Kotzhügel am Oktoberfest:Brüste, die das Display füllen

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Oben am Hang liegt eine Amerikanerin auf dem Rücken, ihre Brüste fallen fast aus dem Dirndl, der Rock ist bis zum Hintern hochgerutscht. Eine Gruppe Männer, sie sind so um die 40, sitzen in ihrer Nähe und freuen sich. Einer von ihnen hoppst die paar Meter zu ihr den Hang hinunter, Fluppe im Mund, Handy in der Hand. Er geht dann gerade so nah an sie heran, dass sie nicht aufwacht, lehnt sich vor und fotografiert ihren Ausschnitt. Zoomt noch ein bisschen, macht zu Sicherheit drei, vier Bilder und klettert zurück zu seinen Kumpels. Gemeinsam bestaunen sie die Brüste, die das Display füllen. Dann, er hat jetzt Mut gefasst, klettert er wieder runter, kuschelt sich an sie und macht ein paar Selfies zur Erinnerung. Es sind Fotos von ganz unten.

Selfie-Jäger grasen den ganzen Hügel nach Beute ab, legen sich neben alles, was bewusstlos scheint, und grinsen in die Kamera. Andere versuchen, Steinchen und Stöckchen in Ausschnitte zu werfen, und als sich eine Freundin später besorgt zu der Amerikanerin herunterbeugt, ruft ein Typ mit dem penetranten Hang zur Wiederholung: "Touch her boobs! Just fucking touch them!" Die Freude am Elend anderer - das ist es, was einen am Kotzhügel in den Abgrund blicken lässt.

Auch das gehört dazu: Momente des Mitgefühls

Am Fuße des Hangs riecht es stark nach Urin, die Schlange vor dem Klocontainer ist lang. Viele Männer gehen an die Rückseite, stellen sich dort in die Pfütze, um sie zu vergrößern. Auch hier liegen Menschen, wie ohnmächtig im Pissedunst.

Ein junger Amerikaner, er ist seit Mittag Dauergast am Hügel, scheint seine letzte Ruhestätte für den Tag gefunden zu haben. Ein Bein ist ungesund eingeknickt, ein Arm im Jackenärmel verheddert, die ehemals olivgrüne Hose, die Sneaker, die Jacke: gleichmäßig matschbraun verkrustet. Immer wieder schubsen ihn Leute an, vielleicht aus Sorge, vielleicht aus Neugier. Einer, die Hand gerade noch am urinierenden Gemächt, hält sie nun über den Mund des Fremden und prüft, ob er noch atmet. "He is definitely alive!" ruft er, es ist die ehrliche Freude eines Betrunkenen. Immerhin, auch das gehört zum Kotzhügel: kurze Momente des Mitgefühls.

Als es dunkel wird, leuchtet der ferne Turm des Kettenkarussells in Regenbogenfarben, auf dem Kotzhügel verblassen die karierten Hemden und Dirndl zu Grau. Ein paar der Briten sind zurückgekehrt, einer isst tatsächlich wieder Hendl. Und unten, im Schatten des Ahornbaums, verprügelt eine sehr betrunkene Frau mit wilden Hieben ihren Freund. Dann bricht sie weinend zusammen, fleht ihn an, mit gefalteten Händen wie zum Stoßgebet; es geht wohl um ihre Beziehung. Viele, die auf dem Weg nach Hause sind, bleiben stehen, zücken ihr Handy und machen sicherheitshalber ein Video.

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