Erneuerbare Energien:"Wir sollten uns das Thema Energie ganz schnell wieder holen"

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Regionale Wertschöpfung ist eine Chance der Energiewende. Dazu braucht es Beteiligungsmodelle vor Ort, zum Beispiel eine Energiegenossenschaft, die Windräder betreibt. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Beim jüngsten Expertengespräch der Westallianz berichten Vertreter der Bürgerenergiegenossenschaft im Landkreis Pfaffenhofen von ihren Erfahrungen. Auch im Dachauer Land wird es ab Herbst eine interkommunale Energiegenossenschaft geben.

Von Alexandra Vettori, Odelzhausen

Es herrscht eine Art Goldgräberstimmung auf dem Energiesektor, mit dem weitgehenden Fall der 10-H-Regelung für Windräder nun auch in Bayern. Und bevor die großen Konzerne bei den Erneuerbaren Energien ihre Felder endgültig abgesteckt haben, gilt es für kleine, regionale, gar bürgerorientierte Gruppierungen und Genossenschaften, sich zu beeilen.

Die Westallianz, ein Zusammenschluss von sieben Gemeinden aus den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck, hat ihr jüngstes Expertengespräch diesem Thema gewidmet, der Titel lautete "Zukunftsmodell Bürgerenergie". Als Referenten waren zwei Vertreter der Bürgerenergiegenossenschaft im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm gekommen: Der Aufsichtsratsvorsitzende Oliver Eifertinger, Rechtsanwalt und Steuerberater, sowie Vorstandsvorsitzender Andreas Herschmann.

Deutschland gibt sehr viel Geld für Energieimporte aus

Dass das Thema interessiert, zeigten die über 50 Zuhörerinnen und Zuhörer, die in das Gemeinschaftshaus im Odelzhauser Ortsteil Unterumbach gekommen waren. Natürlich steht bei der Energiewende Klimaschutz an erster Stelle , doch Andreas Herschmann rechnete vor, welche monetären Dimensionen der Energiebereich aufweist: Deutschland habe im vergangenen Jahr zwischen 300 und 400 Milliarden für Energieimporte gezahlt. "Das Geld ist weg, es fließt aus Deutschland raus, und da gibt es keine Möglichkeit der Partizipation", sagte er. Dazu bezahle der Steuerzahler gerade einen Netzausbau, "damit die Konzerne ihr Geschäftsmodell beibehalten können: Großkraftwerke, in die niemand reinschauen kann".

Demgegenüber stehe die "Demokratisierung der Energiewirtschaft" wie sie mit Bürger-Beteiligungsmodellen verwirklicht würden. Herschmanns Appell: "Wir sollten uns das Thema Energie ganz schnell wieder holen." Wie, das steht für ihn fest, mit "kleinen, dezentralen Anlagen überall". Welche unterschiedlichen Beteiligungsmodelle es gibt, erläuterte Rechtsanwalt Eifertinger.

In Pfaffenhofen an der Ilm hat man dafür schon 2012 eine Bürgerenergiegenossenschaft gegründet, die aus dem engagierten Energie- und Solarverein hervorging. Die Beteiligung ist denkbar einfach: Ein Genossenschaftsanteil kostet 100 Euro, insgesamt darf eine Person oder Organisation nicht mehr als 50 Anteile erstehen. Mit dem Stimmengewicht hat das nichts zu tun, da in einer Genossenschaft jeder nur eine Stimme hat, egal wie viele Anteile er hält. Allerdings vermeidet man durch die Begrenzung der Stimmen, dass der Ausstieg eines Akteurs, der viele Stimmen hat, zu einer wirtschaftlichen Schieflage der Genossenschaft führen kann.

Die Projektbeteiligung läuft über Darlehen

Die finanzielle Beteiligung geschieht bei jedem neuen Projekt - ob Windrad oder Solarpark - stets durch sogenannte partialische Darlehen oder Nachrangdarlehen. Das heißt, Genossenschaftsmitglieder zeichnen Anteile in Höhe eines bestimmten Betrags und für eine bestimmte Dauer und erhalten dafür zwei bis vier Prozent Zinsen. Bisher jedenfalls, "aber weil die Zinsen allgemein gestiegen sind, werden wir da in Zukunft auch höher gehen müssen", so Herschmann.

Menschen aus dem Landkreis Dachau müssen nicht mehr lange neidisch auf andere Landkreise wie Pfaffenhofen an der Ilm oder Freising schauen, wo es bereits große, interkommunale Bürgerenergiegenossenschaften gibt. Im vergangenen Frühjahr haben die drei Gemeinden Altomünster, Markt Indersdorf und Hilgertshausen-Tandern den Anfang gemacht und die Gründung der Genossenschaft "Bürgerenergie Dachauer Land" in Angriff genommen. Mitglied kann man noch nicht werden, derzeit laufen die bürokratischen Vorarbeiten. Doch im kommenden Herbst wird es soweit sein, dann können Privatleute und Kommunen aus dem Landkreis Dachau Genossenschaftsmitglieder werden.

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Der Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Pfaffenhofen jedenfalls hat in der aktuellen Aufbruchssituation viel zu tun. Seine Hauptaufgabe derzeit schilderte er so: "Flächensicherung, Flächensicherung, Flächensicherung, ich hetze von Gemeinderat zu Gemeinderat und von Eigentümerversammlung zu Eigentümerversammlung." Die Zusammenarbeit mit den Kommunen sei dabei absolut gewollt, "Genossenschaft und Kommune sind natürliche Partner". Auch für die einzelnen Gemeinde sei es ein Vorteil, wenn bei der Umsetzung von Projekten eine Genossenschaft mit im Boot sei: "Wir können härter verhandeln."

Allzu viel Gegenwind gebe es auch für Windkraftprojekte nicht mehr, betonte Andreas Herschmann, mit den Beteiligungsmodellen wachse die Akzeptanz in der Bevölkerung.

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