Obdachlosigkeit:Kreis lehnt Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit ab

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Ein Obdachloser liegt in einem Schlafsack unter einer Brücke in Hamburg. (Foto: dpa)

Der Landkreis Dachau fühlt sich nicht zuständig, eine Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit einzurichten.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Der Landkreis lehnt es ab, Verantwortung für Menschen ohne ein Zuhause zu übernehmen. Die Mitglieder des Kreisausschusses haben sich mehrheitlich dagegen entschieden, eine zentrale Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit einzurichten. Diese hatte die Grünen-Kreisrätin Marese Hoffmann in einem Antrag gefordert. Mehrere Kreisräte und Landrat Stefan Löwl (CSU) argumentierten, dass sich rechtlich gesehen nicht der Landkreis, sondern die Kommunen um obdachlose Menschen kümmern müssen. "Ich bin dagegen, diese Zuständigkeit zu verschieben", sagte Löwl. "Verantwortung kann man nicht teilen." Der Landkreis müsse sich angesichts großer Zukunftsinvestitionen in verschiedenen Bereich gut überlegen, "was wir noch alles machen".

Marese Hoffmann hatte zusammen mit der Dachauer Caritas ein Konzept für eine zentrale Anlaufstelle ausgearbeitet. Die Einrichtung sollte insbesondere helfen, präventiv zu verhindern, dass Menschen ihr Zuhause verlieren. Mieter, die mit den Zahlungen für ihre Wohnung in Rückstand geraten, sollten dort schnell und effizient Hilfe bekommen. Durch Vermittlung der Fachstelle sollten mehrere Beteiligte zusammenkommen: Vertreter kommunaler Verwaltungen und des Jobcenters, Gerichtsvollzieher, Vermieter und Mieter. Die Landkreise Fürstenfeldbruck und München haben solche Fachstellen schon vor Jahren geschaffen.

"Obdachlosigkeit nimmt dramatisch zu"

"Obdachlosigkeit nimmt dramatisch zu", sagte Hoffmann in der Ausschusssitzung. Es brauche dringend niedrigschwellige Angebote. Der Landkreis sei zwar rechtlich nicht zuständig. "Aber moralisch sind wir es schon."

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Das sieht auch Heidi Schaitl so, die Dachauer Kreisgeschäftsführerin der Caritas. Sie hat die Fachstelle im Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck mitaufgebaut, die es seit 2013 gibt. Dort bietet die Notunterkunft mit dem Kurznamen KAP Beratung und Hilfe für Betroffene nahezu rund um die Uhr an. Dazu gibt es Betten, um schnelle Hilfe zu gewährleisten. Die Mitarbeiter klären dann vor Ort, wo die Betroffenen gezielte Unterstützung bekommen können. Schaitl hat deshalb Hoffmann bei der Ausarbeitung des Antrags beraten. Obwohl dieser nun durchgefallen ist, will Schaitl nicht locker lassen und hat bereits erste Gespräche mit einzelnen Bürgermeistern geführt. "Wir bleiben zuversichtlich, dass wir mit einigen Gemeinden ein Modellprojekt auf die Beine stellen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

Rechtlich verpflichtet sind die Gemeinden

Die Gemeinden sind rechtlich dazu verpflichtet, obdachlose Menschen unterzubringen. Eine eigene Fachstelle leistet sich im Landkreis bisher nur die Stadt Dachau. Hier können sich Betroffene an mehrere Verwaltungsmitarbeiter wenden. Diese versuchen dann, rechtzeitig eine andere Wohnung zu beschaffen. Doch auch auf dem Land kommt es immer wieder vor, dass Menschen plötzlich auf der Straße stehen. Für solche Notfälle verfügen einige Kommunen über eigene Wohnungen.

Bis auf die Grünen sah im Kreisausschuss keine Fraktion einen Bedarf für eine zentrale Einrichtung im Landkreis. Die Gemeinden würden sich bereits intensiv mit den Obdachlosen beschäftigen, sagte Simon Landmann, CSU-Kreisrat und Bürgermeister von Bergkirchen. Er verwies darauf, dass es beim Thema Obdachlosigkeit oftmals schnelle Entscheidungen brauche. Zum Beispiel wenn an einem Tag plötzlich eine Familie mit drei Kindern anklopfe. Dann müsse schnell eine Unterkunft gefunden werden.

Die Bürgermeister haben das Thema Obdachlosigkeit im Griff

Sein Partei- und Bürgermeisterkollege Stefan Kolbe aus Karlsfeld sagte: "Da wird ein Problem herbeigeredet, das bei weitem nicht so groß ist." Die Gemeinden hätten das Thema im Griff. "Wir haben Personal, das sich darum kümmert. Wir kennen unsere Pappenheimer, die stehen schnell vor der Tür."

Diese Formulierung störte Hoffmann gewaltig. "Das sind keine Pappenheimer, sondern Menschen, die eine Wohnung suchen", sagte sie. Sie wehre sich gegen eine Stigmatisierung. "Das sind nicht nur Penner. Menschen aus allen Schichten können obdachlos werden." Sie habe zwar schon erwartet, dass der Antrag erfolglos sein werde. Sie hoffe aber, dass dadurch zumindest über das Thema nachgedacht und die Gesellschaft dafür sensibilisiert werde.

CSU-Kreisrätin Rosmarie Böswirth stimmte zwar auch gegen Hoffmanns Antrag, weil die Gemeinden ihrer Ansicht nach näher an den Menschen dran seien, als es eine zentrale Stelle des Landkreises sein könnte. Doch auch sie sagte: "Wir müssen raus aus dieser Stigmatisierung."

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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