SZ-Kulturpreis Tassilo:Chillen auf bairisch

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Rosi Spielberger nutzt die klassische Liedermacherausstattung: Gitarre, Stimme und viel Humor. (Foto: Gisela Brechenmacher (oh))

Die Aßlingerin Roswitha Spielberger tourt seit zwölf Jahren als "Stianghausratschn" durch die Kleinkunstszene. Ihr Kabarett mit viel Mundart und Musik ist höchst liebenswert - und eine Auszeichnung wert.

Von Alexandra Leuthner, Aßling

Stianghausratschn, die: Wer im Duden sucht, wird keine Definition finden für dieses Phänomen, das es wahrscheinlich auch in Berlin, Hamburg, Hannover oder Mettmann gibt, nur heißt es da eben anders. Menschen, die vor einigen Jahrzehnten südlich des Weißwurstäquators aufgewachsen und bayerisch sozialisiert sind, kennen die Stianghausratschn noch als Hausmeisterin aus dem Vorderhaus vom Hinterhaus, in dem der Meister Eder alias Gustl Bayrhammer seine Werkstatt und seinen Pumuckl hatte. Oder aus dem Mietshaus, von dem der alte Grandauer (Jörg Hube) zu seinem Dienst als Kriminaler in der "Löwengrube" aufgebrochen ist. Die Gschmeißnerin aus dem Grandauerschen Erdgeschoß, Geranien vor dem offenen Fenster, Ellenbogen auf der Fensterbank, ist die Parade-Stianghausratschn. Sie hat alles im Visier, was in der Nachbarschaft los ist, um anschließend im "Stiang-" , sprich: Treppenhaus, "d'Leit ausricht'n" zu können.

Im April ist die Stianghausratschn mit ihrem bayerischen Kabarett zu Gast in Steinbergers Marktblick in Glonn. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Treffen mit Roswitha Spielberger im Glonner Café Marktblick. Vor dem Lokal steht ihr Auto, der Schriftzug De Stianghausratschn prangt quer über der Vordertür. Drinnen sitzt sie so, wie man sie von ihren Auftritten kennt: Stirnband um die kurzen roten Haare, Pullover und Schal in Schwarz-Weiß, reichlich Schalk im Gesicht. Vor zwölf Jahren ist die "Rosi" aus Aßling zum ersten Mal auf eine Bühne gestiegen - mit 50 Jahren und mehr Herzklopfen als Vaterlandsliebe, wie sie beschreibt. "Ich hab am Anfang immer den Text vergessen vor Aufregung, wenn ein Fotograf vor mir aufgetaucht ist."

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Damals war es ihr Glück, dass sie nicht allein war auf der Bühne, sondern Ade Kretschmer, alias den Stenz, dabei hatte. "Zuerst hab ich mich hinter ihm versteckt", erzählt sie. Hunderte von selbst geschriebenen Gedichten, inspiriert von Eugen Roth, ein Jahr Gitarrenunterricht im Kindesalter und ein erstes selbst komponiertes Liadl - "der Depp der Nation", begeistert von den drei Kindern und dem Ehemann beklatscht - waren der Premiere mit dem Bühnenpartner vorausgegangen. Den Kontakt hatte Rosi Spielbergers Bruder, selbst Musiker und Produzent, hergestellt. Nun ja, die Kinder waren raus aus dem berühmten Gröbsten - und die Mama bereit für neue Aufgaben: de Stianghausratschn war geboren. Vier Jahre lang war sie mit dem Stenz unterwegs, bis die beiden Künstler sich trennten und Spielberger alleine loszog.

Nur manchmal ein bisserl derb, sehr bayerisch, oft im Zweivierteltakt und immer wie eine aus der Nachbarschaft, eine, die man kennt und die man mag: So will sie sein, die Rosi aus Aßling. "I mog des net, jemanden beleidigen" - außer vielleicht mal den einen oder anderen "Bierdimpfl", den sie auf die Schippe nimmt, aber auch das tut sie immer mit einem Zwinkern. Und auf bairisch hören sich Beschimpfungen ja eh gleich halb so schlimm an.

