Kleinkunstbühne Weihlachmühle:Ende einer Institution

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Die Geschwister Well (Biermösl Blosn, Wellküren) waren hier zuhause. Jetzt verkauft Berti Well seine Bühne.

Wolfgang Eitler und Renate Zauscher

Die Zeit der Tränen ist vorbei. "Geweint habe ich bereits", sagt Berti Well. "Jetzt bin ich erleichtert." Er verpachtet die Wirtschaft mit der ersten Kleinkunstbühne des Landkreises nicht nur, die von der kleinen Ortschaft Thalhausen bei Altomünster weit in die ganze Region München und bis nach Augsburg ausstrahlte. Diesen Schritt hatte er schon 2003 gewagt und kurze Zeit später bereut. Berti Well zieht mit 67 Jahren einen Schlussstrich. Er verkauft das gesamte Anwesen. Ein Ort wird Geschichte, der viele Künstler magisch anzog.

Berti Well verabschiedet sich als Wirt der Weihlachmühle bei den Musikern der Mondschei' Briada. (Foto: Toni Heigl)

Jörg Hube zum Beispiel. Der Schauspieler und Kabarettist war sterbenskrank und hatte alle Auftritte abgesagt. Aber dann rief er in Thalhausen an. "Ich komme." Und spielte gemeinsam mit Lebensgefährtin Beatrix Doderer nochmals das Zwei-Personen-Stück "Sugardaddy". "Das sind Sachen", sagt Berti Well, "die einem sehr nahe kimma."

Fritz und Maria Schiela aus Dachau ergeht es mit der Zäsur, die ihr Freund unter die Weilachmühle setzt, nicht anders. Jedes Jahr sind sie mit ihrer Vogel-Wick-Wack-Musi aufgetreten und haben zum Volkstanz aufgespielt. Marianne Schiela sagt: "Das alles kommt uns hart an. Die Weilachmühle war doch eine kulturelle Institution. Wir waren sehr, sehr gerne dort."

1981 fing Berti Well mit dem Rothenfußer in Kleinberghofen an, einer historischen Wirtschaft, in der Ludwig Thoma schon gerne eingekehrt war. Dort hatte Gerhard Polt seine ersten Auftritte im Landkreis, Dieter Hildebrandt (Berti Well: "Für mich ein Genie") fand den Weg ins Dachauer Hinterland. Herbert&Schnipsi starteten ihre Karriere. Die junge Biermösl Blosn wagte sich auf die Bühne. Die späteren Wellküren kochten und bedienten Tag für Tag. Mutter Gertraud war die offizielle Pächterin, denn Berti Well befand sich damals noch im Staatsdienst als Lehrer. Er durfte, rechtlich gesehen, keine Wirtschaft führen. 1986 eröffnete er die Weilachmühle.

Gertraud Well sitzt traurig beim Abschiedsessen für ganz Thalhausen. Die 91-jährige "Mutti" war die Seele des Betriebs. Zwei Jahrzehnte lang ist sie regelmäßig viele Kilometer mit dem Moped von Günzlhofen aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck nach Thalhausen gefahren, um hier den Garten zu pflegen, ihre berühmten Kiacherl zu backen und hin und wieder auch einen zünftigen Schafkopf am Stammtisch mitzuspielen.

Überhaupt war die Mühle eine Art Oase für die ganze Familie mit mehr als 40 Enkeln und Urenkeln. Berti Well hatte das Anwesen 1984 erworben und in historischer Gestalt wiederaufgebaut. Sein älterer Bruder Hermann, Kreisrat der Freien Wähler aus Altomünster, ehemals Rektor der Grundschule in Röhrmoos und leidenschaftlicher Volksmusiker, kommt der Einschnitt bitter an. Er war beim Umbau der Mühle dabei. Regelmäßig lud er dort zum Volkstanz: "Wenn ich jünger wäre, ich würde die Wirtschaft sofort übernehmen." Aber es hat sich niemand in der Familie gefunden, der das Anwesen weiterführen, vor allem dorthin ziehen wollte: "Wir haben alle Varianten überlegt."

Das gilt nicht nur für die Wells. Die Thalhausener fragen sich beim Abschiedsessen, wie es weitergeht. Gemeinderat Christian Schweiger bedauert: "Was das Menschliche angeht, das über die Jahre hier gewachsen ist, erleiden wir einen großen Verlust." Auch er vermutet, dass es sicher nicht leicht ist, jemanden zu finden, der die Kleinkunst auf dem bisherigen Niveau fortsetzt. Berti Well deutet auf dem Fest bloß an, dass er auf einen Nachfolger hofft. Er bedankt sich bei seinen Gästen, die in all den 25 Jahren die Belastungen der Wirtschaft ertragen hätten. "Es war wirklich eine gute Zeit." Keiner habe sich jemals beschwert, wenn Autos die Garageneinfahrten zugeparkt hatten. Zum Abschluss gibt es von einem der Stammtische noch einen Benzingutschein, der für die Fahrt eines Hanomags mit Anhänger tief hinein nach Ungarn ausreichen dürfte. Berti Well zieht in die Nähe der europäischen Kulturhauptstadt Pécs, inmitten von Thermalquellen und weiten Landschaften. Dort hat er über die Jahre einen kleinen Hof aufgebaut und enge Kontakte geknüpft.

Aber warum gerade jetzt? Einige Tage nach Silvester und dem wehmütigen Abschied von Thalhausen wirkt er am Telefon entspannt und erläutert seine Entscheidung. "Meine Tochter will die Wirtschaft nicht übernehmen." Er selbst fühlt sich nicht mehr gesund genug. Er ist es auch nicht. Die Nachfolgerfrage lässt sich anscheinend besser regeln als erwartet: "Die Verhandlungen laufen gut, auch weil ich unter keinem finanziellen Druck stehe."

Familie und Freunde sind gespannt, ob Berti es wirklich in Ungarn aushält. Gertraud Well hat er schon versprochen, zur hohen Zeit der Volksmusik im Herbst und späten Frühjahr auf jeden Fall zurückzukehren und bei den Well-Buam mitzuspielen. "Das war die Bedingung von Mutti." Sonst hätte er nicht gehen dürfen. Im Frühjahr zieht er mit seinen zwei Eseln, zwei Ziegen, drei Pfauen, zwei Hunden und einer Vielzahl von Hühnern weg. Berti wäre aber kein echter Well, wenn er nicht schon die Idee eines Urlaubsdomizils in Ungarn verfolgen würde. "Ich werde dort ein Gästehaus aus Holz bauen." "Dann", sagt er und lacht dabei, "habe ich wieder ein Gastronomie im Kleinen."

© SZ vom 05.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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