Wissenschaftliche Konferenz:Die Geschichtsvergessenheit der extremen Rechten

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Zum Abschluss des Symposiums soll es um die Frage gehen, wie die Gesellschaft insgesamt und ganz speziell die KZ-Gedenkstätten rechtem Geschichtsrevisionismus begegnen können. (Foto: Toni Heigl)

Beim Dachauer Symposium im Oktober geht es um Verschwörungsideologien, die Kontinuität von Feindbildern und darum, wie die Gesellschaft diesen begegnen kann.

Von Walter Gierlich, Dachau

"Geschichtsvergessenheit und die extreme Rechte in Deutschland" - das ist der Titel des diesjährigen Dachauer Symposiums zur Zeitgeschichte. Wie anders als geschichtsvergessen kann man es nennen, wenn der Ehrenvorsitzende einer in weiten Teilen rechtsextremen Partei die Nazizeit und ihre millionenfachen Morde als "Vogelschiss" bezeichnet oder der Thüringer Landesvorsitzende derselben Gruppierung im NS-Jargon kundtut, dass die EU sterben müsse, damit Europa leben könne.

Sybille Steinbacher, Historikerin an der Goethe-Universität und Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt, hat als Projektleiterin der Dachauer Veranstaltungsreihe im Oktober wieder ein hochaktuelles Thema und mit Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, einen dafür hochqualifizierten wissenschaftlichen Leiter gefunden. Denn Wagner ist auch Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

"Zwischen Schuldabwehr, Schuldumkehr und Instrumentalisierung" lautet der Titel von Wagners Einführungsreferat zum Auftakt des Symposiums, in dem er den rechten Geschichtsrevisionismus in Deutschland umfassend ins Blickfeld rücken wird. Die anschließenden Vorträge handeln von verschiedenen Formen des Geschichtsrevisionismus: So beschäftigt sich etwa Politikwissenschaftler Fabian Virchow aus Düsseldorf mit dem Milieu der Coronapandemie-Leugner. Außerdem wird "Jüdische Traumatradierung und ihre Thematisierung in der Mehrheitsgesellschaft" über Generationen hinweg bei Julia Bernstein (Frankfurt am Main) zum Thema. Gefolgt vom Vortrag über Rechtsterrorismus und dessen "Motive und Traditionen der Zerstörung von Geschichte und Gedenken im Kontext rechter Gewalt", über die Imanuel Baumann (Nürnberg), Leiter des Erinnerungsortes, an die Nürnberger Prozesse berichtet.

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Der Publizist Volker Weiß aus Hamburg befasst sich mit Geschichtsumdeutungen der Neuen Rechten, an den Beispielen "Schuldkult" und "linke Nazis". Konkret geht es ihm um den Geschichtsrevisionismus der AfD sowie deren Akteure, um Inhalte und Organe der Partei geht es anschließend bei Markus Linden aus Trier. Den ersten Tag des Symposiums beendet Maik Fielitz aus Jena mit seinen Ausführungen über digitale Parallelwelten und die Revisionen von Gegenwart und Vergangenheit durch rechte Alternativmedien.

"Ressentiment-Maschinen" nennt Justus H. Ulbricht (Dresden) zum Auftakt am Samstag die Produkte, mit denen Verlage der Neuen Rechten die Köpfe via Lektüre erobern wollen. "Wem gehört Bonhoeffer?", fragt Arnd Henze, Journalist und Mitglied der EKD-Synode, angesichts von Bestrebungen der Rechtsevangelikalen, den kirchlichen Widerstand für sich zu vereinnahmen.

Kulturelle Homogenität ist eine Idee der Identitären

Welche Ideologien hinter dem Geschichtsrevisionismus stecken, möchten der Historiker Maik Tändler (Berlin), die Journalistin Heike Kleffner (Berlin) und die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl (Wien) aufzeigen: Tändler spricht über den "Nationalmasochismus" und dessen Abwehr von Vergangenheitsbewältigung. Heike Kleffner spricht über Verschwörungsideologien, die Aktualisierung von Feindbildern und Opfermythen. Natascha Strobl erklärt schließlich, was die Ideen von der kulturellen Homogenität der sogenannten Identitären bedeuten.

Nachdem es an den zwei Tagen viel um die Gefahren für die Demokratie durch Rechte und Rechtsextreme gehen wird, soll eine Podiumsdiskussion zum Abschluss des Symposiums der Frage nachgehen, wie die Gesellschaft insgesamt und ganz speziell die KZ-Gedenkstätten rechtem Geschichtsrevisionismus begegnen können. Neben Jens-Christian Wagner und der Dachauer KZ-Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann werden Natascha Strobl und Volker Weiß unter Leitung von Sybille Steinbacher über das Problem debattieren.

Das Dachauer Symposium findet am Freitag und Samstag, 13. und 14. Oktober, wie immer im Max Mannheimer Studienzentrum statt. Anmeldungen unter: www.mmsz-dachau.de/studienprogramme/dachauer-symposium . Beginn ist am Freitag um 13 Uhr, Tagungsende am Samstag um 12.30 Uhr. Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus der Stadt Dachau zahlen keine Teilnahmegebühr.

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