Auftakt zur heißen Wahlkampf-Phase:Mama Bayern

Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) spricht auf dem Grafinger Brauereifest. Sie preist die Erfolge der Staatsregierung - und wirkt am Ende fast schon wie eine fürsorgliche Landesmutter.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Der Tross schiebt sich durch den Mittelgang, unter weiß-blauen Deckenwimpeln hindurch und an weiß-blauen Papiertischdecken vorbei. Vorne weg Ilse Aigner und Thomas Huber. Sie, die Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr. Er, der Grafinger CSU-Landtagsabgeordnete.

Dahinter, in der Hierarchie abfallend, der Rest, der im CSU-Kreisverband etwas zu sagen hat. Natürlich, ein paar Besucher erheben sich - nicht nur, aber auch wegen der besseren Schussposition für das Foto mit dem Handy. Sicher, die Grafinger Stadtkapelle spielt. Aber nicht wummernd wie zu Edmund Stoibers Zeiten. Sondern den "Kaiserin-Sissi-Marsch". Wer will, kann das als Zeichen politischer Demut interpretieren.

Passen würde es ja. Huber und Aigner eint, dass sie sich um ihre Zugehörigkeit im nächsten Landtag wenig Sorgen machen müssen. Aber dass sie bis zur Landtagswahl am 14. Oktober emsig an der Begründung arbeiten, warum eine Partei, die seit 1957 ununterbrochen den Bayerischen Ministerpräsidenten stellt, dies auch fünf weitere Jahre tun sollte.

Auftakt zur heißen Wahlkampf-Phase: Landtagsabgeordneter Thomas Huber und die örtliche CSU-Prominenz begleiten die Ministerin in die Halle. Ministerpräsident Markus Söder wäre zufrieden: Ein großes Kreuz gibt es dort auch.

Landtagsabgeordneter Thomas Huber und die örtliche CSU-Prominenz begleiten die Ministerin in die Halle. Ministerpräsident Markus Söder wäre zufrieden: Ein großes Kreuz gibt es dort auch.

(Foto: Christian Endt)

"Die Zahlen und Fakten schauen echt gut aus", ruft Huber schließlich in die Brauereihalle. "Die werden aber leider in der Öffentlichkeit nicht so gewürdigt, wie sie es verdient haben." Dann brennt er das CSU-Erfolgsfeuerwerk ab: stabilste Finanzen, keine neuen Schulden, niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa, höchste Sicherheit, beste Schulen und Hochschulen, höchster Wohlstand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, Baukindergeld, Landespflegegeld, Mütterrente, Bürokratieabbau, Barrierefreiheit, Ehrenamt, wohnortnahe Arbeitsplätze und, und, und. "Und die anderen haben zu diesem Erfolg nichts beigetragen außer Kritik, Kritik und noch mal Kritik."

Ausgerechnet beim finalen Schwenk auf die Grafinger Lokalpolitik verrennt sich Huber - in der Kritik. Er geißelt den neuen Öxinger Platz an der Rotter Straße. Viel zu wenig Grün und viel zu viel Beton, klagt er. Und das auch noch bei einer Grünen-Bürgermeisterin. Allein: Die umstrittene Platzgestaltung fußt auf Mehrheitsvoten im Stadtrat, zustande gekommen mit reichlich Stimmen von Hubers CSU.

Die "liebe Ilse", wie Huber die Hauptakteurein des Abends dann willkommen heißt, dockt lieber an dessen Staccato von vor ein paar Minuten an. "Wir haben den Auftrag, das alles in die nächste Generation zu überführen", beginnt sie.

Der Satz ist eine von den wenigen Floskeln, die in der nächsten knappen Stunde zu hören sind. Aigner geht es um klare Ansagen, das ist unverkennbar, auch wenn es über die Priorisierung unterschiedliche Ansichten geben mag. Profil geben sie allemal.

Auftakt zur heißen Wahlkampf-Phase: Eine knappe Stunde beleuchtet Ilse Aigner am Rednerpult Themen, die ihr wichtig sind.

Eine knappe Stunde beleuchtet Ilse Aigner am Rednerpult Themen, die ihr wichtig sind.

(Foto: Christian Endt)

Beispiel Dieselverbote: "Die Gesundheit der Menschen in München ist wichtig. Aber wer sich im Umland einen Diesel gekauft hat, darf jetzt nicht aus der Stadt ausgesperrt werden." An diesem Prinzip rüttele auch die zweite Stammstrecke in München nicht.

Thema Elektromobilität: "Von Revolutionen hab' ich noch nie viel gehalten. Was wir hier brauchen ist eine Evolution." Nur möge man bitteschön nicht die Auswirkungen auf die Zuliefererindustrie aus den Augen verlieren.

"Im Elektrofahrzeug sind nicht mehr so viele Kleinteile drin wie in einem normalen Motor." Natürlich spiele die Staatsregierung auch Zukunftsvisionen wie etwa Flugtaxis durch. "Aber auf absehbare Zeit werden wir noch auf der Erde bleiben."

Weil Zahlen immer so abstrakt sind, schiebt Aigner einen Vergleich nach

Oder die Sache mit dem günstigen Wohnen: "Über die Grundstückspreise hier brauch' ich Ihnen nichts erzählen", sagt sie. "Aber ich wehre mich dagegen, dass überall so getan wird, als würde die Staatsregierung nichts dagegen tun!" Erst in diesem Haushalt habe die CSU ein weiteres Mal nachgelegt. "886 Millionen Euro stehen da jetzt für den Sozialwohnungsbau drin." Weil Zahlen immer so abstrakt sind, schiebt Aigner einen Vergleich nach. "Als Wirtschaftsministerin hatte ich insgesamt einen Etat von 1,2 Milliarden Euro."

Als zweiter Pfeiler komme jetzt auch noch das geförderte Wohneigentum hinzu. "Ich habe mir das mal ausgerechnet: Eine vierköpfige Familie, die Baukindergeld und Eigenheimzulage erhält, kommt auf 40 000 Euro. Das ist ein Haufen Geld!" Die wirklichen Engpässe seien doch die Kapazitäten in der Bauwirtschaft und die nur begrenzt vorhandenen Flächen.

"Letztendlich müssen wir künftig dichter, tiefer und höher bauen", skizziert sie die Bauplanungen von morgen. Gerne auch mit einem verschärften Bundesbaugesetz. "Ich hätte zum Beispiel kein Problem damit, wenn wir großen Supermärkten vorschreiben, ihre Parkplätze unter die Erde oder aufs Dach zu verlegen."

Und dann lässt sie das alles hinter sich, Tagespolitik und Parteienscharmützel, Lamento und Kleinklein. Letztendlich sei der große Rahmen doch viel wichtiger. Einer, in dem alle zusammenlebten, in Respekt und Freiheit, mit gegenseitiger Umsicht, mit staatlicher Unterstützung, aber ohne staatliche Gängelei. "Wir wollen doch ein Umfeld, in dem unsere Kinder ihre Wurzeln schlagen können."

Da klingt Aigner schon fast wie eine fürsorgliche Landesmutter. Dass nach dem 14. Oktober eine gebraucht wird, ist ja nicht ausgeschlossen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: