Schleichweg nach Karlsfeld:Es ist Druck im Kessel

Lesezeit: 3 min

Die Alte Bayernwerkstraße sowie die Moosstraße sind Fahrradstraßen, das heißt: Durchfahrt für Autofahrer nur als Anlieger. (Foto: Toni Heigl)

Mit einer Unterschriftenaktion wollen Bürger aus Dachau-Süd die Stadt dazu bringen, die Moosstraße und Alte Bayernwerkstraße für den Autoverkehr wieder komplett freizugeben. Der Oberbürgermeister zeigt sich unbeeindruckt.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Alte Bayernwerkstraße zwischen Karlsfeld und Dachau-Süd ist neuerdings eine Fahrradstraße, Autofahrer dürfen sie nicht mehr befahren - es sei denn sie sind Anlieger. Dagegen regt sich immer mehr Widerstand, vor allem im Stadtteil Dachau-Süd. Anwohner nutzten die schmale Trasse entlang der Bahnstrecke bisher als Schleichweg Richtung Karlsfeld und Allach. Sie müssen nun zum Teil erhebliche Umwege in Kauf nehmen, bis zu zwei Kilometer sind es pro Fahrt.

Martin Dallmeier, der in Dachau-Süd wohnt, möchte das nicht hinnehmen. Zusammen mit Werner Forstmaier und Peter Holzner überreicht er Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) am Mittwoch eine Liste mit 432 Unterschriften. Die Unterzeichner schließen sich darin der Forderung der Fraktionsgemeinschaft von ÜB und FDP an, die Durchfahrbeschränkung "Nur für Anlieger" wieder zu kippen - und die Nachbargemeinde Karlsfeld auf ihrem Grund zu demselben Schritt zu bewegen. Der ÜB-Antrag steht bereits auf der Tagesordnung der nächsten Verkehrsausschusssitzung am 24. April.

Die 432 Unterzeichner sind nicht nur Dachauer

Als der Oberbürgermeister einen Blick auf die Liste wirft, fällt ihm sofort auf, dass es sich bei den 432 Unterzeichnern keineswegs nur um Dachauer handelt, sondern auch um Leute aus Karlsfeld und dem Gemeindegebiet Bergkirchen. "Nur der Dachauer Bürger darf in Dachau Eingaben an die Stadt machen", erklärt der OB. Das schmälert das politische Gewicht dieser gesammelten Protestnoten ein wenig, aber nicht allzu sehr. Dallmeier berichtet, dass er zu Hause von Mitbürgern angerufen werde, die ebenfalls unterschreiben wollten. Es ist Druck im Kessel.

Im Sommer 2021 gab es mal eine Verkehrszählung auf der Alten Bayernwerkstraße, allerdings von der Gemeinde Karlsfeld. An Werktagen verkehrten dort demnach durchschnittlich 1300 Autos und 100 bis 150 Fahrräder. Warum man in dieser seit Jahr und Tag von Autofahrern wie Radlern genutzten Alten Bayernwerkstraße jetzt eine Verkehrsberuhigungsmaßnahme ergreift, erschließe sich ihm nicht, sagt Dallmeier im Büro des Oberbürgermeisters. "Seit 28 Jahren fahre ich auf dieser Straße, da habe ich noch nie einen Unfall gesehen."

Insgesamt 432 Unterschriften, wenn auch nicht nur aus Dachau, übergeben Martin Dallmeier, Werner Forstmaier und Peter Holzner an Oberbürgermeister Florian Hartmann. (Foto: Toni Heigl)

Hartmann skizziert, wie der Umwelt- und Verkehrsausschuss vor knapp einem Jahr die Umwidmung zur Fahrradstraße beschlossen habe. Einstimmig, wie er betont. Das heißt, auch mit den Stimmen der ÜB. Mag sein, dass die Überparteiliche die Entscheidung mittlerweile für einen Fehler hält, der OB tut das nicht. "Am Sachverhalt hat sich nichts verändert."

