Doppelpass-Projekt:Auf einer Reise zu sich selbst

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"Wo komme ich her?", fragt Judith Hummel (vorne Mitte) in ihrem filmisch-performativen Triptychon, in dem sie sich gemeinsam mit ihrer Mutter Margret auf jenen Weg gemacht hat, den ihre Großmutter zwischen 1944 und 1952 von Săcălaz in Rumänien bis nach Deutschland zurückgelegt hatte. Hier ein Filmstill von der ersten Etappe, Titel "Rumänien, Săcălaz, zu Hause, 2019". (Foto: Laura Kansy)

Im DG Kunstraum verbinden die Performerin Judith Hummel und die Malerin Esther Zahel ihr Suchen nach Wurzeln, Herkunft und Gemeinschaft.

Von Sabine Leucht

Den Raum muss man suchen, aber es lohnt sich. In ihm läuft der dritte von Judith Hummels Filmen in Endlosschleife: In "Wo komme ich her? - Etappe 3" begleitet die Kamerafrau Laura Kansy die Münchner Performerin und ihre Mutter Margret auf dem letzten Stück des Weges, den Judiths Großmutter Barbara zwischen 1944 und 1952 von Săcălaz in Rumänien bis nach Deutschland zurückgelegt hat. Es geht durch Österreich in diesem dokumentarischsten, direktesten Resultat der 2019 begonnenen performativen Recherche, zu Fuß, mit Rucksack und neun Fragen, die Träume, Versäumnisse und eine beneidenswert offene Mutter-Tochter-Beziehung zum Vorschein bringen. Teil 1 und 2 sind auch zu sehen in der Installation im DG Kunstraum, die noch bis 9. November Arbeiten von Hummel und der Malerin Esther Zahel in der Reihe "Doppelpass" zusammenbringt.

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Am 19. Oktober stellen die beiden den Ausstellungskatalog vor und ihre sich schwesterlich umarmenden, aber künstlerisch unterschiedlichen Herangehensweisen an einen Themenkomplex, den der Titel der Schau mit einem Zahel-Zitat umreißt: "Deine Hand auf meiner Schulter". Momente, in denen sich Menschen, Orte und Zeiten berühren und in denen man sich zu Hause fühlt: Die 1982 in Freiburg geborene Judith Hummel lockt sie mit Ritualen hervor wie dem Reiben von Ziegelsteinen zu Staub, den die Großmutter als Kind in ihrem Kaufladenspiel als Paprika verwendet hat. Sie geht den eigenen Wurzeln mit dem gehenden, tanzenden, sich aussetzenden Körper auf den Grund und klopft Menschen und Orte behutsam nach Erinnerungen und Emotionen ab. Scheitern inbegriffen, "Wir sind im Niemandsland. Was soll ich da spüren?", sagt Margret im Film.

Was man beim Anblick von Esther Zahels 2,50 Meter hohen Gemälden spürt, die die Ausstellung wie Stellwände strukturieren, hat viel mit einem selbst zu tun. Mit Zeichenkohle, Kreidestift und Acryl porträtiert die 23-jährige in Augsburg lebende und arbeitende Bildende Künstlerin menschenfreie Räume. Sie haben die flächige Anmutung kindlicher Filzstiftzeichnungen und tragen Titel mit Aufforderungscharakter - "Wir müssen mal reden" - oder verweisen auf Biografisches wie "Der Sauerteig meiner Schwiegermutter". Ihre Skizzenhaftigkeit und einzelne farbig hervorstechende Gegenstände stellen Fragen an den Besucher: Wie wäre es, das lesebereit daliegende Buch selbst in die Hand zu nehmen oder die blaue Tasse, deren Farbe nach dir ruft?

In ihrer Offenheit treffen sich die Arbeiten der beiden Künstlerinnen - und im Legen von Spuren. Die locken bei Hummel auch mit bunten Knöpfen auf die Empore oder via Audiotour in den Stadtraum. Und wie bei der Reise zu sich selbst lohnen sich mehrere Anläufe respektive Ausstellungsbesuche.

"Deine Hand auf meiner Schulter", bis 9. 11., DG Kunstraum, Wittelsbacher-Platz 2., Katalogvorstellung und Gespräch mit den Künstlerinnen, Do., 19. Oktober, 19 Uhr, Infos unter www.dg-kunstraum.de

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