Bodypainting:"Die Form des Körpers wird immer einbezogen"

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Profi-Bodypainterin Eva Schulz aus Aßling zaubert mit Farbe und Pinsel Kunstwerke auf menschliche Haut. Tochter Katharina hat sich als Modell zur Verfügung gestellt. (Foto: Christian Endt)

Eva-Maria Schulz zeigt, wie die Verwandlung durch Farbe Freude bringt - trotz Corona, und nicht nur im Fasching. Besuch bei einer preisgekrönten Profi-Bodypainterin.

Von Michaela Pelz, Aßling

Dieses Ziel kann man nicht verfehlen, selbst wenn sich das Navi mit der Adresse "Steinkirchen 1 1/3" ein bisschen schwertut. Dafür ist die Wegbeschreibung von Eva-Maria Schulz viel zu eindeutig: "Wir haben ein Boot im Garten und alles ist bunt", hatte sie am Telefon mit einem Lächeln in ihrer warmen Stimme gesagt. Und in der Tat künden ein in kräftigem Rot und Gelb erstrahlendes Garagentor, eine lustig bemalte Regentonne sowie eine Sonne rund um ein Bullaugenfenster schon von weitem davon, dass an diesem Ort Kreativität aller Art gelebt wird. Und wofür die Hausherrin am meisten brennt, erkennt man leicht an den beiden überdimensionalen Pinseln, die statt herkömmlicher Griffe am Gartentor befestigt sind - selbst ohne zu wissen, dass sie seit zehn Jahren Mitglied des Vereins der Grafinger Maler ist.

Bei Familie Schulz im Aßlinger Ortsteil Steinkirchen ist die Kreativität zuhause. (Foto: Christian Endt)

Doch obwohl die gelernte Bankkauffrau, die 1998 ihr "Hobby zu einer Berufung" machte, auch mit Acryl und Aquarell arbeitet und schon so unterschiedliche Dinge bemalt hat wie Wände, Fallrohre, Schuhe oder Umzugswagen, ist ihr ein Untergrund doch am allerliebsten: die Haut. Die menschliche, wohlgemerkt - wiewohl Schulz auch vor tierischem Fell keine Scheu hat, wie das Foto von Ochse Mogli zeigt, der sich von ihr geduldig zwei Stunden lang mit Flüssigfarbe verschönern ließ.

Nicht nur Menschen, auch Tiere lassen sich gelegentlich von Eva-Maria Schulz verschönern. (Foto: Kunstallerlei/oh)

Etwa 20 000 Menschen hatte die Künstlerin schon unter ihrem Pinsel

Mit wem also könnte man besser über Tipps und Tricks rund um faschingsbunte Gesichtsmalkunst sprechen, als mit dieser Expertin für Bodypainting, Babybauchbemalung und Kinderschminken? Schon circa 20 000 Menschen hatte Schulz in den vergangenen 22 Jahren unter einem ihrer 500 bis 600 Pinsel. "Es ist faszinierend, was da entsteht, und wie man jemanden verwandeln kann", sagt sie. "Vor allem Kinder leben das ja auch wirklich aus - da wird dann aus einem zögerlichen Mäuschen plötzlich ein Tiger", erzählt die 50-Jährige mit ansteckender Begeisterung, während sie geschickt und blitzschnell das Gesicht ihrer Tochter Katharina, einer angehenden Lehrerin, mit grünschimmernder Theaterschminke grundiert - und dabei auch die Ohren nicht vergisst. Profi halt.

Pinsel in allen Formen, Farben in allen Schattierungen nutzt Schulz für ihre Kunst auf Haut. (Foto: Christian Endt)

Gerade mal eine Dreiviertelstunde später wird die junge Frau einen Anblick bieten, der nicht nur ihre Schülerinnen und Schüler in Begeisterung versetzen würde: Die ausdrucksstarken dunklen Augen sind nun umrahmt von kunstvoll verästelten Blättern und Ornamenten, während auf Hals und Dekolleté eine wahrlich zauberhafte Nachtlandschaft entstanden ist, mit von strahlendem Mondlicht beschienenen Vögeln, Bäumen und frechen Fliegenpilzen. Und zwar ganz ohne Farbunfall auf dem altrosa Spitzenoberteil. "Notfalls könnte man diese hochwertigen Farben aber auch per Hand auswaschen", versichert Schulz.

Tochter Katharina lässt sich von ihrer Mutter in ein buntes Zauberwesen verwandeln. (Foto: Christian Endt)

Für die "Körperwelten" konzentrierte Schulz sich auf Muskeln und Sehen

Das Ruhigsitzen fällt der grazilen 25-Jährigen nicht schwer; wie ihre beiden Geschwister hat sie der Mama von klein auf geduldig als Modell gedient. "Die Form des Körpers wird immer einbezogen", erklärt Eva-Maria Schulz, als sie bei der Vorzeichnung mit ruhiger Hand einen Brustbeinknochen zum Ast macht. Und ja, dafür müsse man schon über Anatomiekenntnisse verfügen. Dass die dreifache Mutter und Großmutter solche besitzt, hat sie bei der Ausstellung "Körperwelten" bewiesen, wo sie sich als Bodypainterin auf Muskeln und Sehnen konzentrierte. Das sei zwar nicht gerade trivial, aber: "Bei einem guten Model muss man nur nachzeichnen." Die Lymphbahnen wiederum, die sie unlängst einem zwei Meter hohen Kunststoffbären verpasste, bevor er an die Berliner Charité ging, "kann ich blind". Kein Wunder, hat sie dieses Sujet doch schon seit geraumer Zeit im Repertoire.

