschau, weil bei Anmeldeschluss gerade einmal ein Drittel der Ausstellungsfläche vergeben war. Ein Versuch, den Standort zu retten, scheiterte 2017: Markt Schwaben sollte als dritter Austragungsort in die EGA aufgenommen werden - seitdem gibt es in der Marktgemeinde keine Messe mehr.

Doch auch konzeptionell versuchte die EGA ab 2017, damals in Ebersberg, eine Neuausrichtung: Neben Messeständen erwartete die Gäste nun außerdem ein Rahmenprogramm mit Musik und Shows. Das Ergebnis blieb indes hinter den Erwartungen zurück: Offizielle Besucherzahlen wurden zwar nicht erhoben, eine halboffizielle Schätzung nannte Anfang 2018 Werte, die denen der Vorjahre entsprachen - einige Teilnehmer meinten, es seien eher weniger gewesen.

Im Oktober 2016 stellten der damalige Ebersberger Bürgermeister Walter Brilmayer und seine Grafinger Amtskollegin Angelika Obermayr das neue Konzept für die EGA 2017 vor. (Foto: Christian Endt)

2019 fand die Schau dann wieder in Grafing statt, wurde um einen Tag verkürzt - und lief offenbar gar nicht schlecht. Zumindest äußerten sich alle Beteiligten sehr positiv, es seien viele Besucher und viele regionale Aussteller dagewesen, Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger fasste es damals mit drei Worten zusammen: "Ein voller Erfolg."

Fragt man Schwaiger - der immerhin damals das neue Konzept für die EGA mitentwickelt und sogar den neuen Namen "Lebens-Art" beigesteuert hat - knapp fünf Jahre später, ob es nicht langsam Zeit wird für eine neue EGA, klingt die Antwort deutlich weniger euphorisch: "Eigentlich haben wir keinen Bedarf." Seitens des Handwerks habe er von niemandem gehört, dass die EGA vermisst würde oder gar, dass sich jemand aktiv für eine Wiederauflage einsetzen würde.

Firmen und Betriebe sind genau wie ihre Kundschaft ins Internet abgewandert

Dies ist auch beim Bund der Selbständigen sowohl in Ebersberg wie in Grafing nicht der Fall, wie die beiden Ortsvorsitzenden Stephan Scharnagl und Hans Hörner bestätigen. Auch beim Werbering Grafing ist das Interesse der Mitglieder an einer Neuauflage der Kreisgewerbeschau nicht besonders groß, sagt Vorsitzender Ludwig Bitto. Für lokale Betriebe, besonders den Einzelhandel, sei inzwischen ohnehin anderes wichtiger als ein Messestand: "Da kann nur überleben, wer eine vernünftige Beratung bietet."

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Auch Schwaiger kann berichten, dass gerade die Handwerksbetriebe längst andere - und bessere - Mittel und Wege gefunden hätten, für sich und ihr Angebot zu werben: "Die sind alle im Internet unterwegs - und die machen das richtig gut." Nicht zuletzt seien auch die Kosten für einen Messestand nicht unerheblich, sagt Schwaiger.

Ähnlich klingt das bei Scharnagl: Die klassische Leistungsschau der örtlichen Betriebe funktioniere nicht mehr - das gelte auch für das 2017 abgewandelte Modell: "Es wurde nicht so angenommen und war nicht so erfolgreich wie erhofft." In der Folge stelle sich für die Betriebe "die Kosten-Nutzen-Frage" - also, ob man sich einen Messestand leisten will, oder lieber in andere Formen der Werbung und Kundenakquise investiert. Und auch die Kundschaft brauche die Messen als Informationsquelle eigentlich nicht mehr.

Hörner erinnert sich an Zeiten, als man Firmen - gerade, wenn es sich um Spezialisten handelt - noch mühsam in dicken Registerbänden finden musste. "Heute findet man alles schnell im Internet, das ist gut - aber eben nicht für die Messen." Für Schwaiger ist die Konkurrenz mit den Großmessen in München ein weiterer Grund, warum lokale Schauen wie die EGA sowohl bei Ausstellern wie beim Publikum nicht mehr so gut ankommen.

Das beobachtet auch Hörner. Die großen Fachmessen etwa in München oder Nürnberg seien gut gebucht und gut besucht, da bleibe für lokale Anbieter wenig übrig - mit einer Ausnahme: Spezial-Messen, etwa zu Heizungen, Einbruchschutz oder Ausbildung, die dann genau die Leute besuchten, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren. "Ich bin immer gerne zur EGA gegangen", sagt Hörner - aber eine Neuauflage werde es wohl nicht geben: "Bei allem Herzschmerz, so ist es halt."

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