Kommentar:Zusammen Lösungen finden

Obdachlosigkeit in Hamburg

Ein Obdachloser liegt am bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in einem Schlafsack unter einer Brücke in Hamburg.

(Foto: dpa)

Der Landkreis zieht sich beim Thema Obdachlosigkeit aus seiner Verantwortung. Dabei kann diese jeden treffen, die Menschen brauchen breite Unterstützung.

Kommentar von Thomas Radlmaier

Eines Tages liegt ein Brief im Postkasten. Der Vermieter kündigt den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs. Auf dem überhitzten Markt findet man aber auf die Schnelle keine neue Bleibe, die bezahlbar wäre. Drei Monate später steht man auf der Straße. Das ist heutzutage ein realistischer Weg in die Obdachlosigkeit. Dieser ist kurz geworden. Und es kann jeden treffen, auch Menschen aus der sogenannten Mittelschicht. Mit den Mietpreisen wird die Zahl der Obdachlosen auch im Landkreis Dachau steigen. Deshalb handelt die Mehrheit des Kreisausschusses fahrlässig, indem sie die Errichtung einer Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit ablehnt.

Schließlich sind die Kommunen alleine überfordert mit der Aufgabe, Obdachlose unterzubringen. Es reicht nicht, ein paar Wohnungen auf Reserve zu halten. Es ist wie bei der Verkehrsproblematik: Nur gemeinsam lassen sich Lösungen finden, die wirklich etwas bewirken. Einzig die Stadt Dachau leistet sich im Landkreis eine Fachstelle, die versucht Obdachlosigkeit frühzeitig zu verhindern. Doch wohin sollen sich Betroffene auf dem Land wenden, wenn sie ein niedrigschwelliges Angebot benötigen?

Kein Zweifel: Der Bürgermeister kann in vielen Fällen schnell und unbürokratisch helfen. Das ist aller Ehren wert. Doch um Obdachlosigkeit präventiv etwas entgegenzusetzen und Hilfe effektiv zu koordinieren, braucht es Experten, die darauf spezialisiert sind und alle wichtigen Akteure an einen Tisch bringen können.

Zwar ist der Landkreis vielleicht rein rechtlich gesehen nicht zuständig. Aber er ist politisch in der Verantwortung. Leider fehlt der Wille, sich dieser Verantwortung zu stellen. Das Argument, der Landkreis könne angesichts zukünftiger Herausforderungen nicht auch noch diese Aufgabe übernehmen, ist mehr als schwach. Es zeigt einzig, dass manche Kreispolitiker die Tragweite des Problems unterschätzen. Dazu passt die Äußerung des Karlsfelder Bürgermeisters Stefan Kolbe. Er bezeichnet Obdachlose allen Ernstes als "Pappenheimer", als wären das Versager, die selbst verschuldet ihr Zuhause verloren haben. Tatsächlich ist die Realität eine andere. Menschen jeder Schicht und jeden Alters sind betroffen. Und die Gefahr, die eigene Bleibe zu verlieren, ist auch im Landkreis groß geworden.

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