Allerheiligen 2021 im Kreis Ebersberg:Asche zu Asche

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Noch sind die Menschen im Landkreis Ebersberg so gläubig, dass man sich um den Fortbestand der klassischen Friedhöfe keine Sorgen machen muss. Besonders schön grün und verwunschen ist jener in der Johann-Sebastian-Bach-Straße Vaterstetten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Alternativen zur klassischen Bestattung im Sarg auf dem Friedhof nehmen im Landkreis Ebersberg zu.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Ganz egal, wie wir gelebt, geliebt, gebetet oder geflucht haben in unserem Leben, am Ende sind wir alle gleich. Und wenn wir tot sind, landen wir in einer Kiste. Oder in einer Urne, auf jeden Fall in einem Gefäß, das unsere Überreste umschließt und fernhält von der Welt. Zumindest in Deutschland ist das so und resultiert aus der seit dem Jahr 1934 bestehenden Friedhofspflicht - entstanden aus der Sorge vor der Verbreitung von Krankheiten. Eine Ausnahme gibt es allerdings: das Meer.

Nord- oder Ostsee können als letzte Ruhestätte dienen, erklärt Bestattermeister Norbert Nussrainer von der Ebersberger Bestattungshilfe Riedel. Aber auch die Beisetzung im Seemannsgrab ist strengen Regeln unterworfen. In Deutschland braucht man einen Anbieter, also ein Schifffahrtsunternehmen, das dafür die Genehmigung hat. Die Urne wird dann an einer exakt im Logbuch vermerkten Stelle den Fluten übergeben, Angehörige können mit hinausfahren oder nicht, das hängt letztlich vom Geldbeutel ab.

Die Asche des geliebten Verstorbenen im heimischen Garten zu verstreuen, ist also in Deutschland nicht drin und mit Strafzahlungen bewehrt, auch wenn der Verblichene sich das gewünscht hat oder die Witwe ihn an seiner Seite behalten möchte. Die sterblichen Überreste, egal in welcher Form, bekommen die Angehörigen, ist der Tod einmal angezeigt und der Verstorbene dem Bestatter übergeben, nicht mehr in die Hand. Andere Länder, die Schweiz etwa, gehen damit etwas großzügiger um.

Nun, ob unter oder über der Erde, das wird uns alles hübsch egal sein, wenn wir tot sind, könnte man einwenden. Und doch kann einen das Thema ganz schön plagen, selbst wenn man glaubt, noch viele Jahre vom letzten Atemzug entfernt zu sein. Und die Nachfrage nach Alternativen zur feuchten Gruft unter Marmorstein oder Schieferfindling steigt. Auch im Landkreis Ebersberg, wie Nussrainer berichtet.

Für die letzte Ruhe ohne Sarg: Der Bestattungsgarten in Poing. (Foto: Christian Endt)

Zwar liege der Anteil ungewöhnlicher letzter Ruhestätten im bundesweiten Vergleich noch im einstelligen Bereich, das Gros der Bestattungen finde bisher ganz traditionell in der geweihten Erde eines Friedhofs statt, berichtet die Pressesprecherin des Bundesverbands Deutscher Bestatter Elke Herrnberger. "Doch die Individualisierungstendenzen sehen wir", - von der Wind- über die Wald- bis hin zur Diamantbestattung, "die Wünsche sind alle da".

Die für eine langjährige Grabbelegung anfallenden Kosten sind dabei gar nicht unbedingt das ausschlagende Argument für die Suche nach Alternativen, auch wenn etwa die Gemeinde Poing ihrer relativ niedrigen Friedhofsgebühren wegen satzungsmäßig verankert hat, dass keine Vorbuchungen angenommen werden. So will man verhindern, dass Bürger, die nur vorübergehend in Poing wohnen, diesen Vorteil ausnutzen und langjährigen Gemeindeeinwohnern den Platz wegnehmen.

In Poing gibt es eine Urnenwand. (Foto: Christian Endt)

Der Friedhof der zuzugstarken Kommune müsse ohnehin bereits erweitert werden, berichtet Standesbeamtin Renate Karisch, und das ausschließlich um Urnengräber. Auch die klassische Beerdigung habe sich ja im Gegensatz zu früher verändert, sagt sie, "vor 30 Jahren war ein Urnengrab noch die totale Ausnahme", die Einäscherung inzwischen aber fast schon die Regel.

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Und für alternative Ruhestätten ohnehin ein Muss: Ins Baumgrab - wie es etwa in Ebersberg seit 2015 möglich ist - oder ins Bestattungsfeld unter einer Blumenwiese wie in Poing darf nur eine Urne. Der Quadratmeter Wiese kostet 700 Euro für zwölf Jahre und damit sogar geringfügig mehr als ein klassisches Urnengrab. Dafür kümmere sich die Friedhofsverwaltung aber auch um die Pflege des Felds, so Standesbeamtin Karisch.

