CSU im Wahlkampf:Söder: "Ich bin der Einzige, der keinen persönlich angreift"

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Christsoziale unter sich: Ministerpräsident Markus Söder und Ehrenvorsitzender Edmund Stoiber machen Wahlkampf in Ebersberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Markus Söder und Edmund Stoiber kommen zum Wahlkampf nach Ebersberg. Dort tritt der Ministerpräsident als kümmernder Landesvater auf. Bei einem Parteimitglied aber rumort es.

Von Viktoria Spinrad, Ebersberg

Als zum Schluss noch einmal gelästert werden soll, man ist ja unter sich, kneift eine Zuhörerin die Augen zusammen. "Dass man unter vier Augen lobt und unter zwei Augen kritisiert - das gibt's bei uns in der Partei leider nicht mehr", wird die Ebersbergerin, die ihre Partei nicht mehr öffentlich kritisieren will, nach dem prominent besetzten CSU-Stammtisch in der Ebersberger Alm am Sonntag sagen.

Und, dass man sie nicht mehr zu Treffen eingeladen habe, seit sie verkündet habe, man müsse aus der Flüchtlingssituation eben das Beste machen. Die 54-Jährige ist trotzdem gekommen, wie rund 150 andere, schließlich ist er ja da: Markus Söder, CSU-Ministerpräsident.

Der Stargast des politischen Frühschoppens hat am Sonntag so viele Menschen angelockt, dass draußen, im Landschaftsschutzgebiet, die Autos kreuz und quer stehen, Besucher an der Tür abgewiesen werden - und sich Landrat Robert Niedergesäß mit einem Platz am Fensterbrett zufriedengibt. Der Stimmung tut das natürlichen keinen Abbruch, die Sache mit dem Lästern ebenso wenig.

Parkverbot im Landschaftsschutzgebiet? Nicht für die CSU, wenn der Ministerpräsident zum Früschoppen vorbeischaut. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

"Ich bin der Einzige, der keinen persönlich angreift", sagt Söder - und wiederholt seine Kritik an den anderen Parteien, sich in der Hitze des Wahlkampfs im Ton zu vergreifen. Dass Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger sich ihm ständig so sehr anbiedere, dass man jede Schweißperle sehe, Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDp eher als Alleinunterhalter auf Mittelmeerfahrten tauge und den anderen Parteien überhaupt "der Wunsch aus den Augen tropft, mitzuregieren", hatte der Landesvater da schon verlauten lassen.

Dabei wollte Söder doch verbal abrüsten, fünf Wochen vor der Landtagswahl, bei der die CSU wohl ein historisches Debakel erleben wird. Die Partei, die die Alleinherrschaft in Bayern bislang für sich gepachtet hat, liegt in Umfragen nur noch bei 37 Prozent. Um doch die absolute Mehrheit einzufahren und sich in die Riege langjähriger Landesväter einzureihen, tourt der ebenso selbstbewusste wie umstrittene Ministerpräsident nun durch das bevölkerungsstarke Oberbayern.

Und er hat Schützenhilfe. Am Sonntag nicht nur von CSU-Größen aus dem Landkreis, auch sein politischer Ziehvater ist mit dabei. Edmund Stoiber schaltet sich gerne dann ein, wenn es brennt, wie zuletzt im Asyltauziehen zwischen München und Berlin. Am Sonntag nutzt Stoiber seinen Auftritt für eine minutenlange Brandrede zum Vormarsch der Rechten in Europa, warnt eindringlich davor, das Kreuz in fünf Wochen bei der AfD zu machen - und erklärt, wieso er damals bewusst Söder mit aufgebaut hat: In Zeiten globalen Wettbewerbs brauche es einen mutigen Gestalter mit Rückgrat, "um Europa, ich meine Bayern, an der Spitze zu halten".

Als Söder vor drei Monaten in Markt Schwaben auftrat, protestierten Helferkreise und Flüchtlinge gegen den rigiden Anti-Flüchtlings-Kurs des Franken. Am Sonntag wundert sich höchstens der ein oder andere Jogger auf der Ludwigshöhe, wer da plötzlich vorfährt. Und sich bescheiden gibt: Auf die Anmerkung eines Parteispezls, der "Größte" sei jetzt da, korrigiert Söder: "Der Längste". Und dann doch: "ein paar Zentimeter größer als der Seehofer."

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Drinnen im Wirtshaus beschwört Söder naturgemäß die Heimat ("Märchenland"), bekräftigt seine Abgrenzung zur AfD ("Chemnitz war eine Sollbruchstelle") und wiederholt sein Berlin-Bashing ("flächendeckende Islamkunde, aber keine Religionslehrer").

Den größten Applaus gibt es, als er seine auf Abschreckung zielende Flüchtlingspolitik lobt - wegen der nun weniger Flüchtlinge nach Bayern kämen. Er präsentiert sich als kümmernder Landesvater, dessen Großzügigkeit - Stichwort Familiengeld - gegenüber Bedürftigen auch rechtliche Dissonanzen Berlin nichts anhaben könnten. Von dort fordert das Bundessozialministerium, das Geld müsse auf die Grundsicherung angerechnet werden; in Bayern ist man kurz vor der Wahl anderer Auffassung.

Dass die CSU ihr Gewohnheitsrecht auch im Landkreis verspielt hat, wo sie bei den Bundestagswahlen 2017 teilweise mehr als 15 Prozent Wählerstimmen verloren hat - davon ist auf der Alm nicht viel zu spüren. "Alles vollkommen richtig", urteilt ein Grafinger nach dem zweistündigen Talk. Man schaffe das nicht, Merkel müsse weg , auch wegen der Flüchtlinge, so Hermann Mallek.

Derweil ringt die 54-Jährige aus Ebersberg noch mit sich. "Jetzt hat man mit den Flüchtlingen endlich eine Menschengruppe, auf die man sich fokussieren kann", sagt sie. Dass Asylbewerber in ihrer Partei nicht mehr als Menschen gesehen würden, "das macht mich traurig". Ihr fehle das Selbstvertrauen für mehr Toleranz in der CSU. Dann springt sie auf und tippt Markus Söder an der Schulter. Es ist Zeit für ein gemeinsames Foto.

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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