Gastronomie in der Krise:Von der Hand in den Mund

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Biergärten und Gaststätten sind wieder geöffnet, doch bei den Wirten will sich keine rechte Freude einstellen. Wegen der Abstandsregeln dürfen sie nur wenige Gäste empfangen - und der Personalaufwand ist hoch

Von Julia Putzger, Dachau

Unter dem dichten grünen Blätterdach der alten Kastanien steht Manfred Valentin morgens um neun Uhr in seinem Biergarten in Mariabrunn, Röhrmoos und blickt gen Himmel. Statt strahlend blau zeigt sich der Himmel grau und wolkenverhangen, und nun beginnt es auch noch zu nieseln. Der Gastwirt überlegt, ob es sich überhaupt lohnt, den Biergarten an diesem Tag zu öffnen - nach den wochenlangen Schließungen wäre es eigentlich bitter nötig. Doch kurze Zeit später kann man auf der Website der Schlosswirtschaft sehen, wie Valentin sich entschieden hat: Das "Biergarten-Barometer" zeigt ein leeres Glas, darunter steht "Biergarten heute leider geschlossen." Das Wetter ist zu schlecht. Für den Gastwirt und sein Team bedeutet diese Entscheidung jedoch nicht nur leere Gläser, sondern vor allem auch: wieder ein Tag ohne Arbeit und damit auch ohne Umsatz. Denn an die Tische im Innenbereich setzt sich dieser Tage nur selten ein Gast.

In der Schlosswirtschaft Mariabrunn gab es seit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen und der damit verbundenen Öffnung des Biergartens Mitte April aber auch schon Tage, an denen Manfred Valentin und sein Kollege Robert Matthes kaum Zeit hatten, um hektisch ein paar Fragen am Telefon zu beantworten. Im Hintergrund hört man dann Küchenlärm oder glaubt, die vielen Stimmen der Biergartenbesucher erahnen zu können. An solchen Tagen, wenn die Sonne vom Himmel strahlt und Radfahrer, Spaziergänger und Ausflügler aus der Stadt es sich unter den Kastanien gemütlich machen und Corona für ein paar Stunden vergessen wollen, haben Valentin und Matthes alle Hände voll zu tun.

Der Trubel ist an sich nicht ungewöhnlich und gehört seit jeher zum Betrieb eines Biergartens dazu. Derzeit aber müssen Abstandsregeln beachtet, Tische desinfiziert, Gäste platziert, Kontaktdaten notiert werden. Das führt zu einem Paradox: Zwar haben aufgrund der Abstandsregeln nun nur etwa 400 bis 450 Menschen im Biergarten Platz - normalerweise sind es rund 800 - diese machen den Gastwirten aber mehr Arbeit, die sie zugleich in einem kleineren Team zu bewältigen versuchen. Denn trotz dieser guten Tage erwirtschaftet das Team in Mariabrunn derzeit nur rund die Hälfte des normalen Umsatzes, schätzt Manfred Valentin. Zusätzliches Personal wäre deshalb kaum denkbar: "Wir packen jetzt eben selbst einfach noch mehr mit an", sagt der Gastwirt. All das sei jedoch machbar und überhaupt seien alle froh wieder arbeiten zu dürfen.

Anderen Gastwirten und Biergartenbetreibern im Landkreis ergeht es ähnlich. Sie berichten von bisher verhältnismäßig wenig Besuchern und geringen Umsätzen. Christian Tesch von der Weilachmühle in Altomünster sagt beispielsweise, dass im Biergarten derzeit zwar nur 30 bis 40 Prozent weniger los sei als sonst, dafür fielen zum Beispiel die Alpakawanderungen weg. "Um zu sagen, ob das Ergebnis gut ist, ist es einfach noch zu früh. Wir sind aber jedenfalls noch lange nicht da, wo wir hinmüssen, damit es umsatzmäßig spannend wird" so Tesch.

Manfred Valentin betreibt den Biergarten Mariabrunn. (Foto: Toni Heigl)

Familiengeführte Betriebe, wie etwa das Gasthaus Schloss Tandern, können die schwierige Lage besser kompensieren: "Wir haben das Glück, dass wir hauptsächlich ein Familienbetrieb sind. Wenn wir zum Beispiel die Servicekräfte bezahlen müssten, dann würde es sich nicht rentieren", erzählt Gastwirtin Christine Müller. Mit den rund 40 Prozent des üblichen Umsatzes, die man derzeit erwirtschafte, arbeite man immerhin einigermaßen kostendeckend.

Johann Kiermair, Inhaber des Gasthofs Kiermair in Arzbach, berichtet Ähnliches: Die Öffnungszeiten des Gasthofs wurden verkürzt, der Koch sei noch in Kurzarbeit, seine Frau und seine Küchenhilfen packten gelegentlich mit an, "ansonsten schaue ich eben selber, dass ich alles soweit wie möglich schaffe." Ein "Riesengeschäft" gebe es derzeit aber ohnehin nicht: "Es gibt keinen Stammtisch und keinen Leichenschmaus, keine Geburtstage und keine Hochzeiten. Nicht einmal zum Kartenspielen können die Leute kommen, denn da müssten sie ja jeweils eineinhalb Meter auseinander sitzen", erzählt der Wirt resigniert. Wirklich Spaß mache der Betrieb deshalb momentan nicht. Außerdem macht Johann Kiermair sich Sorgen um die Zukunft: "Ich glaub nicht, dass sich das alles so schnell ändert", sagt er. Zwar gebe es in seinem Betrieb immer genug Arbeit, aber man müsse nun eben umdenken und könne auch nicht investieren. Ob aus dem anstehenden Generationswechsel dann überhaupt etwas wird, kann er nicht sagen.

Unisono loben die Gastwirte jedenfalls ihre Gäste: Die Einhaltung der Maskenpflicht klappe bis auf wenige Einzelfälle sehr gut, die Besucher zeigten sich einsichtig und hielten sich an die Vorgaben. "Man kann fast schon sagen: Wir sind stolz auf unsere Gäste", erzählt Weilachmühlen-Inhaber Tesch. Und auch Manfred Valentin von der Schlosswirtschaft Mariabrunn ist zufrieden: "Die Gäste stehen voll zu uns - man merkt schon, dass die Bürger durch die Krise total zusammengerutscht sind." So gebe es beispielsweise Stammgäste, die nun extra öfter kämen, um Valentin und sein Team zu unterstützen. Diese Erlebnisse der vergangenen Wochen lassen den eingefleischten Gastwirt dann auch nicht kalt: "Am ersten Tag, als der Biergarten wieder voll war, da kommt einem dann schon auch eine emotionale Träne hoch."

© SZ vom 10.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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