Kreislaufwirtschaft:Der erste Schritt zur Bauwende

Lesezeit: 2 min

Natürlich sind auch die Bestandteile des Hebertshausener Rathauses im Baustoffkataster enthalten. (Foto: Toni Heigl)

Die Gemeinde Hebertshausen hat als erste Kommune in Deutschland die Baumaterialien der kommunalen Liegenschaften digital erfasst.

Von Alexandra Vettori, Hebertshausen

Mit schöner Regelmäßigkeit kommen die Erfolgsmeldungen aus Hebertshausen, zuletzt beim vorbildlichen Umgang mit Geflüchteten. Jetzt hat die 6000-Einwohner-Gemeinde vor den Toren Dachaus wirklich die Nase vorn: Als erste Kommune in ganz Deutschland hat sie die in den gut 20 gemeindlichen Liegenschaften enthaltenen Baumaterialien digital erfasst.

Was klingt, wie ein trockener bürokratischer Verwaltungsakt, ist nicht weniger als der erste Schritt hin zur Bauwende. Diese ist zusammen mit der gerade unter starken Geburtswehen begonnenen Energiewende eine Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften in der Zukunft. Dabei, so stimmen Fachleute aller Richtungen überein, wird Kreislaufwirtschaft eine tragende Rolle spielen. Das Verbesserungspotenzial im Bausektor ist riesig, die Branche verarbeitet laut Umweltbundesamt mehr als 70 Prozent aller abgebauten Rohstoffe in Deutschland, ein UN-Bericht von 2020 geht davon aus, dass sie mittlerweile für 38 Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich ist.

Ein Kataster als virtueller Marktplatz

Hier setzt das Baustoff-Kataster an: "Wir haben das heute verstanden, was morgen alle machen werden", sagt Alexandra Niedenhoff selbstbewusst, sie ist kaufmännische Vorsitzende der beiden Hebertshausener Kommunalunternehmen Wohnungsbau und Energie. Seit vergangenem Sommer im Amt hat sie eigenhändig die Baustoffe in den gemeindlichen Gebäuden erfasst und digitalisiert, vom Feuerwehrhaus bis zur Lagerhalle, von Stahlträgern und Holzfenstern bis zu giftigen Baustoffen in älteren Bestandsbauten. Vor allem bei Letzteren ist die Erfassung nicht ganz einfach: Wo konkrete Daten fehlen, muss man sich mit Schätzungen behelfen.

Die Idee hinter der digitalen Erfassung ist, ein öffentliches Kataster aufzubauen und so langfristig einen virtuellen Marktplatz für Secondhand-Baumaterial zu schaffen. Für jedes Stück, das anderswo wiederverwendet werden kann, braucht es keinen klima- und umweltschädigenden Abbau von Primärrohstoffen und keine ebenso schädliche Produktion von Neuware. "Bis jetzt haben wir fröhlich alles abgerissen und weggeworfen. Künftig wird Baumaterial im Idealfall wiederverwertet und dadurch zum Sekundärrohstoff. Da wird eine komplett neue Industrie entstehen, es gibt schon sehr viele interessante Ansätze", ist Niedenhoff überzeugt.

Madaster gibt es seit sechs Jahren

Einer dieser interessanten Ansätze ist das öffentliche Kataster, in das Hebertshausen jetzt als deutschlandweit erste Kommune seine Liegenschaften eingespeist hat. Anbieter der Online-Plattform ist Madaster, gegründet 2017 in den Niederlanden als Stiftung. Initiator war der Architekt Thomas Rau, der auch als Pionier der Kreislaufwirtschaft gilt. Für Madaster arbeitet er mit Akteuren der Bauwirtschaft zusammen, in Belgien, Norwegen, Österreich, der Schweiz, Großbritannien und seit 2020 auch in Deutschland. Entstanden ist eine Plattform, auf der Planungs- und Baubeteiligte Informationen zu verbauten Materialien und Rohstoffen eines Gebäudes hinterlegen. Über Jahreslizenzen erstellen sich Hersteller, Architekten, Projektentwickler und andere Unternehmen einen Zugang.

Gerade ist Madaster mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2024 in der Kategorie Bauindustrie ausgezeichnet worden, Ende November findet die Verleihung in Düsseldorf statt. Inzwischen gibt es mehrere Anbieter von Online-Baustoffpreisen, die auch Materialpässe für Gebäude ausstellen. Den gibt es auch bei Madaster, hier zeigt dieser auch noch an, wie viel die verbauten Rohstoffe wert sind.

Kreislaufwirtschaft als Zukunftsmodell

Die Erfassung der Hebertshausener Kommunalliegenschaften sei kein großes Ding gewesen, sagt Alexandra Niedenhoff: "Wir sind so klein, es war kein Problem, das mit der Hand einzutragen. In München wäre das eine andere Sache gewesen." Freilich ist die Geschäftsführerin der Hebertshausener Kommunalunternehmen auch nah dran am Thema. Bevor sie den neuen Job im Landkreis Dachau angetreten hat, arbeitete die 55-Jährige als kommunale Kreislaufmanagerin beim Projekt "Bergisch Circular". Dazu haben sich die Kommunen Wuppertal, Solingen und Remscheid zusammengeschlossen, um eine Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Der Kreislaufwirtschaft gehört die Zukunft, ist Niedenhoff überzeugt, "schon allein, weil es kostengünstiger ist". Parallel sitzt sie derzeit am Konzept für das in der Gemeinde geplante Gesundheitshaus. Auch da wird der zirkuläre Ansatz einfließen. Solle die Bauwende Wirklichkeit werden, gebe es nur zwei Möglichkeiten, argumentiert Niedenhoff: "Entweder ich baue nachhaltig aus nachwachsenden Stoffen oder mit Sekundär-Rohstoffen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusInternet
:Maschine für alle Fälle

Wie kann Künstliche Intelligenz den Berufsalltag erleichtern? Wie setzt man als Unternehmer Programme wie Chat GPT richtig ein? Wo lauern mögliche Gefahren? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, besuchen Dachauer Firmeninhaber einen Vortragsabend im Gründwerk.

Von Martin Wollenhaupt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: