Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:Dieselfahrverbot: Dicke Luft im Gerichtssaal

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Dichter Verkehr am frühen Abend auf dem Mittleren Ring in München. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat nach vielen kritischen Fragen an die Stadt München ein Urteil zur Verschärfung des Dieselfahrverbots um eine Woche vertagt - weil ein Gutachten mit zum Teil schärferen Szenarien nicht vorlag.

Von Andreas Schubert

Ob die Stadt München bald die Stufe zwei des Dieselfahrverbots zünden oder noch weitergehende Maßnahmen ergreifen muss, ist wieder offen. Fest steht: Sie muss etwas unternehmen, damit die Luft sauberer wird.

Am Donnerstag hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) gegen die Landeshauptstadt auf Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) verhandelt. Ein Urteil soll kommenden Donnerstag, 21. März, bekannt gegeben werden. Dass die Entscheidung vertagt wurde, liegt an einem fehlenden Gutachten des Landesamts für Umwelt, das als Entwurf zwar bereits existiert, dem Gericht und den Klägern allerdings nur in einer Zusammenfassung vorlag. Das mehr als 40 Seiten lange Dokument beschäftigt sich mit weiteren Maßnahmen für das Jahr 2024 und darüber hinaus. Es soll vor der Urteilsverkündung nachgereicht werden.

In dem Papier sind mehrere Szenarien zur Luftreinhaltung aufgelistet, unter anderem könnte die Stadt auch ein Streckenfahrverbot für Dieselautos auf dem Mittleren Ring zwischen Georg-Brauchle-Ring und der Autobahn A96 verhängen und dabei weniger Ausnahmen zulassen als bisher. Die verschiedenen Szenarien sehen unter anderem sowohl Verbote nur für Diesel-4 und schlechter als auch für Diesel-5 und schlechter vor, mit jeweils unterschiedlichen Mengen an Ausnahmen.

Doch zunächst ging es im Sitzungssaal um Vergangenheitsbewältigung: Die DUH und der VCD hatten zunächst gegen den Freistaat auf Einhaltung des Luftschadstoffgrenzwerts geklagt. Dann gab der Freistaat die Verantwortung für die Luftreinhaltung erst an die Bezirksregierungen, dann an die Kommunen ab. Die Landeshauptstadt hat den Rechtsstreit sozusagen geerbt. Ende 2022 einigten sich die Parteien auf ein Dieselfahrverbot, das in drei Stufen eingeführt werden sollte.

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Zahlreiche Ausnahmen, etwa für Anwohner, Pflegedienste oder Handwerker

Seit Februar 2023 gilt in der um den Mittleren Ring erweiterten Umweltzone ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4. Dabei gelten zahlreiche Ausnahmen, etwa für Anwohner, Pflegedienste oder Handwerker. Sollte der EU-Grenzwert für NO2 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft dennoch gerissen werden, sollte von Oktober an auch ein Fahrverbot für Euro-5-Diesel gelten, von April 2024 an sollte es Ausnahmen nur noch auf Antrag geben.

Eine Verschärfung der Regel setzte der Stadtrat allerdings mit einem Beschluss im September 2023 bis zum Mai dieses Jahres aus. DUH und VCD wollten das nicht hinnehmen und zogen erneut vor Gericht.

Bei der Verhandlung am Donnerstag mussten sich die Vertreter der Stadt einige kritische Detailfragen des Gerichts zu dieser Entscheidung anhören. Unter anderem ging es um die Prognose für die Schadstoffbelastung an der Landshuter Allee. Die sagte einen Jahresmittelwert von 41 Mikrogramm voraus, weshalb der Stadtrat eine Verschärfung des Fahrverbots als unverhältnismäßig ansah. Der tatsächliche Wert lag dann bei 45, also 12,5 Prozent über dem Grenzwert. Die Kläger nannten diese Prognose von Anfang an unrealistisch, dem schloss sich auch das Gericht an. Denn um den Grenzwert einzuhalten, hätte die Belastung von September bis Ende des Jahres bei maximal 34 Mikrogramm liegen dürfen.

Eine 300 Meter lange Busspur brachte fast keinen Effekt

Auch die Annahmen zur Zusammensetzung der Fahrzeugflotte überzeugten das Gericht nicht. Bei der Prognose ging die Stadt von einer "Münchner Flotte" aus, die aus moderneren und somit saubereren Autos besteht als im bundesweiten Durchschnitt. Die Einführung einer 300 Meter langen Busspur brachte fast keinen Effekt, außer dass der Verkehr drei Meter weiter weg von der Messstelle rollte, was sich auf das Messergebnis auswirkt. Ebenso wollte das Gericht genau wissen, wieso laut Prognose weniger Autos pro Tag unterwegs sein sollen: 113 000 statt wie noch ein Jahr zuvor 117 000. Ein Vertreter der Stadt erklärte, vorher habe man sich an der sogenannten Verkehrsmengenkarte 2022 der Landeshauptstadt orientiert, danach an neueren Messungen mittels Detektoren.

Es sind die Details, die für das Gericht wichtig für die Urteilsfindung sind, schließlich können mehrere kleine Maßnahmen zusammen die Schadstoffwerte nach unten drücken. Damit will sich das Gericht aber noch befassen. Dem Stadtrat soll das Dokument dann Ende April zur Entscheidung für weiteres Vorgehen vorgelegt werden.

Den Vorschlag der städtischen Vertretung an die Kläger, sich bis dahin gemeinsam mit der Vorlage zu befassen, dafür auf keinem Urteil zu bestehen, lehnte Klägeranwalt Remo Klinger ab. Nachdem der Stadtrat einen Vertrag gebrochen habe, vertraue er diesem nicht mehr.

Die Vorsitzende Richterin Gerda Zimmerer sagte zum Schluss, sie habe sich damals über den Vergleich gefreut. Nun hoffe sie, dass die Stadt zu einer guten Lösung komme.

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