Man soll nur für seine eigene Spezies sprechen. Die Falkenschreie vom Band, welche im Sommer 2014 zum ersten Mal durch den Pasinger Bahnhof schallten, zischten, zwitscherten, finden inzwischen kaum noch Gehör bei den Passanten. Nur wenige blicken sich noch verwundert um, unterbrechen ihr Gespräch. Wann hat man die Raubvogelrufe überhaupt zuletzt vernommen? Immerhin sechs Mal in der Stunde sollen sie aus den Bahn-Lautsprechern kommen.
Aber gibt es sie überhaupt noch? Oder wurde die Beschallung mangels Effekt eingestellt? Denn auch die Tauben, so scheint es, können das Geräusch ihres Erzfeindes mittlerweile entspannt ausblenden oder in ihren Pasinger Alltag integrieren.
Die Population jedenfalls scheint durch die akustische Bekämpfungsmaßnahme der DB nicht kleiner geworden zu sein. Warum sonst würden Gebäudeeigentümer am Bahnhof über die Verschmutzung durch Taubenkot klagen? Schaufenster, Werbeflächen, Tische und Sitzplätze seien verunreinigt. Der Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing hat ihre Beschwerden jetzt an die Bahn und die Stadt weitergetragen.
Ein Sprecher der DB Mobility Logistics AG verteidigt die Methode mit dem virtuellen Greifgekreische: "Die Falkenschreie vom Band zeigen durchaus Wirkung, einige Tauben lassen sich dadurch abschrecken, andere nicht. Als wir die Falkenschreie für mehrere Wochen eingestellt hatten, nahm die Zahl der Tauben wieder zu. Nach Wiedereinschalten der Schreie vom Band nahm die Taubenzahl signifikant wieder ab. Deshalb geht die Beschallung weiter."
Der Bezirksausschuss hatte sich speziell auch an das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) gewandt, weil der Pasinger Bahnhofsplatz zum Teil auch öffentliche Fläche ist. RGU-Sprecher Alois Maderspacher erläutert die Position und Praxis der Stadt: Von ein paar Ausnahmen abgesehen, fielen Stadttauben an sich nicht in die Zuständigkeit der Stadtverwaltung.
Ist ein Taubenhaus die Lösung?
Gefragt sei die Landeshauptstadt jedoch dann, wenn die Tiere in Kontakt mit Lebensmitteln kämen oder diese durch ihren Kot kontaminieren könnten. Er nennt da etwa Marktstände mit offenen Auslagen, Straßencafés und Freiluftrestaurants, "die stark von Tauben frequentiert werden".
Aus Gründen des Tierschutzes führe die Stadt allerdings keine Bekämpfung der Stadttauben durch. Lediglich in Einzelfällen als "flankierende Maßnahme" kämen der Fang oder Abschuss in Betracht, wenn Betriebsräume von Lebensmittelherstellern oder technischen Einrichtungen von Tauben heimgesucht würde.
Grundsätzlich sei die Haltung der Stadt, dass Aktionen gegen die Vögel nachhaltig sein müssten. Das Töten von Tieren in Außenbereichen sei dies in der Regel nicht und werde deswegen grundsätzlich nicht genehmigt. Alle anderen Angebote beziehungsweise Maßnahmen der Landeshauptstadt, betont Maderspacher, seien freiwillig: Zum Beispiel das allgemeine Fütterungsverbot für Stadttauben, die Möglichkeit, sich bei Bedarf auch vor Ort beraten zu lassen, bis hin zum Angebot, die Einrichtung und Betreuung von Taubenhäusern finanziell zu unterstützen.
Wäre ein Taubenhaus am Pasinger Bahnhof eine Lösung für das Taubenproblem? Es existiert bereits ein solches "betreutes Wohnen" für Tauben auf dem Dach des Hauptbahnhofs, weitere gibt es auf dem Großmarktareal, in der Studentenstadt Freimann, auf Brauereigebäuden oder im Fröttmaninger Stadion. In Taubenhäusern kann die Population kontrolliert werden, indem Eier gegen Attrappen ausgetauscht werden. Maderspacher zufolge würde die Stadt ein Taubenhaus am Pasinger Bahnhof unterstützen.
Der Kommentar des Bahn-Sprechers zum Thema Taubenhaus klingt reserviert: "Die Bahn wehrt sich nicht grundsätzlich gegen Taubenhäuser. Das Taubenhaus am Münchner Hauptbahnhof hat aber leider keinerlei positive Effekte gezeigt. Dort nisten die Tauben leider nicht im Taubenhaus, so dass auch keine Eier ausgetauscht und dadurch die Taubenpopulation vermindert werden kann." Voraussetzung für einen Versuch in Pasing wäre, dass das Taubenhaus nicht von Bahn-Mitarbeitern betreut werden müsste.
Dann ist da noch das Problem mit jenen Menschen, die glauben, Tauben füttern zu müssen. Stadt wie Bahn haben dazu eine klare Haltung, die lautet schlicht: Verboten! Bei der Bahn ist das Verbot durch die Hausordnung geregelt, in der Stadt gilt es seit 1996. Füttern kann demnach als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. 2013 wurden im Kreisverwaltungsreferat insgesamt 50 Anzeigen bearbeitet, die dortige Bußgeldstelle nimmt Anzeigen auch per E-Mail ( bussgeldstelle.kvr@muenchen.de) entgegen.