TSV 1860 spielt in Dachau:Kuschelige Löwen

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Der TSV 1860 München präsentiert sich im Derby gegen Dachau 65 als Verein zum Anfassen. Doch das Spiel ist eigentlich Nebensache: Die Fans sorgen sich um die Zukunft des Zweitligisten.

Daniel Gläßer

Dieter Schneider", rufen einige junge Löwen-Fans in der Halbzeit, sie halten ihre blauen Fahnen in den Wind, es duftet nach Bratwurst, Bier und Grün im weiten Rund des Stadions an der Jahnstraße. 1500 Zuschauer, darunter eben jener Dieter Schneider aus Röhrmoos, Präsident des Zweitligisten TSV 1860 München, sind am Montagabend ins beschauliche Bezirksliga-Stadion in Dachau gekommen. Zu einem Freundschaftsspiel, das unter ganz besonderen Vorzeichen stand: Während der Gastgeber TSV 1865 Dachau mit den Einnahmen aus dem Kick gegen die "großen Löwen" sein neues Stadion finanzieren will, warten viele Sechziger sehnsüchtig darauf, dass der jordanische Investor Hasan Abdullah Ismaik endgültig bei 1860 einsteigt. Und somit den hoch verschuldeten Verein mit seinen Millionen vor dem Zwangsabstieg in die Bayernliga rettet.

1500 Fans kamen zum Gastspiel des TSV 1860 München beim TSV  1865 Dachau am Montagabend. (Foto: Toni Heigl)

Die finanzielle Krise und die Ungewissheit ob der Zukunft des ehemaligen Deutschen Fußballmeisters von 1966 beschäftigen die vielen nach Dachau gekommenen Löwen-Fans spürbar, bei denen sich auch der Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) einreiht. In einer emotionalen Rede bedankt sich Bürgel bei Sechzig-Präsident Schneider für dessen aufopferungsvolle Arbeit zum Wohle des Klubs: "Sie sind einer von uns."

Während Bierofka, Ludwig und Co. die Dachauer auf dem Rasen zu Beginn gleich in deren Hälfte einschnüren, fachsimpelt der eingefleischte Löwen-Fan Heinz Eichinger (SPD), Bürgermeister von Vierkirchen, auf der Bank stehend mit zwei anderen Mitgliedern der "Löwenfans Vierkirchen-Pasenbach". "Wir haben den richtigen Präsidenten, es ist richtig, dass sich der Investor bei Sechzig beteiligen wird", sagt er und richtet den Blick auf das Spielfeld. Dort tänzelt Daniel Bierofka gerade leichtfüßig durch die Dachauer Defensive. Angst, dass Sechzig sich von seinem Investor allzu abhängig machen könnte, hat Eichinger keinesfalls. "Das Investorenmodell ist inzwischen europaweit Standard, es reicht ein Blick nach England", sagt er. In Deutschland habe man ja zudem noch die "50+1"-Regel, durch welche die Klubanteile des Investors auf höchstens 49 Prozent beschränkt werden. Dadurch könne eine Einzelperson gar nicht übermäßigen Einfluss auf die sportliche Leitung eines Vereins nehmen, sagt der Bürgermeister.

Auf dem Platz sind die Löwen Herr der Lage. Nachdem Markus Pazurek bereits in der vierten Minute zum 1:0 getroffen hat, legt Alexander Ludwig nach. In der 33. Minute versenkt er den Ball mit einem satten Volleyschuss zum 2:0 ins linke untere Eck. Der gute 65-Keeper Admir Music ist chancenlos. Der Trainer der Dachauer U-11-Mannschaft, Rainer Klose, findet die Leistung seines Vereins bis zur Halbzeit bisweilen bemerkenswert. "Schauen Sie her", ruft er immer wieder, "das ist eine super Raumaufteilung, und zwar von beiden Mannschaften". Mit großer Freude kommentiert er die Passkombinationen des Bezirksligisten: "Es ist Eins A, was die da gegen einen Zweitligisten machen."

Freudig, vor allem vorfreudig ist die Stimmung auf den Rängen. "Es ist so schön, dass die Sechziger in den Landkreis gekommen sind", schwärmt Lampros Koutoufas. Der in Karlsfeld lebende Grieche hat mit seinen Sechzigern schon einiges durchgemacht - Abstieg in die Bayernliga 1992, Aufstieg mit Werner Lorant in die Bundesliga 1994, Abstieg in die zweite Liga 2004, und jetzt dieses Finanzdebakel. Koutoufas ist aber nicht bange - er hofft auf den jordanischen Geldgeber: "Als Wildmoser damals Geld mitgebracht hat, ging es doch auch erst einmal aufwärts mit uns." Ein Pressschlag zwischen Bierofka und einem 65-Verteidiger sorgt dafür, dass sich der Ball plötzlich zum 3:0 ins Netz senkt. Der weit gereiste Löwen-Fan Stefan Fries beobachtet das Tor mit Hochgenuss. Dann schaut der Neuhausener zu dem Mann, der seinen rollenden Bierstand über die Tartanbahn schiebt und sagt, dass das hier noch ehrlicher Fußball sei. Ohne Stadion-Card und den anderen neumodischen Schnickschnack, den man heute in den großen deutschen Fußballarenen finde. Fries will seine Sechziger wieder im Grünwalder-Stadion spielen sehen - er will einen Neustart in der Bayernliga, ohne Investor. "In der Bayernliga wäre man wieder näher dran am einfachen Fußball", sagt er.

Das Spiel endet 4:0. "Ein überragendes Erlebnis war das", meint Dennis Hölzl, Rechtsverteidiger von 65 nach dem Spiel. "Die sind überhaupt nicht arrogant aufgetreten." Nur Dachaus Torjäger Marco Bläser ärgert sich ein wenig. Zu gerne hätte er gegen Gabor Király getroffen - doch der spielte gar nicht . "Der hatte bestimmt Angst", witzelt Bläser, der allerdings auch kein Tor schoss. Der ehemalige Nationalstürmer und Sechziger Benjamin Lauth empfand das Spiel als nette Abwechslung zum Alltag. Er spricht den meisten Fans wohl aus der Seele, wenn er sagt: "Ich hoffe jetzt nur, dass bald alles geklärt ist. Es geht um nicht weniger als die Zukunft des Vereins."

© SZ vom 20.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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