Solche Körperkunstwerke entstehen nicht frei Hand, sondern bedürfen einer akribischen Vorbereitung, (Foto: Kunstallerlei/oh)

Nicht ohne Vorlagen, die Schulz oft gemeinsam mit ihren Modellen erarbeitet, geht es bei ihren Workshops in Schulen oder auf den einschlägigen Branchentreffen. Das gilt auch für die Bemalung von Schwangerschaftsbäuchen, oder wenn sich jemand privat den Wunsch erfüllt, einmal zur menschlichen Leinwand eines Profis zu werden. Das Kinderschminken hingegen, wie Schulz es bei Messen, Straßenfesten oder privaten Veranstaltungen praktiziert, funktioniert oft auch frei Hand. Und kann, nach entsprechender Übung, auch von Laien durchgeführt werden (siehe Kasten) - selbst ohne, wie Schulz, rund 80 Farben zur Verfügung zu haben.

Welche Farbe darf es denn heute sein? Der Schminkkoffer von Eva-Maria Schulz lässt keine Wünsche offen. (Foto: Christian Endt)

Die Vorbereitungszeit für Wettbewerbe: bis zu sechs Monate

Diese große Auswahl an Farben allerdings braucht Schulz dringend - nebst einer Vorbereitungszeit von bis zu sechs Monaten - für Wettbewerbe wie das "World Bodypainting Festival", wo die Ganzkörperbemalung mit Spezialeffekten wie Latexteilen ergänzt wird. Seit 2011 bis auf eine Ausnahme jedes Jahr dabei, errang die Malerin aus Aßling dort 2018 sogar einen dritten Platz. Dabei ist die Teilnahme alles andere als ein Kinderspiel: "An so einem Wettbewerbstag bist du von acht Uhr in der Früh bis elf, zwölf Uhr nachts nonstop beschäftigt", erzählt Schulz. Einer bis zu sechs Stunden dauernden Bemalungsaktion - die im Vorfeld auf jeden Fall zwei oder drei Mal geübt werden sollte - folgt der Gang zur Jury, um dort auf Englisch zu erklären, was man sich bei dem Motiv gedacht hat. Im Anschluss werden die Werke in der "Foto-Area" dokumentiert, bevor sich in manchen Kategorien die Models noch drei Minuten mit Musik auf der Bühne präsentieren müssen. Das gilt auch für Schulz und ihr Team. "Vielleicht singt ja mein Mann wieder live", hofft die Frau mit der herzlichen Art - was gleichzeitig schon die Frage beantwortet, wie der Gatte ihren Beruf findet. "Er war mein allererstes Bodypainting-Model."

Mit dieser barocken Ganzkörperbemalung errang Eva-Maria Schulz beim "World Bodypainting Festival" einen dritten Platz. (Foto: Kunstallerlei/oh)

Schulz selbst nennt das, was sie tut, "Berufung" und erklärt: "Ich sehe es als Ehre an, jemanden auf der Haut bemalen zu dürfen. Zumal das Eintauchen in die bunte Welt der Farben und der Fantasie nicht nur mit dem Model etwas macht, sondern auch mit mir." Unter anderem deswegen hofft die Künstlerin, dass bald wieder Schmink- und Bodypainting-Aktionen möglich sein werden. Aktuell arbeitet Schulz zwar an einer Kinderbuchillustration, doch ein Großteil ihrer regulären Aufträge ist ihr in den vergangenen beiden Jahren pandemiebedingt weggebrochen. Vor Corona seien 30 Stunden pro Woche Bodypainting keine Seltenheit gewesen, sagt sie. "Dabei wäre es doch gerade in solchen Zeiten umso wichtiger, mal kurz der Realität entrissen zu sein."

Nach zwei wie im Flug vergangenen Stunden in dem behaglichen Wohnzimmer mit einem im Hintergrund schnarchenden Beagle bleibt nur noch eine Frage offen: Warum in aller Welt stellt sich jemand in Aßling ein Wassergefährt in den Garten? Das Boot sei von einem sehr guten Freund, erklärt Eva-Maria Schulz, und leider wäre es mit sehr viel Arbeit verbunden gewesen, es zu restaurieren. "Da wir aber Wasser und Boote lieben, haben wir es in den Garten gebaut. In der Nacht ist es beleuchtet. Und sollte Aßling mal untergehen - wir sind gerüstet!"

Gerade momentan könnte es den Menschen guttun, der Realität kurz entrissen zu sein, sagt die Schöpferin dieser beider amphibischer Wesen. (Foto: Kunstallerlei/oh)
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