Debatte in Ebersberg:Bürger entscheiden über Windräder im Wald

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Darf man im Ebersberger Forst Windkraftanlagen bauen? Der Kreistag beschließt ein Ratsbegehren - mit sehr knapper Mehrheit.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Die knapp 110 00 Wahlberechtigten des Ebersberger Landkreises sind kommendes Jahr zu einem von oben initiierten Bürgerentscheid aufgerufen. Im Mai 2021 sollen sie darüber votieren, ob im Ebersberger Forst wie bisher geplant fünf Windräder errichtet werden. Der endgültige Beschluss hierzu fiel am Montagnachmittag im Ebersberger Kreistag. Nach einer langen Debatte wäre ein entsprechendes Ratsbegehren beinahe noch verhindert worden. Von 60 Kreisräten stimmten 29 dagegen, 31 dafür. Bei einem 30:30-Patt wäre das Ratsbegehren in seiner jetzigen Form und Formulierung abgelehnt. So gibt das zuständige Gremium - der Ebersberger Kreistag - die Entscheidungsmacht den Bürgern weiter.

Darf man im Ebersberger Forst Bäume fällen, um an ihrer Stelle Windräder zu platzieren? Kaum eine andere Frage erzürnte Politiker, Naturschützer und Bürger in der vergangenen Dekade so sehr wie diese. Das wurde in der Sitzung des Kreistags im großen Saal der ehemaligen Ebersberger Sparkasse einmal mehr deutlich.

Im Januar hatte das Vorgänger-Gremium sich noch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für ein Ratsbegehren ausgesprochen - zur grundsätzlichen Entscheidung darüber, ob fünf Windenergieanlagen im Ebersberger Forst gebaut werden sollen. Nun ging es im fast zur Hälfte neu zusammengesetzten Gremium um den Termin und um die Formulierung des Ratsbegehrens: Sind Sie dafür, dass im Ebersberger Forst maximal fünf Windräder errichtet werden? Diese Frage hat die Regierung von Oberbayern auf insgesamt 38 Wörter ausgebreitet, damit der Text für ein Ratsbegehren zulässig ist. Hätte der Kreistag diese Formulierung abgelehnt, wäre wohl das gesamte Ratsbegehren gescheitert gewesen.

Die Energieagentur Ebersberg-München hat vergangenes Jahr errechnet, dass es bis zum Jahr 2030 neben Photovoltaik- und Biogasanlagen im Landkreis 33 Windräder brauche, um den Ausstieg aus fossilen Energien zu schaffen. Auf dieser Grundlage argumentierten die Kritiker des Ratsbegehrens. ÖDP-Kreisrätin Renate Glaser erinnerte in ihrem Redebeitrag daran, dass der Kreistag sich im Januar per Votum mit 42 zu neun für die Realisierung von fünf Windrädern im Forst ausgesprochen hatte. "Wir brauchen kein Ratsbegehren, um diesen demokratischen Beschluss umzusetzen", so Glaser. Allerdings folgte dem damaligen Beschluss der Vorbehalt, dass dieses Votum von der Bevölkerung bestätigt wird. Deswegen kam es am Montag nun zur dieser Debatte. Glasers Parteikollege Karl Schweisfurth sagte hierzu: "Wenn ein Parlament eine Entscheidung getroffen hat und die dann dem Volk noch mal vorlegt, ist das für mich nicht der richtige Weg."

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Der Ebersberger Kreistag überlässt dem Volk die Macht in einer der umstrittensten Fragen der vergangenen Dekade. Man könnte auch sagen: Das Gremium drückt sich vor einer Frage, deren Antwort - wie sie auch ausfallen mag - unbequem ist.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Grünen-Fraktionssprecherin Waltraud Gruber hielt eine Grundsatzrede: Trotz Energieagentur, Klimaschutzmanager und Eberwerk "sind wir auch im Landkreis Ebersberg meilenweit von unseren Zielen entfernt", so Gruber unter dem Applaus ihrer Fraktion. "Wir sollten den Mumm haben und eine mutige Entscheidung treffen, bei der nicht alle Hurra schreien."

Die Zornedinger SPD-Kreisrätin Bianka Poschenrieder übte ebenfalls Kritik am Begehren. "Eine Bürgerbefragung in dieser Sache ist in keinster Weise positiv für das Klima, kostet Geld, Zeit und verzögert die Energiewende", sagte sie. SPD-Fraktionssprecher Albert Hingerl wagte eine Prognose: "Wenn das Ratsbegehren abgelehnt werden sollte, dann bekommen wir nie Windräder im gesamten Landkreis."

In der Debatte ging es offiziell ums demokratische Prozedere, im Kern aber um die grundsätzliche Windkraftnutzung. So sprach etwa der CSU-Fraktionsvorsitzende Martin Wagner von einer "Lehrstunde, wie weit die Meinungen in diesem Kreistag auseinander gehen", wenn es um Windkraft geht, ehe er sich dafür aussprach, die Bürger miteinzubeziehen. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) erklärte, er sei unwillig, den Kreistagsbeschluss vor der Wahl für das Ratsbegehren nun wieder zu kippen, "das ist für mich eine Frage der Redlichkeit", so Niedergesäß. Sein Parteikollege Martin Lechner drehte den Spieß gar um. "Es ist besser wenn wir das Bürgerbegehren initiieren, wie wenn die Gegner das starten." Ähnlich hatte zuvor die frühere CSU-Ministerin Christa Stewens argumentiert. Sie warne vor einem von Bürgern initiierten Bürgerentscheid, im Sinn der Windenergie sei es "besser, wir machen es selbst", so Stewens, die sich als "leidenschaftliche Befürworterin der Windenergie", bezeichnete. Im "Landkreis und im Ebersberger Forst".

Als erklärter Gegner von Windkraft im Ebersberger Forst zeigte sich Kreisrat Toni Ried (Freien Wähler). Er sprach von "Augenwischerei", Windräder im Ebersberger Forst als klimafreundlich zu bezeichnen. "Wir zerstören vor Ort Natur." AfD-Kreisrat Helmut Demmel gab die Empfehlung ab, Windräder woanders zu platzieren, statt im CO₂-bindenden Forst. "Was hilft mir ein Windradl, wenn ich keine Luft mehr zum Schnaufen hab."

Warum Demmel und Ried gegen das Ratsbegehren stimmten, ließ sich nicht restlos ergründen. Fünf Freie-Wähler-Kollegen Rieds votierten dafür. Zusammen mit 26 Stimmen aus der CSU-FDP-Fraktion reichte es somit knapp für die Mehrheit.

© SZ vom 28.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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