Fachkräftemangel:Kaum jemand will Bademeister werden

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Claudio Minicuta ist bereits Rettungsschwimmer, im Grafinger Freibad macht er nun eine Ausbildung zum Fachangestellten für Badebetriebe. Dazu gehört auch der Umgang mit speziellen Geräten, wie dem Beckensauger, der sich um die Hinterlassenschaften der Schwimmer kümmert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Landkreis Ebersberg fehlt Fachpersonal in den Bädern, weil der Beruf als unattraktiv gilt. Ein junger Mann in Grafing will nun trotzdem die Ausbildung antreten.

Von Clara Lipkowski, Grafing

Wenn an Spitzentagen bei 30 Grad und mehr bis zu 3000 Gäste ins Grafinger Freibad kommen, haben die Bademeister am Beckenrand allerhand zu tun. Gut sichtbar in Baywatch-rot-leuchtenden T-Shirts wachen sie hoch konzentriert über die Schwimmer. Gerät jemand in Not, muss es schnell gehen.

Die meist vier Kollegen müssen aber auch darauf achten, dass alle die Regeln einhalten. Manchmal heißt das, Eltern zu ermahnen, nicht den Dreijährigen auf die Rutsche für Sechsjährige zu lassen - schließlich offiziell kein Spielplatz, sondern ein Sportgerät. Oft verarzten sie auch Schnittverletzungen von Jugendlichen oder kühlen Beulen.

Während es in Grafing zurzeit oft stressig wird, bleibt das Hallenbad Ebersberg im Sommer geschlossen - weil das dortige Personal im Freibad geordert wurde. Dass sich daran bald etwas ändert, ist nicht abzusehen: Im Landkreis Ebersberg sind Bademeister knapp. Auch die anderen Hallenbäder schließen im Sommer - zwar auch wegen der geringeren Gästezahlen und weil Reparaturen anstehen, aber auch weil die Bademeister ihren Jahresurlaub nehmen und Ersatzpersonal gar nicht bereitstünde.

Mal arbeiten die Bäder mit einer Vollzeitstelle, wie in Vaterstetten. Dort hilft man sich mit einer ungelernten Zusatzkraft. Mal sind, wie in Markt Schwaben, zwei Vollzeitstellen besetzt. Ist Not am Mann, hilft auch mal eine Nachbargemeinde aus. Das Problem: Die Stellen sind bereits knapp und gleichzeitig machen junge Menschen immer seltener eine Ausbildung zu Fachangestellten für Bäderbetriebe, wie der Beruf offiziell heißt.

Nicht fotografieren, Kinder dürfen erst ab sechs Jahren auf die Rutsche und Springen vom Beckenrand ist verboten: Zur Arbeit der Grafinger Bademeister gehört auch, den Besuchern die Regeln zu erklären. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

In Grafing hilft man sich deswegen mit Quereinsteigern: Wer Erfahrung in der Branche hat, kann die Ausbildung verkürzen. Claudio Minicuta, 25, ist so ein Quereinsteiger. Er war eigentlich Reinigungskraft im Hallenbad Markt Schwaben. Irgendwann wollte er mehr, sagt er, er machte einen Rettungsschwimmerschein. Eine feste Stelle gab es nicht, aber nach Grafing konnte er vor eineinhalb Jahren wechseln. Dort bewarb er sich für die Lehre.

Zurzeit hilft er dort als Rettungsschwimmer aus und bei allem, was sonst anfällt. An einem Freitagnachmittag im August ist das Freibad ausnahmsweise leer - es ist bewölkt und knapp 20 Grad kühl. Minicuta kniet sich an den Beckenrand, lässt eine kleine Maschine ins Wasser gleiten und sagt: "Jetzt erledigen wir, was wir nicht schaffen, wenn es voll ist." Das Gerät saugt nun am Boden des Beckens Dreck und Sand auf.

Minicuta hat an dem Tag schon Kaugummi von den Gehwegen gekratzt und Erdlöcher auf den Liegewiesen gefüllt. Wenn er von November an in die Lehre geht, wird er technische und chemische Details des Berufs lernen, etwa welcher Chlorgehalt im Wasser der richtige ist und welche Pumpen wie funktionieren.

Mit seiner Vorerfahrung wird er statt drei Jahre nur neun Monate lernen. Nach der Gesellenprüfung kann er den Schwimmmeister machen. Ob Meister oder nicht, die Grafinger hoffen, dass sich mit ihm die Personalsituation wenigstens nicht weiter zuspitzt.

"Wer will denn am Samstag und Sonntag im Sommer arbeiten?"

Aber warum ist es so schwierig, Nachwuchs zu finden? Gegenfrage von Fred Stautner, Schwimmmeister in Grafing: "Wer will denn am Samstag und Sonntag im Sommer arbeiten? Und wer will denn zehn Stunden am Beckenrand stehen und Leuten erklären, was sie nicht dürfen?" Er ist froh, dass Minicuta da ist, denn bald hört nach 40 Jahren auch noch der Kollege Gerd Weber auf. Sofortiger Ersatz? Nicht in Sicht. Er ist verärgert: "Der Markt ist leer!"

Jürgen Puls ist Betriebsleiter der Bäder in Ebersberg und Glonn, nach Ebersberg wechselte er erst vor Kurzem - auch dort fehlt Personal, dank ihm kann das Bad nun wenigstens für Vereine und Schulen öffnen. Seine Stelle im Kirchseeoner Bad hat er aufgegeben, die Marktgemeinde sucht nun Ersatz.

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Puls erinnert sich an einen Azubi, der hingeschmissen hat, weil es ihm zu anstrengend wurde. "Die jungen Leute wollen Freizeit." Aber das Nachwuchsproblem sei vielschichtiger, sagt der Schwimmlehrer. Die Bezahlung - oft weit unter 3000 Euro brutto für Schwimmmeister - stimme nicht, gemessen an der Belastung. Die Ballungsraumzulage von 150 Euro sei gut, helfe aber nur bedingt. "Wenn man eine Wohnung gefunden hat, braucht man ja noch Geld zum Leben."

Und da ist die Verantwortung. Die Gefahr, dass ein Mensch ertrinkt. "Wenn es soweit kommt, dass wir jemanden retten müssen und das vielleicht nicht klappt, müssen wir irgendwie damit klarkommen", sagt Puls. Viele junge Leute schrecke genau das ab.

Dass der Job nicht nur gute Seiten hat, ist Minicuta klar, ihn nervt manchmal, dass er Leuten immer wieder die gleichen Regeln erklären muss, das mit der Rutsche für Sechsjährige etwa. Dass Altersgenossen keine Lust auf den Job haben, ist ihm trotzdem ein Rätsel.

Die Bezahlung sei "okay" und für Überstunden gebe es Ausgleichstage. "Man macht jeden Tag etwas anderes. Wir haben mit unterschiedlichen Menschen zu tun und im Sommer ist man viel draußen. Ich finde das gut."

Die Frage der Verantwortung stelle er sich natürlich auch, sagt er. Noch ist nichts passiert, aber vor Kurzem rettete seine Kollegin einen Dreijährigen. Er war seiner Mutter entwischt, ohne Schwimmflügel gerutscht und im tiefen Wasser untergegangen.

Um für den Ernstfall fit zu sein, zieht Minicuta oft in der Früh seine Bahnen. Mit den Kollegen tauscht er sich viel aus. Er überlegt kurz. Dann sagt er: "Nein, ich habe keine Angst davor, zu springen. Im Gegenteil, ich würde das gerne machen."

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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