Neue psychoaktive Stoffe:1,2 Tonnen Drogen im Küchenmixer hergestellt

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Das sogenannte Fake-Haschisch in bunten Tütchen ist eine psychoaktive Substanz, die so gefährlich ist, dass die Produzenten sie nicht anrühren. (Foto: Robert Haas)
  • Die Polizei ermittelt insgesamt gegen 42 Personen, die einem Händlerring für sogenannte "Neue psychoaktive Stoffe" (NpS) angehört haben sollen.
  • NpS werden chemisch hergestellt und haben oft eine stärkere Wirkung als herkömmliche Drogen.
  • Innerhalb von eineinhalb Jahren wurden 1,2 Tonnen Drogen produziert, damit soll ein Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro zusammengekommen sein.

Von Fridolin Skala

"Ihr werdet noch sehen, ich werde mal ein ganz Großer", verkündete 2013 ein junger Mann in Ansbach großspurig, nachdem er wegen Drogendelikten zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Er sollte Recht behalten. Denn heute sitzt der 32 Jahre alte Wahl-Münchner als Hauptbeschuldigter im deutschlandweit größten Ermittlungsverfahren gegen einen Händlerring für "Neue psychoaktive Stoffe" (NpS) in Untersuchungshaft. Das berichteten am Donnerstag im Landeskriminalamt (LKA) Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und LKA-Präsident Robert Heimberger zusammen mit dem LKA-Dezernatsleiter für Rauschgiftdelikte Jörg Beyser und dem zuständigen Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger auf einer Pressekonferenz.

Der Mann hatte nachweislich von November 2016 bis März 2018 über 1,2 Tonnen Drogen produziert und in mehr als 30 Online-Shops an über 20 000 Kunden im In- und Ausland verkauft. "Das sprengt die bisherigen Dimensionen in dem Bereich, was das Ausmaß und die Arbeitsteilung der Gruppe angeht", sagte Dezernatsleiter Beyser. Denn der 32-Jährige hatte Helfer. Zwar habe er in Mietswohnungen in München und Dinkelsbühl die Substanzen hergestellt. Um Vertrieb, Technik- und Kundensupport sowie Geldwäsche hätten sich andere gekümmert. Die Ermittlungen richten sich insgesamt gegen 42 Personen.

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"Für die Produktion hat er Damianakraut als Träger mit einem Lösungsmittel befeuchtet, das Ganze dann mit den chemischen Wirkstoffen in einer Küchenmaschine gemixt, in der Mikrowelle getrocknet und dann zu Fake-Haschisch-Blöcken gepresst", erklärt Walter Bogenreuther, der als Leiter des Kriminalpolizeiinspektion Ansbach an den Ermittlungen beteiligt war. Als Post-Päckchen sei das Fake-Haschisch dann an Umverpacker geschickt worden. Die füllten die Drogen in kleine bunte Tütchen mit Aufschriften wie ButterFLY oder SexyMonkey und schickten sie per Post an die Kunden. Die wiederum bezahlten rund 25 Euro pro Tüte per Nachnahme direkt beim Postboten. Dezernatsleiter Beyser sagte, dass anschließend Finanzagenten die Zahlungen auf über 100 Konten gewaschen hätten. Innerhalb von knapp eineinhalb Jahren seien so mehr als zehn Millionen Euro umgesetzt worden.

Als NpS gelten chemisch hergestellte, berauschende Wirkstoffe, die in den vergangenen Jahren in Mode gekommen sind und eine vielfach stärkere Wirkung haben als herkömmliche Drogen. Innenminister Herrmann warnte deshalb vor den bunten Tütchen: "Die Substanzen kommen mit harmlosen Bezeichnungen wie ,Kräutermischung' daher. Die Hersteller ändern aber ständig die Rezepturen, um gesetzliche Bestimmungen zu umgehen." So könne von einem auf den anderen Tag in Produkten ein viel gefährlicherer Wirkstoff enthalten sein, ohne dass dies für die Konsumenten ersichtlich sei. "Da können selbst Kleinstmengen im Milligrammbereich tödlich sein", sagte Herrmann. Ihm zufolge sind in den vergangenen drei Jahren allein in Bayern 85 meist junge Menschen am NpS-Konsum gestorben. Oberstaatsanwalt Schrotberger ergänzt, dass selbst dem Hauptverdächtigen der Konsum zu gefährlich gewesen sei. Er habe gesagt, er sei nicht so blöd, das Zeug einzunehmen.

Stattdessen verdiente der offiziell arbeitslose 32-Jährige nach eigenen Angaben pro Monat über 60 000 Euro und führte ein Luxusleben. Das hätte er beinahe auch weiter gehabt, so Schrotberger. Doch als in Nordrhein-Westfalen Drogensendungen aufgefallen seien, deren Absender aus dem Raum Ansbach stammte, erinnerte sich dort ein Kriminalpolizist an die großspurigen Worte des jungen Drogenhändlers von 2013. So sei man dem Mann auf die Schliche gekommen.

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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