Medizinische Versorgung:Ärztemangel in Ebersberg: Der Landkreis-Süden liegt brach

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Auf dem Land fehlen immer öfter Ärzte (Symbolfoto). (Foto: dpa)

Im Landkreis Ebersberg wäre der Bedarf an Fachmedizinern eigentlich gedeckt. Allerdings gibt es Kritik an deren Verteilung.

Von Andreas Junkmann

Wer krank wird und einen Spezialisten aufsuchen muss, der ist im Landkreis Ebersberg theoretisch gut versorgt. Praktisch stellt sich die Situation aber ein bisschen anders dar: Zwar ist der Bedarf an Fachärzten in der Region gedeckt, die Mediziner sind aber so ungleich verteilt, dass manche Gegenden nahezu komplett verwaist sind. Während die Dichte im nördlichen Landkreis besonders hoch ist, sind einige Gemeinden in der Südhälfte fast gänzlich von der Versorgung abgeschnitten. Eine dieser Kommunen ist die Marktgemeinde Kirchseeon, die sich darum bemüht hat, einen Facharzt in den Ort zu holen - und nun ein klare Absage kassiert hat.

Um Möglichkeiten auszuloten, die ärztliche Versorgung für die Bürger zu verbessern, hatte die Gemeinde Oliver Legler, einen Vertreter des Kommunalbüros für ärztliche Versorgung, zur jüngsten Marktgemeinderatssitzung am Montagabend eingeladen. Es sollte darum gehen, was die Kommune tun kann, um einen Facharzt nach Kirchseeon zu lotsen. Die für viele ernüchternde Antwort lautet: nicht viel.

Denn, wie Legler erklärte, sei der Bedarf an Fachärzten im Planungsbereich Ebersberg/Grafing - der im Grunde dem Landkreis entspricht - bereits vollständig gedeckt. Dieser berechnet sich dem Experten zufolge aus der bundesweit geltenden Bedarfsplanrichtlinie, anhand derer die Kassenärztlichen Vereinigungen die Mediziner auf die jeweiligen Gebiete verteilen. Wie viele Ärzte in eine Region kommen, liege vor allem an der Einwohnerzahl, so Legler. Die wichtigste Kennziffer bei der Zuteilung ist der sogenannte Versorgungsgrad: Liegt dieser bei 110 Prozent oder höher, ist Schluss.

Genau das ist im Landkreis Ebersberg der Fall. Bei allen Fachärztegruppen herrscht statistisch gesehen bereits eine Überversorgung. Die 14 Frauenärzte, zehn Kinderärzte und sieben HNO-Spezialisten sind laut Bedarfsplan also schon mehr als genug. Eine Situation, gegen die auch die Kirchseeoner Gemeinderäte sicherlich nichts einzuwenden hätten, wäre da nicht die ungleiche Verteilung innerhalb des Landkreises. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass sich allein acht der zehn Kinderärzte auf die Gemeinden Poing, Vaterstetten und Markt Schwaben verteilen. Bei den Frauenärzten ergibt sich ein ähnliches Bild: Hier sitzen ebenfalls neun von 14 im nördlichen Landkreis. Diese Statistik sorgte nicht nur bei den Kommunalpolitikern, sondern auch bei den zahlreichen Zuschauern im Sitzungssaal für Kopfschütteln.

Forderungen nach einer gerechteren Verteilung, etwa von Bürgermeister Udo Ockel und Gemeinderat Siegfried Seidinger (beide CSU), liefen jedoch ins Leere. "Ich sage es jetzt mal ganz ketzerisch: Wir könnten auch alle Ärzte in eine Gemeinde setzen, dann hätten wir den Versorgungsgrad auch erreicht", so Legler. Kritik an der Bedarfsplanung sei dem Experten zufolge aber nichts Neues.

Kein Facharzt auf absehbare Zeit

Vor allem die zugrunde liegenden Zahlen, die noch aus den 1990er Jahren stammen, seien inzwischen einfach veraltet. Es lägen zwar mittlerweile neue Daten vor, diese würden aber erst von 2020 an greifen - und ob der Landkreis Ebersberg davon überhaupt profitieren werde, sei ungewiss. "Ich weiß, das ist ein Stück weit ernüchternd für Sie", sagte Legler deshalb fast schon entschuldigend.

Damit steht fest, dass Kommunen wie Kirchseeon, aber auch Zorneding, Steinhöring, Anzing oder Glonn in absehbarer Zeit keinen Facharzt bekommen werden. Dennoch sind die Gemeinden bei der medizinischen Versorgung ihrer Bürger nicht gänzlich machtlos. Zwei Möglichkeiten gibt es Legler zufolge doch, einen Mediziner an den eigenen Ort zu lotsen. Etwa, wenn sich ein Arzt im Planungsbereich finden würde, der bereit wäre, seine Praxis umzusiedeln. Allerdings passiere das erfahrungsgemäß nicht sehr häufig und sei obendrein dem Verhältnis zwischen den Gemeinden nicht sonderlich zuträglich.

Eine weitere Option seien sogenannte Filialpraxen, also Zweigstellen, die ein Arzt in einer anderen Gemeinde einrichtet. Diese dürften aber nicht als zusätzliche Einnahmequelle dienen. Eröffnet also ein Mediziner eine Filiale, muss er seinen Leistungsumfang andernorts zurückfahren.

Für die Kirchseeoner Gemeinderäte waren Leglers Ausführungen selbstredend alles andere als befriedigend, hatte man sich doch erhofft, selbst zumindest ein klein wenig Einfluss auf die medizinische Versorgung in der Marktgemeinde zu haben. Diese Gedankenspiele sind am Montagabend aber jäh zerschlagen worden. Denn, wie es Oliver Legler abschließend nüchtern formulierte: "Zusätzliche Ärzte gibt's im Moment nicht. Punkt."

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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