Im Unterschied zum klassischen Grab dürfe hier, erklärt sie, nur ein organisch abbaubares Behältnis gewählt werden, weil es nicht vorgesehen sei, die Überreste eines Verstorbenen noch einmal umzubetten. Auch eine Verlängerung der Ruhezeit sei nicht möglich. Nach zwölf Jahren könne der Platz neu verwendet werden. In Poing wird es aber trotz steigender Nachfrage wohl noch eine Weile dauern, bis das nötig wird. Von 281 Grabstätten im Bestattungsfeld sind knapp 60 belegt, das Feld existiert seit drei Jahren.

Auch im Wurzelwerk von Beerdigungsbäumen wie sie im Ebersberger Friedhof stehen, dürfen nur Urnen versenkt werden, die sich mit der Zeit auflösen. Familien oder Ehepartner werden so gewissermaßen im Tode gemeinsam zur Nahrung für den Baum. Angenommen werde, so ist aus dem Standesamt zu erfahren, auch diese Bestattungsmöglichkeit gut. Nicht zu verwechseln ist sie allerdings mit der Waldbestattung im Friedwald oder Ruheforst, bei der die Urnen mit der Totenasche in einem eigens gewidmeten, aber nicht geweihten Wald vergraben werden.

"Viele sagen ja heute, ich habe mit der Kirche nichts mehr zu tun, die Austritte werden immer mehr, daher wollen sie auch keine friedhofsgebundene Beerdigung mehr", erklärt Nussrainer. So würden immer mehr Beisetzungen ohne kirchliche Begleitung abgehalten, "die Pfarrer kriegen das nur noch mit, wenn der Verstorbene Mitglied in der Kirche war". Katholisch genug aber sind die Deutschen immer noch, um den Bestand der klassischen Friedhöfe muss man wohl nicht fürchten, im Landkreis Ebersberg schon gar nicht.

Einen Friedwald gibt es hier nicht, der nächstgelegene sei in Dietramszell, so der Bestattermeister. Im Gegensatz zum Wald, wo die Grabstätte in der Regel gar nicht oder kaum gekennzeichnet sei, wisse man bei der Baumbestattung im Friedhof ganz genau, wo ein Toter liege. Die Angehörigen sparen sich allerdings die Grabpflege - was allerdings meistens, so Herrnberger, mehr dem Wunsch des Verstorbenen entspreche, der seinen Kindern oder seinem Lebenspartner nicht im Nachhinein zur Last fallen wolle, weil ständig frische Blumen gepflanzt oder die Friedhofsgebühren bezahlt sein müssen.

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Tatsächlich gebe es einen Trend zur "Pflegefreiheit" bei Gräbern, aber ganz ohne Grabstätte fehle den Angehörigen der Ort zum Trauern, was für den Verarbeitungsprozess wichtig sei. "Der Wille des Verstorbenen sollte Maß und Mitte sein, aber Sie sterben auch für die Hinterbliebenen."

Die Zukunft der Bestattungsunternehmen jedenfalls ist auch gesichert, wenn der Trend zur alternativen letzten Ruhestätte anhält. Sämtliche Formalitäten, die mit dem Ableben nötig werden, von der Abholung des Leichnams über die Hygienebehandlung, die Einäscherung, Sarglegung oder Aufbahrung sowie die Beibringung der Papiere für die Beisetzung, werden weiterhin in der Hand der Institute liegen.

Sie kennen die Fristen und die Gebührensatzungen der Friedhöfe, "sie können auch mal einen ortsfremden Friedhof anfragen, ob ein Verstorbener dort beerdigt werden kann", erklärt Herrnberger. Das Teuerste an einer Beerdigung seien ja in der Regel nicht die Dienstleistungen des Bestatters, sondern die Friedhofsgebühren, die bis zu 80 Prozent ausmachen könnten. "Es lohnt sich, zu vergleichen", sagt sie. Um mehrere 1000 Euro könne etwa der Preis für eine klassische Grabstelle variieren.

Derjenige, dem Geld völlig egal ist, der kann sich selbst oder seine Liebsten einfach ins All schicken, auch das geht - in Russland oder in den Vereinigten Staaten. Wer es bodenständiger mag, kann sich in der Schweiz auf einer Almwiese verstreuen oder einen Teil seiner Asche zu einem Diamanten verarbeiten lassen. Letzteres ist auch nicht billig, geht nur im Ausland und birgt ein gewisses Risiko: Das gute Stück unterliege "streng genommen auch der Friedhofspflicht, könnte also eigentlich in der Erde versenkt werden müssen", so Herrnberger. "Aber wo kein Richter, da kein Henker. Mir ist jedenfalls kein solcher Fall bekannt."

© SZ vom 30.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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