Arbeitskräfte im Landkreis:Jung, motiviert, geflüchtet

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In der Schreinerei von Johannes Rumpfinger (links) in Hohenlinden arbeitet seit 2016 auch Okechukwu-Solomon Ogwumike aus Nigeria. Der Chef hat nicht nur die Sprachkurse organisiert, er hat seinen Mitarbeiter auch vor der Abschiebung bewahrt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In vielen Fällen setzen Betriebe im Landkreis Ebersberg auf die Beschäftigung von Geflüchteten. Dass es dabei nicht immer rund läuft, wissen die Arbeitgeber selbst am besten. Von Sprachdefiziten, Wohnungsnot und behördlichen Hindernissen.

Von Saladin Salem, Ebersberg

Die Jobcenter werben, die Betriebe suchen nach Arbeitskräften: Spätestens seit 2015 spielt die Integration von Geflüchteten auch im Landkreis Ebersberg eine große Rolle. Mehrere Unternehmen in der Region setzen darauf, Menschen mit Fluchthintergrund einstellen zu können, besonders, da neues Personal häufig nur schwer zu finden ist. Allerdings erschweren besonders die Behördengänge einigen Arbeitgebern die Beschäftigung von Geflüchteten, ganz abgesehen von der angespannten Wohnraumsituation im Landkreis.

Dennoch sei Migration für Deutschland einfach "notwendig", findet Martin Freundl, Bäckermeister aus Ebersberg. In seiner 86-köpfigen Belegschaft finden sich aktuell sieben Menschen mit Fluchthintergrund wieder. "Wir könnten ohne diese Zuwanderer unsere Aufträge nicht erfüllen", erzählt Freundl. Die Geflüchteten in seinem Betrieb stammten fast ausschließlich aus Afghanistan und dessen Nachbarstaaten, 2016 begannen die ersten ihre Ausbildung. Die Mitarbeiter seien motiviert und der Arbeitskräftemangel lasse sich ohnehin nur mithilfe der Migration lösen. An Freundl geraten die Geflüchteten aber häufig nur über "Mundpropaganda", wie der Bäcker erklärt. Kollegen würden bei Freunden oder Bekannten werben, dann müsse man klären: Gibt es eine Arbeitserlaubnis? Eine Aufenthaltsperspektive? In einem knappen Praktikum zeigt sich schließlich, ob jemand für die Arbeit in der Bäckerei Freundl geeignet sei.

Angespannter Wohnungsmarkt erschwert Suche nach neuem Personal

"Im Grund bin ich der heimliche Fan von diesen Menschen." Dennoch bringe die Beschäftigung von Geflüchteten auch Schwierigkeiten mit sich, sagt Freundl. "Oft ist die Schulbildung im Heimatland auf der Strecke geblieben." Meist seien die Deutschkenntnisse noch zu schwach. Deshalb müssten diese "jungen und motivierten" Menschen so gefördert werden, dass sie in der Lage sind, eine Ausbildung zu absolvieren. Da brauche es mehr Investition von staatlicher Seite, so Freundl. Abgesehen von den Fertigkeiten der Geflüchteten stellt sich darüber hinaus noch die Frage nach der Unterbringung. Es sei "Chefsache", diese Menschen zu unterstützen, allein bei Alltagsproblemen, wie etwa dem Verstehen des Stromvertrags. Der Wohnungsmarkt habe aber seine Grenzen, betont Freundl. Noch habe man für jeden eine Bleibe finden können, aber werde dieses Problem nicht gelöst, erschwere das die Beschäftigung zusätzlich.

Martin Freundl sagt, es sei "Chefsache", die jungen Leute auch bei Alltagsproblemen zu unterstützen. (Foto: Korbinian Eisenberger)

Gerade im Bäckerbetrieb müssten die Beschäftigten auch nachts arbeiten. Für jemanden, der etwa in einer Sammelunterkunft lebt und tagsüber keine Ruhe bekommt, gestalte sich das schwierig, erklärt der Bäckermeister. "Wenn ich bei Menschen eine Bereitschaft finde, für uns und unsere Ziele zu arbeiten, dann muss ich auch schauen, dass sie sich integrieren können - ansonsten ist es nicht nachhaltig", erläutert Freundl.

Schwieriger als das Deutschlernen sei oft der Umgang mit den Ausländerbehörden

Ähnlich empfindet auch Johannes Rumpfinger. Seit 2016 beschäftigt er Okechukwu-Solomon Ogwumike aus Nigeria in seiner Schreinerei in Hohenlinden. Mit seiner Arbeit ist Rumpfinger sehr zufrieden, am meisten habe ihnen am Anfang die Sprache Probleme bereitet, das habe sich nun aber gelegt. In den vergangenen zwei Jahren wurde intensiv in die Deutschkenntnisse der Arbeitskraft investiert.

