Gedenkorte für NS-Opfer:In erhöhter Alarmbereitschaft

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Das jüdische Mahnmal gehört zu den Orten auf dem Gelände der Dachauer KZ-Gedenkstätte, das der Sicherheitsdienst jetzt noch schärfer im Auge behält. (Foto: Toni Heigl)

Schon früher hat es auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau Vorfälle mit Rechtsextremismus und Antisemitismus gegeben. Weil sich solche Übergriffe deutschlandweit häufen, ist in Dachau nun auch tagsüber Sicherheitspersonal unterwegs.

Von Helmut Zeller, Dachau

Die KZ-Gedenkstätte Dachau reagiert auf die zunehmende Zahl rechtsextremer Übergriffe auf Gedenkorte der NS-Verbrechen in Deutschland. Schon seit Monaten häufen sich landesweit die Vorfälle. Auch Dachau, neben Auschwitz die bedeutendste internationale Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes, ist betroffen. "Es kommt immer wieder zu Störungen und Vorfällen auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau und ihrer Außenorte", erklärt die Leiterin Gabriele Hammermann der SZ. Der Gedenkort und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten haben kürzlich vorgesorgt: Das Personal des Sicherheitsunternehmens, das das Gelände bisher nur nachts bewachte, wird seit Ende Dezember auch tagsüber eingesetzt.

Drei Mitarbeiter der Sicherheitsfirma kontrollieren jetzt auch bei Tag den Eingang der Dachauer Gedenkstätte, rund um das ehemalige Jourhaus sowie das Gelände des ehemaligen Krematoriums und der religiösen Gedenkorte. Sie unterstützen das Aufsichtspersonal im Museum und sind für Referenten, die Führungen durch die Gedenkstätte leiten, in "kritischen Situationen ansprechbar", wie es heißt. Man will gewappnet sein.

An der Bedrohungslage habe sich laut der zuständigen Behörden, also vor allem der Polizei Dachau, in den vergangenen Monaten jedoch nichts geändert. Die KZ-Gedenkstätte Dachau dokumentiere und erfasse Störungen, die ihr bekannt sind oder bekannt werden. Im vergangenen Jahr wurden der Polizei von der KZ-Gedenkstätte Dachau nur zwei rechtsextreme Vorfälle gemeldet.

Eklatante Angriffe auf die Gedenkstätte

Allerdings gab es in früheren Jahren bereits eklatante Angriffe auf die Gedenkstätte, etwa den Fall des rechtsextremen "Volkslehrers" Nikolai Nerling, der 2019 an der Gedenkstätte ein Video gegen den "Schuldkult" drehen wollte, aber von einer Mitarbeiterin davon abgehalten wurde. Nerling hatte vor Schülern an der KZ-Gedenkstätte den Holocaust und die Verbrechen des NS-Regimes relativiert, wofür ihn die Gerichte wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilten.

Die Vorfälle beschränkten sich nicht nur auf das Gelände und Räumlichkeiten der KZ-Gedenkstätte, sagte Pressesprecherin Verena Bierl schon Ende vergangenen Jahres. Angriffe und Störungen nähmen gerade im digitalen Raum stark zu. Das sieht auch Hammermann so: Sie beobachte generell eine Verlagerung in den digitalen Raum und nennt etwa Kommentare in den sozialen Netzwerken sowie E-Mail-Zuschriften.

Urteil
:Rechtsextremer "Volkslehrer" zu Geldstrafe verurteilt

Der Auftritt des rechtsextremen "Volkslehrers" Nikolai Nerling vor Schülern an der KZ-Gedenkstätte Dachau erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung. Dieses Urteil bestätigt das Landgericht im Berufungsverfahren. Nerling kündigt Revision an.

Von Thomas Radlmaier

Diesen Eindruck teilen auch andere Gedenkstätten. "Die Grenzen des Sagbaren werden seit einiger Zeit verschoben, und demokratiefeindliche und rechtsradikale Ansichten erscheinen hoffähig geworden zu sein", sagte eine Sprecherin der Gedenkstätte Bergen-Belsen Ende vergangenen Jahres in einem Interview mit der Tagesschau. Schmierereien und feindselige Äußerungen wurden fast wöchentlich zur Anzeige gebracht, das ergab eine Umfrage des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" im September 2023 bei den Gedenkstätten Dachau, Buchenwald, Bergen-Belsen, Neuengamme und Sachsenhausen/Ravensbrück. Der stellvertretende Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Rikola-Gunnar Lüttgenau, urteilte: Die steigende Zahl solcher Vorfälle sei "ein Seismograf dafür, dass versucht wird, die Grundfeste der heutigen Bundesrepublik ins Rutschen zu bringen".

Aktuelle Studien untermauern diese Einschätzung: Die Menschen in Deutschland sind demnach für rechtsextreme und demokratiefeindliche Einstellungen empfänglicher geworden. Der Anteil der Bürger mit einer rechtsextremen und völkischen Orientierung hat sich im Vergleich zu den Vorjahren einer aktuellen Studie zufolge auf etwa acht Prozent verdreifacht. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus sowie die Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten werden zunehmend auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft salonfähig.

Feiern nach dem Massaker

Das wird auch in der Reaktion auf das Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel mit mehr als 1200 Toten, Tausenden von Verletzten und 350 verschleppten Geiseln am 7. Oktober vergangenen Jahres deutlich. Auf Deutschlands Straßen wurde der Terrorangriff gefeiert, auch in der deutschen Kultur- und Kunstszene interpretierten manche den Terrorangriff als Freiheitskampf.

Bisher hat die KZ-Gedenkstätte Dachau im Zusammenhang mit dem 7. Oktober keine Angriffe erfahren. Aber die Gedenkstättenstiftung und ihr Direktor, der Landtagsabgeordnete Karl Freller (CSU), wollen auch für diesen Fall gewappnet sein.

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