EBE-Jazz 2023:Wahl mal anders

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Sie werben nicht um Stimmen, sondern für Musik: Die Plakate "Vote for Jazz!" des Kunstvereins. (Foto: Christian Endt)

Der Ebersberger Kunstverein belebt Ebersberg und Grafing mit einem besonderen Projekt: Dort, wo vorher Politiker für sich warben, machen nun feinsinnige Fotos Lust auf Konzerte.

Von Anja Blum, Ebersberg

Fotografie trifft Musik trifft Politik: Mit Referenzen in diverse Richtungen wartet nun ein neues Projekt des Ebersberger Kunstvereins im Rahmen des Festivals "EBE-Jazz" auf. Zu sehen gibt es feinsinnige Konzertfotografie. Doch nicht schön gerahmt, sondern an der Straße. Auf dem Sperrholz ehemaliger Wahlplakate. Dort, wo bis vor Kurzem buntes und lautes parteipolitisches Markttreiben herrschte, werden nun leise Schwarz-Weiß-Töne angeschlagen, erzählen fünf leidenschaftliche Fotografen sensible Geschichten von den Jazzbühnen der Welt.

Unter dem Motto "Vote for Jazz!" möchte der Kunstverein mit den Fotografien Werbung machen, und zwar für eine dazugehörige Ausstellung in seiner Galerie, aber auch ganz allgemein für das zehntägige Jazzfestival in Ebersberg und Grafing, das am Freitag, 13. Oktober, beginnt. Für die Passanten allerdings ist der Aufruf nicht leicht zu erkennen: Nur ganz dezent prangen die Logos auf den Plakaten. Wer Genaueres wissen will, muss näher treten. Understatement pur. Ganz anders als die Wochen zuvor.

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"Das Format des Plakats scheint ja irgendwie total überholt - aber es ist visuell so präsent, dass es einfach immer funktioniert", sagt Andreas Mitterer, Chef des Kunstvereins. Von ihm stammt die Idee, die nun ausgedienten Wahlplakat-Ständer für Kunst zu nutzen, die Gesichter der Politiker mit denen von Musikern zu überkleben. "Ich finde die vielen Kontraste, die sich daraus ergeben, sehr spannend", sagt Mitterer, außerdem sei es dem Kunstverein schon lange ein Anliegen, mit seiner Arbeit immer wieder auch in den öffentlichen Raum zu gehen. "Zu Beginn wussten wir zwar noch nicht, ob sich das ausgehen wird mit dem Wahltermin, aber dann hat es haargenau gepasst", freut sich der Vorsitzende.

Fünf Fotografen haben sich an dem Projekt beteiligt, sie alle brennen für Musik, Kunst und Journalismus: Hermann Will aus Moosach, Ralf Dombrowski aus München, Wolfgang Feik aus Dachau, Thomas J. Krebs aus Olching und Peter Hinz-Rosin aus Grafing. Jeder von ihnen hat fünf Motive beigesteuert, Aufnahmen von Musikern, Musikerinnen und ihren Instrumenten. Magische Jazzmomente, die die besondere Atmosphäre eines Konzerts für alle außerhalb erfahrbar machen wollen. In ausdrucksstarkem Schwarz-Weiß werden hier die Leidenschaft, die Innigkeit und der Witz von Spiel und Gesang dargestellt.

Der Saxofonist Jesse Davis war auch schon mal zu Gast in Ebersberg. (Foto: Hermann Will)
Die Sängerin Enji Erkhem gehört zu den Entdeckungen von Martin Zenker, künstlerischer Leiter von EBE-Jazz. (Foto: Wolfgang Feik)
Der US-amerikanische Bassist Marcus Miller gilt als stilprägend. (Foto: Ralf Dombrowski)

Zu den Porträtierten zählen Größen der lokalen Szene wie die Sängerinnen Nina Plotzki und Stephanie Boltz, aber auch internationale Stars wie PW Ellis, Fred Hersch oder Mike Stern. Die Fotografien wurden ausgedruckt im Format A1, also Wahlplakatgröße. Die insgesamt 25 Motive werden allerdings keine einzelnen Aufsteller zieren, sondern nur jene größeren Werbeflächen, für die die beiden Städte zuständig sind. "Alles andere wäre auch genehmigungsmäßig viel zu kompliziert gewesen", heißt es aus dem Kunstverein, "denn dann hätten wir mit den einzelnen Parteien verhandeln müssen."

Kunst im öffentlichen Raum bedeutet ja auch immer Konfrontation. Deswegen sind die Verantwortlichen beim Kunstverein nun sehr gespannt auf die Reaktionen. Was wird mit den Plakaten nun alles passieren? Wie werden die politischen Akteure sich verhalten? Wie die Passanten? Bekommen die Jazzfotografien etwa noch einen "Danke"-Aufkleber drauf, obwohl sie ja gar keine Wählerstimmen eingefangen haben? Oder werden sie genauso häufig Opfer von Vandalismus wie ihre politischen Vorgänger?

Bei den Wahlplakaten im Landkreis war Vandalismus an der Tagesordnung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wer sich den Musikporträts indes in aller Ruhe widmen will, hat auch dazu Gelegenheit: In der Galerie im Studio an der Rampe kann man sich der Kakophonie der Straße entziehen und die sehr persönlichen fotografischen Blickwinkel wirken lassen. Aber auch hier nimmt das Projekt Bezug auf das inzwischen nicht mehr Sichtbare im Außenraum: Peter Hinz-Rosin hat in Grafing und Ebersberg Wahlplakate fotografiert, wobei die meisten davon allerdings bereits zerfetzt beziehungsweise abgefieselt waren. Die übrig gebliebenen Strukturen aus Holz und farbigen Papierresten werden die wunderbaren Jazzmomente in der Galerie kontrastieren.

Ausstellung: "Vote for Jazz!" im Kunstverein Ebersberg, Studio an der Rampe, Eröffnung am Samstag, 14. Oktober, um 18 Uhr, zu sehen bis Sonntag, 22. Oktober.

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