Drogenpolitik im Rathaus:Kommt nicht in die Tüte

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Ein Teilnehmer einer Kundgebung des Deutschen Hanfverbandes zieht Anfang Mai während einer Kundgebung auf dem Stachus in München an einer Zigarette. Zahlreiche Cannabis-Konsumenten und -befürworter demonstrierten gegen ihre Kriminalisierung. (Foto: dpa)
  • Die schwarz-rote Stadtratsmehrheit hat in der Cannabis-Debatte erst einmal eine abwartende Rolle eingenommen. Sie will sehen, wie andere Städte agieren.
  • Die Opposition zeigte sich entsetzt: Im Gesundheitsausschuss plädierte sie leidenschaftlich für Joints und Haschplätzchen.

Von Dominik Hutter, München

Im Volksmund heißen sie schon Coffee-Shops: die legalen Cannabis-Verkaufsstellen, mit denen Berlin die Drogenszene im Görlitzer Park bekämpfen will. Köln und Dresden, aber auch Regensburg und Würzburg wollen sogenannte Cannabis Social Clubs zulassen, in denen die Kiffer gemeinsam und legal ihren Stoff anbauen. In Spanien existieren schon 400 solcher Clubs. Im Bundestag gibt es eine parteiübergreifende Initiative für eine kontrollierte Abgabe von Haschisch und Marihuana. Die Legalize-It-Debatte hat ein Stadium erreicht, an dem die alten Hippies wohl ihre Freude hätten.

München dagegen hat sich für die Zuschauerrolle entschieden: Erst einmal abwarten, was die anderen machen - diese Haltung hat die schwarz-rote Stadtratsmehrheit nun dem Rathaus verordnet. Zum Entsetzen fast der ganzen Opposition, die am Mittwoch im Gesundheitsausschuss leidenschaftlich für Joints und Haschplätzchen plädierte. Der frühere Wissenschaftsminister und jetzige FDP-Stadtrat Wolfgang Heubisch ist überzeugt: "Die Zeit ist reif - in Deutschland und auch in München." Die Republik stehe vor einer Neubewertung des Cannabiskonsums. Zumindest zu einem Modellversuch müsse sich die Stadt doch erbarmen können.

Konsum zu wissenschaftlichen Zwecken ist erlaubt

Denn ohne den geht es nicht: Das Betäubungsmittelgesetz lässt Cannabisgärtnern und -rauchen nicht zu. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann aber eine Ausnahmegenehmigung herausrücken, wenn der Konsum wissenschaftlichen Zwecken dient oder im öffentlichen Interesse ist. Darauf setzen Städte wie Berlin oder Köln. Noch aber liegt ein solches Papier nicht vor. Und das Veto gegen ein ähnliches Projekt in Schleswig-Holstein legt nahe, dass das Bundesinstitut es den Kiffern nicht allzu leicht machen wird.

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Der scheidende Gesundheitsreferent Joachim Lorenz (Grüne) schätzt die Erfolgsaussichten für ein Modellprojekt dennoch als "nicht so gering" ein; die rigide Haltung des Instituts sei umstritten. Eine eigene Münchner Initiative schlug er nicht vor. Man wolle sich aber weiterhin an der Legalisierungsdebatte beteiligen. Für die CSU war das schon zu viel. Der Stadtrat sei nicht für die Legalisierung von Cannabis zuständig, betonte CSU-Gesundheitssprecher Hans Theiss und strich mit Unterstützung der SPD das Wort "Legalisierung" aus dem Beschlussentwurf. Jetzt darf München nur noch mitdiskutieren - ohne jede Präferenz. "Wir wollen keine Richtung vorgeben", sagte Theiss. Das Ganze dürfe nicht ideologisch hochgehängt werden.

"Inhumane und rücksichtslose Suchtpolitik"

Die Grünen kochten ob dieser Unentschlossenheit der Koalition. Man könne doch nicht einfach die Augen vor der Realität verschließen, wetterte Stadträtin Lydia Dietrich. Es gehe um "Hilfe statt Strafe", in Bayern gebe es eine "inhumane und rücksichtslose Suchtpolitik". Ihr Antrag, gemeinsam mit anderen Vorreiterstädten auf Bundesebene Cannabis Social Clubs durchzusetzen, scheiterte ebenso wie Heubischs Initiative, es im Alleingang mit einem Modellversuch zu probieren. "Entschieden zu viel Kreide gefressen" hätten CSU und SPD mit ihrer "unpolitischen Haltung", wunderte sich Linken-Stadträtin Brigitte Wolf, die die Liberalisierungsdebatte für ein wichtiges politische Thema hält. Sonst sei die Stadt bei Bundesthemen ja auch nicht so zimperlich.

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SPD-Mann Ingo Mittermaier hingegen sieht das Ganze pragmatisch: Wenn es schon in Schleswig-Holstein nicht klappt mit dem legalen Kiffen, bestehe im strengen Bayern erst recht keine Chance. Zumal man ja noch gar nicht wisse, wie der neue Gesundheitsreferent über die ganze Sache denke. Den darf schließlich die CSU vorschlagen.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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