Den Spracherwerb hat der Betrieb selbst organisiert, einen Lehrer engagiert, ohne Zutun von Jobcenter oder Arbeitsagentur, erzählt Rumpfinger. "Das geht so schneller", erzählt der Unternehmer. Andernfalls hätte sein Mitarbeiter viel Zeit in großen Klassen mit dutzenden anderen Lernenden verbracht. Den Kontakt zu dem Mann fand Rumpfinger 2016 über einen Arbeitskreis, der sich in Hohenlinden um die Integration von Geflüchteten kümmerte. Nun sei der Mann zwar über Jahre im Team und eingelernt, das größte Hemmnis für Unternehmen sei aber am Ende "der Kampf mit der Ausländerbehörde, um die Mitarbeiter zu halten".

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Fast alle Nigerianer würden schlussendlich einen negativen Asylbescheid erhalten, erklärt Rumpfinger. "Wenn jemand dann ausfällt, ist es schwierig Ersatz zu finden. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt, und das verstehen die Behörden nicht." Auch sein Mitarbeiter sollte im vergangenen Jahr abgeschoben werden, erinnert sich der Unternehmer. Dass es schließlich nicht dazu kam, liege wohl nur daran, dass er sich als Arbeitgeber für ihn eingesetzt und zu wichtigen Terminen auf der Ausländerbehörde begleitet habe, glaubt er. Das sei nur mit "extremem Nachdruck" seitens des Arbeitgebers möglich gewesen. Unternehmen bei Fachkräftemangel solche Steine in den Weg zu legen, sei nichts anders als eine "Schwächung der heimischen Wirtschaft", sagt Rumpfinger. Der Austausch mit dem Jobcenter laufe zwar gut, aber es brauche eine bessere Schnittstelle mit der Ausländerbehörde, so Rumpfinger, und ein Verständnis dafür, was in der Wirtschaft passiert.

Jobcenter beobachtet konstant hohe Integrationsbereitschaft

Aus dem Jobcenter Ebersberg heißt es, grundsätzlich gebe es seit 2015 "sehr gute Integrationsergebnisse". Dies sei sowohl durch den guten Arbeitsmarkt, als auch durch die konstant hohe Integrationsbereitschaft der Geflüchteten zu begründen. Viele wollten sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen, dazu gehöre auch ein Arbeitsplatz. Derzeit würden im Jobcenter Ebersberg rund "600 erwerbsfähige Geflüchtete aus der Ukraine und rund 220 erwerbsfähige Geflüchtete aus den häufigsten Herkunftsländern" betreut.

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Wie lange es dauere, bis ein Mensch mit Fluchthintergrund eine Beschäftigung findet, sei allerdings nicht pauschal zu beantworten, auch das Jobcenter verweist hier auf den Spracherwerb. Entscheidend sei die Anzahl an zur Verfügung stehenden Integrationssprachkursen wie auch der Einzelfall. Auch die Mobilität könne von Fall zu Fall eine Hürde darstellen, da viele Geflüchtete auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen seien, was etwa die Arbeit im Schichtdienst erschwere.

Mehr noch als Hilfskräfte braucht es Facharbeitskräfte

Ohne die Geflüchteten geht es aber letztendlich nicht, meint Ebersbergs Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger. "Jeden, der eine Ausbildung machen will, nehmen wir mit Handkuss", so Schwaiger. Es würden sich nicht genug angehende Fachkräfte unter den deutschen Jugendlichen finden. Dennoch sei die Thematik nicht so simpel: "Wir brauchen sie sicherlich, aber nur, wenn sie bereit sind auch Leistung zu bringen." Reine Hilfskräfte reichten nicht aus, es brauche Facharbeitskräfte, sagt der Kreishandwerksmeister. Der Wissensstand der jungen Menschen sei ein Problem und der Abschluss an der Berufsschule nicht ganz einfach, ganz abgesehen von den fehlenden Wohnungen. Es habe im Handwerk auch immer wieder Abbrecher gegeben, mittlerweile seien die Erfahrungen aber gut, viele Betriebe würden ohne die Geflüchteten nicht klarkommen, so Schwaiger.

Sonja Ziegltrum beschäftigt mehrere Geflüchtete in ihrem Betrieb. (Foto: Christian Endt)

Sonja Ziegltrum, Geschäftsführerin der Bayerischen Blumen Zentrale in Parsdorf, beschäftigt bei sich bereits seit mehreren Jahren Menschen mit Fluchthintergrund. Die meisten von ihnen seien über Bekannte zu ihnen gekommen. Helferkreise würden Unterstützung bei der Arbeitssuche und Bürokratie leisten. "Übers Jobcenter ist noch keiner gekommen", so Ziegltrum. Dabei bemühten sich vor allem Mittelständler um die Arbeitskräfte, sagt sie, da neues Personal nicht mehr so einfach zu kriegen sei. Schön wäre es, wenn die Helferkreise etwas entlastet würden. Es gebe zwar von behördlicher Seite Integrations- oder Deutschkurse, die Arbeitsvermittlung funktioniere aber weniger gut, so ihr Eindruck. "Die Helferkreise sind da aktiver." Dass sich Betriebe vor allem über eigene Initiative und Kontakte nach Arbeitskräften umhören, ist dabei nicht ungewöhnlich, so auch bei Rumpfinger und Freundl. Die Hürden, um das neue Personal langfristig beschäftigen zu können, scheinen dabei allerdings immer noch hoch.

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