Wenn es ein bisschen derber werden soll, lässt Roswitha Spielberger ihre Puppen ratschen. (Foto: privat)

"Redn dua I scho gern, aber a Ratschn bin i eigentli' ned." Bösartig also sind Spielbergers Texte nicht, zumal es darin ganz gerne mal um ihren eigenen Mann geht und seine kleinen Marotten, sowie um ihre drei mittlerweile erwachsenen Kinder, die sie mit all dem geplagt haben, worum sich Elterngespräche halt so drehen: schlampige Zimmer, fehlender Fleiß, dreckige Wäsche. Gern ist auch mal die komplizierte Kaffeemaschine einer Nachbarin ihr Thema, eine falsche Schwiegertochter namens "Siri", die nackte Panik beim Einsteigen in ein Flugzeug - "do schäbat wos/ I woas sofort/ des Triebwerk hod an Schodn" - oder einfach der ganz normale Alltagswahnsinn.

Politisch wird Spielberger dabei nie, oder nur ganz selten, wenn es halt nicht mehr anders geht, die Nachrichten gar zu schlecht sind. Und auch dann spricht sie mit ihrem "I hob koan Bock mehr" dem Publikum aus der Seele. Manchmal, wenn es ein bisserl derber werden soll, lässt sie ihre vier Puppen für sich ratschn, die Frau Gscheid und die Frau Haferl, es gibt auch einen Herrn Haferl und einen Professor. Die beiden Letzteren müssen ran, wenn die Stiagnhausratschn einen Mann zum Arzt schickt oder mit einem Schnupfen aufs Kanapee.

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Ein unpolitischer Mensch ist Spielberger trotz aller Verspieltheit nicht. Lange war sie Mitglied in der SPD, ihr Mann ist immer noch Gemeinderat in Aßling - wenn er sich nicht gerade bei ihren Auftritten um die Technik kümmert und als Sparringspartner im Publikum sitzt. Die Stianghausratschn selbst ist inzwischen ausgetreten, aber politische Anliegen hat sie durchaus, eines davon ist die Asslinger Tafel. Rosi Spielberger gehört zu den Gründungsmitgliedern und spielt immer wieder Benefizkonzerte für die Einrichtung. "I sog scho mei Meinung, wenn mi oana frogt", sagt sie, auf der Bühne aber "möcht i die Leit' unterhalten". Sie sollen mal zwei Stunden an nichts denken müssen und sich wohlfühlen.

Und so hat sie es sich zur Angewohnheit gemacht, vor dem Auftritt durch die Tische zu gehen und die Gäste mit einem Gedicht zu begrüßen. "Für die is des schee - und für mi a, dann verlier i die Scheu", sagt sie. Mag man eigentlich gar nicht glauben, dass eine Künstlerin noch nervös ist, die seit so vielen Jahren auftritt, die Bierzelte mit 2000 Menschen erlebt hat, die regelmäßig im Schlachthof in München spielt, die das "Magazin 4 - alte Saline, neue Kultur" in Bad Reichenhall ebenso kennt wie die Stadthallen Erding und Grafing, das Kulmbacher Kleinkunstbrettla, das Hinterhalt in Geretsried oder das "Kleine Theater - Haus der freien Szene" in Salzburg. Einmal ist sie auch im Bayerischen Fernsehen aufgetreten, bei "Mia san mia", aber lieber ist es ihr, wenn sie ihr Publikum vor sich sehen kann.

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Auf Dutzenden von kleineren und größeren Bühnen in Bayern und Österreich hat die Stiagnhausratschn aus Aßling in den vergangenen zwölf Jahren gespielt - dort halt, wo man sie versteht. Wo man den feinen Schuss Selbstironie schätzt, der immer zu spüren ist in ihren Liedern. Die Liebenswürdigkeit, mit der die 62-Jährige einen ihrer Söhne zitiert: "Chill amoi, Mama". Sowie ihre schwarzhumorigen Pointen, mit denen sie ihre Songs gern ausklingen lässt.

Die Coronazeit hat auch der bayerischen Liedermacherin zunächst einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, doch so langsam füllt sich ihr Terminkalender wieder, auch Auftritte im Kreis Ebersberg sind darunter, in der Vaterstettener Landlust, im Emmeringer Bruckhof, im Glonner Marktblick sowie im Aßlinger Gemeindesaal. Doch jetzt ist Rosi Spielberger für ihr liebenswürdiges bayerisches Kabarett erst einmal als Tassilo-Kandidatin nominiert.

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