Dass auf dieser Strecke selten Unfälle passiere, stimme. Rückspiegel, die im Begegnungsverkehr dran glauben mussten, so etwas ist laut Polizei ein paar mal vorgekommen, aber noch nichts Gravierendes. Bisher. Die Straße ist recht schmal, der empfohlene Sicherheitsabstand von zwei Metern sei beim Überholen kaum einzuhalten, argumentieren die Verkehrsexperten der Polizei. Und dass jeder 700 bis 800 Meter mit dem Auto geduldig hinter dem Rad herrolle - unrealistisch. Dann lieber eine klare Regelung, sagt Hartmann. Die gibt es jetzt.

"Wir sind vorher nicht mal gefragt worden"

Der Schutz der Radler sei wichtig, sagt Peter Holzner, aber die Stadt müsse alle Interessen abwägen - also auch die der Anwohner. Das ist nach seinem Eindruck nicht passiert. "Wir sind vorher nicht mal gefragt worden", sagt er, das ärgert ihn. Und die neue Regelung haben für ihn handfeste Auswirkungen. Holzner betreibt einen Reitstall am Waldschwaigweg, die Pferde brauchen Heu, das muss man erst mal heranschaffen. "Mit dem Fahrrad geht das nicht", sagt der Landwirt. Ihn kostet die neue Regelung Zeit, Geld und Nerven.

Komplizierter geworden ist der Alltag auch für Martin Dallmeier, der nahe dem ASV-Gelände wohnt. Als Inhaber eines eigenen Sanitärbetriebs sei er viel auf Achse, erzählt er, oft müsse er raus zu Kunden nach München. Fünfmal die Woche, schätzt er, habe er früher die Alte Bayernwerkstraße genutzt - übrigens auch zum Einkaufen in Karlsfeld. War einfach kürzer, ging schneller, umweltfreundlicher sei es auch gewesen. "Jetzt blasen wir jede Menge CO₂ heraus und haben noch mehr Dreck in Karlsfeld." Wo sei da die Verbesserung?

Anlieger ist nicht nur der Anwohner

Der selbständige Metzgermeister Werner Forstmaier fürchtet "lästige Kontrollen", die ihn wertvolle Zeit kosten, aber auch Anfeindungen von Radlern. Sein Geschäftsfahrzeug hat ein Münchner Kennzeichen, auf den ersten Blick sieht das nicht gerade nach "Anlieger" aus. Hauptamtsleiter Josef Herrmann klärt auf, dass "Anlieger" nicht gleichbedeutend sei mit "Anwohner". Auch Besucher und Kunden von Anwohnern dürften die Straße bei Bedarf mit dem Auto befahren. Wodurch, wie er einräumt, Kontrollen nicht ganz einfach zu handhaben seien. Erzählen können Autofahrer viel.

Nächste Station: Karlsfeld

Ehe sich die Protestdelegation aus Dachau-Süd vom OB verabschiedet, kopiert Hartmanns Sekretärin ihnen noch die Unterschriftenliste. Diese wollen die drei demnächst Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) vorlegen, um auch in Karlsfeld Druck zu machen für ihr Anliegen. Aus ihrer Sicht kommt es aber vor allem auf das Votum in Dachau an. Sollte die Große Kreisstadt ihren Straßenabschnitt wieder allgemein für den motorisierten Verkehr freigeben, bliebe den Karlsfeldern gar nichts anderes übrig als nachzuziehen, glauben sie.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAsylpolitik
:Wenn Geflüchtete 80 Cent pro Stunde verdienen

Alethaly Abobakr Mansoor arbeitet gemeinnützig in der Geflüchtetenunterkunft in Vierkirchen. Innenminister Joachim Herrmann will Asylbewerber dazu gesetzlich verpflichten. Doch ist das auch vertretbar?

Von Gabriele Blaschko

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: