Neue Pflanzen:Platz da!

Lesezeit: 2 min

So schön es aussieht, so gefährlich ist es für heimische Pflanzen: das indische Springkraut. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In der Dachauer Pflanzenwelt herrscht ein Verdrängungswettbewerb: Sogenannte Neophyten breiten sich auf Kosten heimischer Arten aus. Wie Umweltschützer im Landkreis auf das Problem reagieren

Von Eva Waltl, Dachau

In Europa tobt ein Kampf zwischen Nagern: Das aus Nordamerika stammende Grauhörnchen ist dabei, das heimische Eichhörnchen zu verdrängen. In England etwa gebe es laut Naturschutzbund "nur noch Reste" der heimischen Art, auch Deutschland könnte ins Visier der wanderfreudigen Grauhörnchen geraten. Ein ähnlicher Verdrängungswettbewerb in der Dachauer Pflanzenwelt ist schon längst Realität. In der Hauptrolle: Neophyten, also Pflanzenarten, die hierzulande nicht heimisch sind, sich aber trotzdem dauerhaft etabliert haben. Manche Neophyten bedrohen die heimische Flora und Fauna, andere sind uns längst ans Herz gewachsen, zum Beispiel die Kartoffel.

Der Begriff Neophyt stammt aus dem Griechischen und bedeutet "neue Pflanze". Laut Bundesamt für Naturschutz versteht man darunter gebietsfremde Pflanzenarten, die vor der Entdeckung Amerikas in Europa nicht heimisch waren. Auf verschiedensten Wegen kamen sie aus Nordamerika und Ostasien nach Europa. Einmal angekommen, "wird man die Arten nie wieder komplett wegbekommen", so Sybille Hein vom Natur- und Landschaftsschutz Dachau. Schon seit vielen Jahren bereitet diese Entwicklung dem Landkreis große Schwierigkeiten.

Das Hauptproblem mit Neophyten: Sie werden bis zu zwei Meter hoch und nehmen heimischen Pflanzen schlicht den Platz zum Wachsen. Grundlegend betrifft die hiesige Ausbreitung der Neophyten sowohl die Insekten- als auch die Pflanzenwelt. Selbst für Menschen können bestimmte Arten gefährlich werden. Peter Heller vom Bund Naturschutz (BN) in Dachau beklagt die Ansiedlung nicht-heimischer Pflanzen in der Region. Vor allem die kanadische Goldrute, das indische Springkraut und die Riesenbärenklau bereiten ihm Sorgen. "Die Neophyten siedeln sich nach und nach hier an und verdrängen unsere Pflanzen", so Heller. Die kanadische Goldrute und das indische Springkraut verbreiten sich besonders häufig an Uferregionen. Auch an der Amper gebe es zu viel von dem indischen Springkraut. Weitere "Hotspots" im Landkreis gebe es etwa in Dachau-Ost in Richtung Kräutergarten oder in der Alten Würm, sagt Sybille Hein. Waldränder seien ebenfalls betroffen. Laut BN seien diese Gebiete für den Erhalt der Artenvielfalt aber besonders wichtig. Heller unterstreicht, man müsse nicht-heimische Pflanzen von Waldrändern fernhalten, um "die Verarmung der Landschaft" zu verhindern. Der Kontakt mit der Riesenbärenklau könne auch für Menschen gefährlich sein und zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen, warnt auch Hein. Der Pflanzensaft enthalte Stoffe, die giftig für den Menschen sind und unter Sonnenlicht Verbrennungen verursachen könnten. Hein empfiehlt daher bei jeder Arbeit mit der Bärenklau immer das Tragen von Schutzanzügen.

Es gibt allerdings auch gute Seiten der "neuen Pflanzen". Bestimmte Neophyten können nützlich sein: Wolfgang Niedermeier vom Kreisimkerverein Dachau betont, dass das indische Springkraut für Bienen eine wichtige Futterquelle darstelle. Dennoch betrachtet auch er die schnelle Ausbreitung mit Sorge. Denn "sobald die Bienen etwas finden, versuchen sie es natürlich einzutragen und das sieht die Natur nicht in diesem Ausmaß vor". Die Leistung, die eine Biene im Frühjahr bräuchte, ist dann bereits im Winter abgearbeitet. Niedermeier betont, wie wichtig "ein gescheiter Frost" am besten schon Mitte Oktober wäre, damit "die Zwischenfrüchte und das Springkraut umkippen". Geschehe das nicht, tragen die Bienen weiter ein, der natürliche Zyklus gerate in Ungleichgewicht.

Die Einführung der Neophyten erfolgte aber nicht ausschließlich unbeabsichtigt. Laut dem Bundesamt für Naturschutz wurde die Hälfte der hier etablierten Pflanzen als Nutzpflanzen bewusst eingeführt. So zum Beispiel eben die Kartoffel, die Tomate oder der Mais. Problematisch sind somit nur jene Neophyten, die sich unkontrolliert vermehren und heimische Flora verdrängen. "Dagegen etwas zu tun, ist schwer. Man bräuchte Heerscharen von Menschen und staatliche Mittel", so Heller. Der Kampf ist nur schwer zu gewinnen. Gezielte Maßnahmen können aber helfen, heimische Arten zu schützen.

Der BN Dachau organisiert seit Jahren sogenannte "Neophyten-Aktionen". Von Mitte Mai bis Mitte August befreien Freiwillige einmal pro Woche das Gebiet der Amperauen von indischem Springkraut und kanadischer Goldrute. Diese Aktionen versprechen Erfolg und würden laut Heller dazu beitragen, die Ausbreitung einzudämmen. "Würde man nichts machen, verschwinden heimische Pflanzen komplett."

© SZ vom 02.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: