Landtagswahl im Landkreis Dachau:Aiwanger-Affäre macht Groß groß

Lesezeit: 3 min

Der eine kann seinen Wiedereinzug in den bayerischen Landtag feiern, der andere seinen 67. Geburtstag: Bernhard Seidenath von der CSU und Johann Groß von den Freien Wählern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

CSU-Kandidat Bernhard Seidenath sichert sein Mandat im Landtag, die Freien Wähler gewinnen deutlich hinzu. Verlierer der Landtagswahl in Dachau sind die Ampelparteien.

Von Gregor Schiegl und Jessica Schober, Dachau

Johann Groß hat sich zu seinem 67. Geburtstag selbst ein Geschenk gemacht: Der Landwirt aus Bergkirchen hat einen satten Stimmengewinn für die Freien Wähler eingefahren, laut vorläufigem Endergebnis, das Sonntagnacht erst um 23.21 Uhr vorlag, gaben ihm 18,6 Prozent der Wähler im Landkreis Dachau die Stimme und machten seine Partei zur zweitstärksten politischen Kraft. Als Landrat Stefan Löwl (CSU) am Wahlabend klirrend gegen sein Cola-Zero-Glas klopfte, stimmte er mit den Versammelten im Landratsamt ein Gratulationslied für den Freien Wähler an. Eines scheint auch vor der Veröffentlichung der endgültigen Wahlergebnisse festzustehen: Die Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger hat den Freien Wählern nicht geschadet, im Gegenteil. In Dachau hat sie Groß groß gemacht, auch wenn er wegen seiner schlechten Platzierung auf der Liste wohl nicht in den Landtag einziehen wird. In seiner Heimatgemeinde Bergkirchen hat er 33,3 Prozent der Stimmen geholt.

Bernhard Seidenath (CSU), der Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Dachau, kann mit 35,5 Prozent der Stimmen sein Mandat verteidigen und seine vierte Amtszeit antreten, auch wenn er 1,1 Prozent weniger Zustimmung einfährt als seine Partei in Bayern: Die CSU erhielt 36,6 Prozent der Stimmen, ein historischer Tiefstand im Freistaat. Seidenath übt sich dennoch in Zuversicht: "Die CSU ist stabil die tonangebende Kraft", sagt er. Das Ergebnis sei ein guter Wert für die Christsozialen, wenn man berücksichtige, wie "zerfasert" die Parteienlandschaft inzwischen sei. Das Wichtigste aus Seidenaths Sicht ist, dass die sogenannte Bayern-Koalition aus CSU und Freien Wählern ihre Arbeit fortsetzen kann: "Es ist ein guter Tag für Bayern."

Die zweitmeisten Stimmenzuwächse im Landkreis konnte die AfD einsammeln. Direktkandidat Jürgen Henritzi kam auf 11,6 Prozent. Das deckt sich mit dem bayernweiten Trend, die in Teilen rechtsextreme Partei konnte drittstärkste Kraft werden. Obwohl Henritzi im Dachauer Wahlkampf kaum auf Sichtbarkeit setzte und auch ein angekündigter Bürgerdialog nur von einer handvoll Menschen im Ludwig-Thoma-Haus besucht wurde, konnte die AfD 11,7 Prozent der Wählenden im Landkreis Dachau überzeugen.

Erschütterung über den Zuspruch zur AfD

Das starke Abschneiden der AfD bezeichnet der CSU-Sozialpolitiker und scheidende Bezirkstagspräsident Josef Mederer als "erschütternd". Im Wahlprogramm der in Teilen rechtsradikalen AfD würden beispielsweise Behinderte als Belastung für die Gesellschaft dargestellt. "Da müsste ein Aufschrei durch die Bevölkerung gehen", sagt Mederer. "Sonst hat man aus der Vergangenheit gar nichts gelernt." Die Kräfteverschiebung bei den anderen Parteien bereiten Mederer weniger Kopfzerbrechen. Das Entscheidende sei, dass das demokratische Spektrum "handlungsfähig" bleibe. Dass die AfD bei dieser Wahl noch einmal zulegen konnte, führt der CSU-Abgeordnete Seidenath auf eine "globale Unzufriedenheit" zurück, die mit ungelösten Problemen, aber auch persönlichen Krisen zu tun habe. Manche machten ihr Kreuzchen auch bei der AfD, "weil ihre Frau sie verlassen hat".

Hoffen und Bangen bestimmen den Wahlabend im Landratsamt, die offiziellen Ergebnisse laufen diesmal noch später ein als sonst: Zum ersten Mal mussten zunächst die Briefwahlergebnisse komplett ausgelesen sein, bevor das jeweilige Gemeindeergebnis veröffentlicht werden konnte. Beim traditionellen Zusammentreffen der Kandidierenden herrscht daher erst mal weitgehend Ahnungslosigkeit über die lokalen Ergebnisse. Am Wahlabend hofft sogar Hubert Böck von der SPD - telefonisch befragt - noch auf seinen Einzug in den Landtag, obwohl die Zustimmung zu seiner Partei bayernweit rapide gesunken ist. Die Sozialdemokraten kommen auf lediglich 8,1 Prozent, im Landkreis sind es 8,0. Böck selbst ist am Wahlabend nicht ins Landratsamt gekommen. Das Ergebnis sei "bitter", sagt er am Telefon. Die "Bayern-Themen" der SPD, etwa zu bezahlbarem Wohnraum im Freistaat, hätten nicht gezogen, stattdessen sei es vor allem um Migration gegangen. "Das haben uns auch die Leute an den Infoständen gesagt", so Böck: "Das muss geregelt werden."

"Den stärksten Rückenwind hatten wir Grüne nicht."

Enttäuscht sind auch die Grünen, ihr Landtagskandidat Martin Modlinger kommt auch nach Auszählung der Stimmbezirke in Dachau im Landkreis auf nicht mehr als 14,0 Prozent - im Vergleich zum Vorwahlergebnis der Grünen von 17,1 Prozent im Jahr 2018. Dale Carpenter, der für den Bezirkstag kandidierte, sagt spät am Abend, die Ursache liege sicher in der Bundespolitik, "den stärksten Rückenwind hatten wir Grüne nicht". Eine ganze Reihe von Wahllokalen fehle jedoch zu diesem Zeitpunkt noch.

Frank Sommerfeld von der FDP zeigt sich schwer enttäuscht. "Die Leute haben das Gefühl, dass ihnen die Ampelregierung in Berlin vorschreibt, wie sie leben sollen", begründet er die Stimmenverluste der Liberalen. Die Grünen hätten dagegen ein stärkeres Stammwähler-Potenzial, daran müsse die FDP in Zukunft arbeiten. Sommerfelds persönliches Ergebnis bei der letzten Wahl war besser als das der FDP bayernweit.

Ergebnisse der Landtags- und Bezirkswahl 2023 im Landkreis Dachau

Erststimmen im Landkreis

Bernhard Seidenath (CSU): 35,5%

Hubert Böck (SPD): 8,8%

Johann Groß (Freie Wähler): 18,6%

Martin Modlinger (Die Grünen): 14,0%

Frank Sommerfeld (FDP): 3,4%

Jürgen Henritzi (AfD): 11,6%

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungLandtagswahl im Landkreis Dachau
:Der Rechtsruck wird sichtbar

Das Wahlergebnis belegt eine weitere Zergliederung und Zerfaserung der Parteienlandschaft - und zeigt, dass viele Menschen für einen populistischen Politikstil empfänglich sind.

Kommentar von Jessica Schober

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: