Pilotprojekt in Steinhausen:Die Bahn setzt auf den Inspektionsroboter

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Projekt gegen den Fachkräftemangel: Ein Unterboden-Inspektionroboter fährt auf dem S-Bahn-Werksgelände Steinhausen unter einen stehenden S-Bahn-Zug. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Mit Digitalisierung und Automatisierung soll die Wartung von Zügen bei der Deutschen Bahn künftig schneller und effektiver ablaufen. Das Personal wird, so weit es geht, von zeitraubenden Routinearbeiten entlastet.

Von Andreas Schubert

Langsam rollt das vier Meter lange, einem Schlitten ähnelnde Gerät unter die S-Bahn. Auf einem Bildschirm ist aus verschiedenen Kamera-Perspektiven der Unterbau des Zuges zu sehen, die Bilder werden gespeichert. Anhand der Aufnahmen können Mitarbeiter erkennen, ob zum Beispiel an den Laufwerken irgendetwas nicht stimmt. Irgendwann soll dann eine künstliche Intelligenz (KI) von selbst Fehler ausfindig und die Werkstatt vollautomatisch darauf aufmerksam machen.

Mit Digitalisierung und Automatisierung soll die Inspektion von Zügen bei der Deutschen Bahn (DB) künftig schneller und effektiver ablaufen. So will das Staatsunternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Denn die DB wolle wachsen, wie Evelyn Palla, DB-Vorständin für Regionalverkehr, am Montag im S-Bahn-Werk Steinhausen erklärte. Noch dieses Jahr wird die Flotte der Münchner S-Bahn um 16 Fahrzeuge auf 289 aufgestockt. Ein neues S-Bahn-Werk im Westen der Stadt ist in den nächsten Jahren ebenso geplant wie der Ausbau des bestehenden in Steinhausen. Aber: Neue Mitarbeiter seien in der Zahl, wie die DB sie brauche, auf dem Markt nicht zu finden. So soll das Personal, so weit es geht, von zeitraubenden Routinearbeiten entlastet werden.

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Doch so weit sind sie bei der DB noch nicht. Der sogenannte Unterflur-Inspektionsroboter, den die DB am Montag im S-Bahn-Werk vorgestellt hat, ist der allererste Prototyp seiner Art. Doch in nicht allzu ferner Zukunft soll er den Mitarbeitern die Arbeit enorm erleichtern. Bisher müssen die DB-Leute in die Grube steigen und die Züge per Augenschein von unten inspizieren, was einige Stunden dauert. Wenn dereinst Roboter und KI im Einsatz sind, reduziert sich die Zeit für diese Inspektion drastisch. Wann der Roboter zum Einsatz kommen kann, ist noch offen. Er wird zunächst in Steinhausen erprobt und weiterentwickelt, dann auch an anderen DB-Standorten.

Bei der Untersuchung des oberen Teils von Zügen ist die technische Entwicklung schon fortgeschrittener. In den Gleisen einer Werkszufahrt ist eine automatisierte Radsatz-Messanlage installiert. Ein Laser-Scanner misst das Radprofil, zusätzlich erfasst ein Tast-Mechanismus im Gleis mögliche unrunde Stellen, die beim Fahren zu gewaltigem Rattern führen können. Das alles dauert weniger als eine Minute, vorher waren dafür bis zu drei Stunden nötig.

Mit einem Kamerator schließlich werden mögliche Schäden erfasst. Ein Zug passiert das mit 15 Kameras ausgestattete Tor mit einem Tempo von etwa zehn Kilometern pro Stunde. Liegt auf einem Zug zum Beispiel nach einem Sturm ein Ast, so meldet die KI den Mitarbeitern, dass etwas nicht stimmt. Auch diese Technik ist noch in Erprobung, noch braucht es einen Menschen dafür, einen Schaden als solchen anhand der Bilder auch zu identifizieren. Doch künftig, vielleicht schon vom nächsten Jahr an, soll das System von selbst erkennen, ob ein relevanter Schaden vorliegt. Aktuell ist das System nach Auskunft der DB nur zu etwa 90 Prozent genau.

Die Wartungszeiten sollen sich verkürzen, das schafft mittelbar auch Kapazitäten auf der Schiene. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Wenn die neuen Systeme vollends einsatzbereit sind, spart sich die DB nach eigener Schätzung etwa 20 Arbeitsstunden pro Tag, 7300 pro Jahr. Doch nicht nur die Mitarbeiter sollen entlastet werden. Weil die Züge weniger Zeit in der Werkstatt verbringen, schafft die Digitalisierung auch zusätzliche Kapazitäten auf der Schiene, wie Daniela Gerd tom Markotten erklärt. Das gilt für den Regional- wie auch für den Fernverkehr. "Pünktlichkeit beginnt im Werk", sagt die DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik.

Ob die neue Technik dann tatsächlich für einen zuverlässigeren S-Bahn-Verkehr in München sorgt, wird sich dann zeigen müssen. Im vergangenen Jahr war die Pünktlichkeitsquote mit 90,1 Prozent so schlecht wie noch nie. Das lag aber weniger am Zustand der Züge als an der störanfälligen Leit- und Sicherungstechnik im Netz.

Im Fernverkehr ist der Wert sogar noch deutlich schlechter: 2022 kamen nur 65 Prozent der Züge pünktlich ans Ziel.

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