Sommer auf der Thoma-Wiese:Volksfest light

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Der Sommer auf der Ludwig-Thoma-Wiese ist die coronakonforme Alternative zum Dachauer Volksfest. Es gibt Fahrgeschäfte, einen Biergarten, sogar eine Lounge. Trotzdem ist in diesem Jahr alles ein bisschen anders. Ein Besuch

Von Karolin Arnold und Johannes Rockstuhl, Dachau

Blickt man aus der Ferne auf die Festwiese, wirkt alles fast normal: Da steht das Riesenrad, der süßliche Duft von gebrannten Mandeln liegt in der Luft, laute Musik ist zu hören, unterlegt mit auffordernden Durchsagen diverser Fahrgeschäfte näherzutreten. Folgt man diesem Appell, merkt man schnell, dass längst nicht alles so ist wie immer. Das Dachauer Volksfest fällt nämlich zum zweiten Mal in Folge aus, dafür findet der sogenannte Sommer auf der Thoma-Wiese statt. Man könnte auch sagen ein Volksfest light: Weniger Fahrgeschäfte, Maskenpflicht und die strikte Trennung zwischen "Freizeitpark" und "Biergarten" mit unterschiedlichen Check-Ins. Ein Besuch.

Anstatt eines Volksfestes veranstaltete die Stadt 2021 einen "Sommer auf der Thoma-Wiese". (Foto: N. P. Jørgensen)

Nachmittags unter der prallen Sonne spiegelt sich diese Light-Version auch in der Besucherzahl wider. Im Biergarten könnte man die Abstandsregelung locker noch ausweiten, und auch das Parkgelände wirkt trotz Sommerferien und endlich gutem Wetter erstaunlich leer. Der Sommer auf der Thoma-Wiese findet zwar statt, doch die Zahl der Besucherinnen und Besucher ist ausbaufähig. Vor allem die Schaustellerinnen und Schausteller der Fahrgeschäfte müssen darunter leiden. Michael Böhme, Schausteller in vierter Generation, betreibt das Riesenrad und freut sich über jeden, der damit ein paar Runden fahren will. "Immerhin geben die wenigen Leute, die da sind, Geld aus", meint Böhme. Er zieht seine Maske wieder über seinen vollen Rauschebart und dreht sich zu einer Familie um, die in einen Waggon einsteigen will. Über das lange Corona-Jahr 2020 sei er finanziell mit den staatlichen Hilfen über die Runden gekommen. Dennoch ist er überglücklich, die Chance zu haben, an dieser Volksfestalternative teilnehmen zu können. "Unser Leben ist hier auf dem Platz", sagt Böhme und weist darauf hin, dass nicht nur den Besucherinnen und Besuchern das Volksfest fehle, sondern auch den Schaustellerinnen und Schaustellern. Man kennt sich, trifft sich in den verschiedensten Städten und freut sich immer, gemeinsam abends beim Stammtisch zusammenzusitzen. "Ich bin froh, dass ich wieder draußen bin", sagt Böhme. Auch wenn er zugeben muss, dass sich das wirkliche Volksfestgefühl auch bei ihm noch nicht so richtig einstellen will. Die Grenze zwischen Freizeitpark und Biergarten nimmt aus Sicht von Michael Böhme viel von einer richtigen Volksfestatmosphäre weg.

Auch Schausteller Michael Böhme ist mit dem bisherigen Verlauf des Volksfestes zufrieden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Renate Wolf, Besucherin der Thoma-Wiese, stört sich daran nicht. Sie ist bereits zum zweiten Mal mit ihrer Familie hier und findet, es wurde das Beste aus der Situation gemacht. Vor allem kleine Kinder hätten an diesem Mini-Volksfest viel Spaß, auch wenn es für die Jugendlichen vielleicht etwas langweilig sei. Dass die Testpflicht für das Gelände aufgehoben wurde, befürwortet Wolf sehr. Das mache die ganze Sache viel leichter und unkomplizierter. Sicher fühlt sie sich trotzdem. Es herrsche ja in dem gesamtem Freizeitpark eine FFP2-Maskenpflicht und Abstand könne man bei der geringen Besucherzahl gut einhalten. Auch Schausteller Böhme war von der sogenannten 3G-Regelung - geimpft, getestet, genesen - nicht gerade überzeugt: "Das war Käse", sagt er und berichtet von einer Ansammlung von Menschen vor dem Gelände, die ewig auf ein Testergebnis warten mussten, um rein zu dürfen.

Stefan Kosuch ist Teil des Securityteams am Eingang zum Biergarten und zieht bisher eine positive Bilanz. Die Besucher hielten sich an die Regeln, und auch das Ende der Festlichkeiten um 22 Uhr werde akzeptiert. "Spätestens um viertel nach zehn ist der letzte draußen." Nur nach der dritten Maß sei das etwas komplizierte Check-In-System für viele dann noch eine Hürde. Er lacht und dreht sich zu einem Besucher um, der fragt, wie man sich am besten registriert. Darauf Kosuch: "Sie füllen den Zettel hier aus und gewinnen dann morgen die zehntägige Quarantäne." Dem folgt nur ein etwas verhaltenes und nervöses Lachen des Besuchers. Fertig registriert bietet der wenig besuchte Biergarten bei strahlendem Sonnenschein noch freie Platzwahl.

