Klassische Musik:Bach in 3D

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Peter Kofler vor "seiner" Rieger-Orgel in der Münchner Kirche St. Michael. Die Orgel sei "ein Malkasten für Musik", sagt er. (Foto: Walter Glück)

Organist Peter Kofler aus Vierkirchen hat Johann Sebastian Bachs komplettes Orgelwerk, 364 Stücke, eingespielt. Das allein ist schon "ein Wahnsinn", wie er selber sagt. Dazu kommt eine spezielle Aufnahmetechnik, die eine ungeheure Klangfülle hervorbringt.

Von Dorothea Friedrich, Vierkirchen/München

"Vollendet ist das große Werk, der Schöpfer sieht's und freuet sich" - so beginnt der Schlusschor aus Joseph Haydns "Die Schöpfung". Seit einigen Tagen haben Michaelsorganist Peter Kofler und Tonmeister Martin Fischer allen Grund zur Freude. Denn nach mehr als sechs Jahren intensiver Auseinandersetzung mit den Orgelwerken von Johann Sebastian Bach ist mit der dritten CD-Box "Opus Bach" eine neue Einspielung des gesamten Orgelwerks vollendet.

Eine Mammutaufgabe, der sich Kofler gestellt hat. Der Vierkirchner ist seit 2008 Organist an St. Michael in der Münchner Fußgängerzone und ein europaweit gefragter Cembalist. Das "Lebensabschnittswerk", wie Kofler bei der Vorstellung dieser Gesamtaufnahme sagte, hat es gleich in mehrfacher Hinsicht in sich: Kein schnödes, nur für Musikologen interessantes Aneinanderreihen von Toccaten, Triosonaten, Fantasien oder Partiten, sondern 16 Konzerte auf 16 CDs, die man mit purer Entdeckerfreude oder als persönlicher Hit-Favorit immer wieder hören kann - als CD und bei diversen Streamingdiensten.

Die akustische Vertikale des Kirchenraums

Weil die Aufnahmen in hochauflösender Dolby-Atmos-Technik erfolgten, "einem dreidimensionalen Soundsystem", wie Kofler sagt, hat hier ausnahmsweise die technische Seite Vorrang vor Inhalt und Interpretation. Denn sollte man in der unwahrscheinlichen, aber glücklichen Lage sein, über ein eigenes Tonstudio zu verfügen oder einen entsprechenden Streamingdienst abonniert haben, steigert sich das Hörerlebnis um ein Vielfaches. Mit der Atmos-Technik erreichen Peter Kofler und Tonmeister Fischer eine so ungeheure Klangfülle, dass man bei der Vorführung im Farao-Studio in München nur noch verzückt die Ohren spitzen kann, so lebendig, so mittendrin ist man im Geschehen. Im CD-Booklet wird das so erklärt, dass der Kirchenraum mit der Atmos-Technik nicht nur "in seinen horizontalen Dimensionen authentisch abgebildet" wird, sondern auch "in der akustischen Vertikalen, der Raumhöhe".

Für Kofler war es von Anfang an eine Selbstverständlichkeit, neueste Technik bei den Aufnahmen einzusetzen. Was, wie er zufrieden lachend erzählt, gar nicht so einfach war. Die Mikros hingen an bis zu 15 Meter hohen Stativen in St. Michael. Kofler spielte mit Kopfhörer, um die Kontrolle über den Klang zu behalten, was der besonderen Situation in St. Michael geschuldet war. Die Aufnahmen konnten nur abends und nachts - zwischen 20 Uhr und 1 Uhr - erfolgen, weil ansonsten der Lärm der belebten Neuhauser Straße für unerwünschte Nebengeräusche gesorgt hätte. Eine wahre Herkulesaufgabe, denn Kofler hat insgesamt 364 Stücke eingespielt. Und ist dankbar, dass er mit Martin Fischer, "einen Aficionado des Aufnehmens" gewonnen hat.

"Was für ein Wahnsinn, sich so etwas anzutun"

Doch wie kam es überhaupt zu diesem Opus magnum? Daran hat der Musikjournalist und frühere BR-Redakteur Matthias Keller einen großen Anteil. Er hatte nach einem Konzert Koflers die Idee für eine Gesamtaufnahme des Bach'schen Orgelwerks. Und Kofler sagte zu. "Was für ein Wahnsinn, sich so etwas anzutun", sagt er rückblickend. Denn von der Idee bis zur Ausführung waren unendlich viele Fragen zu klären. Zunächst einmal die des passenden Instrumentariums. Für Kofler kam - entgegen dem Trend, alles auf Originalinstrumenten zu spielen - nur "seine" Rieger-Orgel infrage. "Wenn Bach eine Michaelsorgel gehabt hätte, hätte er nicht über die Dörfer ziehen müssen", ist Kofler überzeugt. Denn: "Diese Orgel hat alles, was man sich vorstellen kann. Sie ist ein Malkasten für Musik."

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Bach war bekanntlich nicht nur Komponist und Thomaskantor, sondern auch Orgelsachverständiger und, so Kofler, "ein Kosmopolit, der allem Neuen aufgeschlossen war". Gut vorstellbar, dass Bach auch die Zusammenstellung seiner Orgelkompositionen gutgeheißen hätte. Auslöser war das berühmte Leipziger Bach-Konzert vom 6. August 1840 mit Felix Mendelssohn-Bartholdy, das Kofler in St. Michael vor einigen Jahren original nachgespielt hatte. So entstanden spannende, intensive Konzerte von ganz zart bis monumental.

Auch auf der guten alten CD sind das Ausnahme-Aufnahmen. Was Koflers prägnantem, ausdrucksstarkem, buchstäblich mit Tönen malendem Spiel zu danken ist. Man sitzt in Gedanken in der Michaelskirche und lässt sich forttragen in ein Reich purer Musik. Einen Großteil der Stücke hat sich der Michaelsorganist übrigens neu erarbeitet. Hat Bachs Intentionen nachgespürt, sie auf der Rieger-Orgel zum Klingen gebracht - und sich und seinen Zuhörern neue Klang- und musikalische Farbwelten erschlossen. "Was für ein Geschenk", sagt Kofler und scheint immer noch ein wenig zu staunen, dass das große Werk vollendet ist.

Peter Kofler: Opus Bach, Orgelwerke. Drei CD-Boxen, erschienen bei Farao Classics, München.

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