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Am Abend, wenn das Sonnenlicht den farbenfrohen Beleuchtungen weicht, füllt sich der Biergarten mit mehr Leben als am Mittag. Wachmann Kosuch und seine Kollegen sitzen noch immer am Eingang und achten auf die Einhaltung der Coronaauflagen. Die Maske tragen die Besucher bis zum Tisch, doch einmal dort angekommen scheint das Pandemiegeschehen augenscheinlich in Vergessenheit zu geraten, die Stimmung ist ausgelassen. Ewald Zechner, Wirt und Betreiber des Biergartens, freut sich darüber: Die Menschen seien positiv und friedlich gestimmt. Am Mittag habe er vermehrt Familien als Gäste und am Abend kämen die Leute in Gruppen zum Reden, Trinken und Essen. Sein Ziel, echte "Biergartenstimmung" zu erzeugen, sei gelungen, findet er. Ein bisschen anders als auf dem Dachauer Volksfest ist die Atmosphäre aber dann doch: Man sucht vergeblich tanzende Menschen, die ausgelassen feiern und das ein oder andere Bier zu viel bestellt haben. Schaut man sich an den Tischen um, prägt stattdessen ein geselliges Beisammensein das Bild, und gut besucht ist der Biergarten jetzt allemal. Mit den Besucherzahlen ist der Gastronom Zechner jedenfalls zufrieden. Am Mittwochabend lag sie nach Angaben des Wirts bei circa 1400 Personen und auch die Tage davor war sie seinen Angaben zufolge nicht unter 1200, auch wenn das Wetter nicht jeden Tag mitspielte.

Ewald Zechner zieht eine weitestgehend positive Bilanz zum bisherigen Sommer auf der Thoma-Wiese. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein paar Schritte weiter auf dem Platz, vorbei an Bierausschank und Pflanzendeko, tritt man in eine überdachte Lounge. Auch das ein ungewohntes Bild auf der Thoma-Wiese. Eingetaucht in eine Mischung aus pinkem, lila und orangem Licht sitzen vor allem junge Besucher auf großen Polsterkissen oder tummeln sich an Stehtischen an der Seite. Der Mittelgang führt direkt zur Bar. Über deren Tresen gehen aber nicht nur Biere, sondern auch allerlei Gläser gefüllt mit bunten Flüssigkeiten und mit Beeren verziert. Auch wenn die basslastige Musik in diesem abgetrennten Bereich, die Beleuchtung und die allgemeine Stimmung eher an Club als an Volksfest oder Biergarten erinnern, sucht man auch hier vergeblich tanzwütige Personen. Dass das in jedem Jahr nicht erlaubt ist, scheint größtenteils verinnerlicht zu sein. Nichtsdestotrotz blickt man in viele lachende und heitere Gesichter, die sich scheinbar schlicht daran erfreuen, zusammen Spaß haben zu können.

Abends zieht es die Menschen in den Biergarten oder die Lounge. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vorbei an Menschen in Dirndln und Lederhosen tritt man aus der Lounge wieder mitten in den Biergarten. Lässt man den Blick nach oben schweifen, findet sich die Beleuchtung in den Baumkronen wieder, deren Licht die Bierbänke in bläuliche Töne hüllt. Gegen 21 Uhr sieht man dann auch wieder vereinzelt leere Tische. Doch auch 30 Minuten vor der letzten Runde ist der Biergarten noch recht belebt. In der Mitte des Platzes sorgt eine Liveband für die musikalische Untermalung und vereinzelt sieht man Menschen mit den Füßen wippen. Als die Sängerin die Zeilen "Du gehörst zu mir, wie mein Name an der Tür" singt, fangen auch die ein oder anderen Bierbänke vom Schunkeln der Leute an zu wackeln. Auf einem Schild steht: "What happens in the Biergarten, stays in the Biergarten." Frei übersetzt bedeutet das so viel wie: Was im Biergarten passiert, bleibt im Biergarten. Angesichts der eher ruhigen und besonnenen Atmosphäre der meisten Gäste, muss aber wohl ohnehin keiner Sorge haben, dass etwas passieren könnte, was nicht coronakonform wäre.

Am Tisch einer Gruppe junger Leute wird deutlich, dass die Sehnsucht nach Geselligkeit größer ist als der Ärger darüber, dass kein Volksfest wie sonst stattfindet. Früher hätten sie sich freigenommen, um die Tage des Dachauer Volksfestes in vollen Zügen genießen zu können. Dies sei in diesem Jahr nicht der Fall, da der Biergarten nicht zu langen Nächten einlade. Doch die traditionellen Volksfestgänger vom Gündinger Burschenverein haben das Beisammensein vermisst und das Volksfest light sei in der aktuellen Situation, da sind sich alle einig, "besser als nichts".

© SZ vom 13.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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