Landkreis Dachau:Vernachlässigte Retter

Lesezeit: 3 min

Halten die kritische Infrastruktur am Laufen: THW-Pressesprecher Sven Langer (links) und Kreisbrandinspektor Maximilian Reimoser. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Einsatzstunden der Ehrenamtlichen von Feuerwehren und Technischem Hilfswerk haben durch die Pandemie stark zugenommen. Gleichzeitig geht den Helfern der Nachwuchs aus. Was sie aber vor allem vermissen: Solidarität.

Von Jacqueline Lang, Bergkirchen

Die vergangenen eineinhalb Jahre waren für den gesamten Landkreis eine Herausforderung. Das gilt auch für die ehrenamtlichen Einsatzkräfte des Dachauer THW sowie die Feuerwehrler im Landkreis. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Test- und Impfzentren zeitnah aufgebaut und Masken flächendeckend ausgeliefert wurden sowie Impfaktionen reibungslos stattfinden konnten. Nun ziehen THW-Pressesprecher Sven Langer und Kreisbrandinspektor Maximilian Reimoser zum zweiten bayernweit ausgerufenen Katastrophenfall, der von Dezember bis Juni andauerte, eine Zwischenbilanz. Vor allem um ihren Nachwuchs machen sie sich große Sorgen.

Grundsätzlich, da sind sich die beiden einig, ist bislang alles den Umständen entsprechend gut gelaufen. Schließlich habe sich trotz dieser für alle neuen Situation gezeigt, dass die internen Abläufe funktionieren. Aber, und hier, setzt die Kritik der beiden an: das für das Vereinsleben Wesentliche - die Kameradschaft - sei viel zu kurz gekommen. Dafür haben Langer und Reimoser zwar einerseits Verständnis, immerhin sei man als Feuerwehrler oder THWler Teil der "kritischen Infrastruktur" und müsse deshalb innerhalb der Mannschaften besondere Vorsicht walten lassen.

"In der Jugend hat uns das wahnsinnig viel gekostet"

Andererseits hätten sie sich gerade für die Ausbildung des Nachwuchs mehr Handlungsspielräume gewünscht. Teilweise habe es vom Bayerischen Innenministerium über Monate keine neuen Regelungen für die Ausbildung der jungen Feuerwehrler gegeben - obwohl sich das Infektionsgeschehen zwischenzeitlich dramatisch verändert habe, kritisiert Reimoser. So sei es schwer, die Jugendlichen bei der Stange zu halten, vor allem aber gefährde das über kurz oder lang auch die Einsatzfähigkeit. "Wenn du da nichts mehr nach kriegst von unten, dann wird's irgendwann dünn", so der Kreisbrandinspektor.

Schließlich hat man sich Ende des vergangenen Jahres dazu entschlossen, selbst tätig zu werden. Seitdem bilden die Feuerwehren im Landkreis in Kleingruppen aus. Nach einem eigens konzipierten Ampelmodell, das an die jeweiligen Inzidenzen angepasst ist, wird entschieden, wie viele in einer Gruppe an den Übungseinheiten teilnehmen dürfen. Das THW verfährt laut Langer ähnlich. Wie sein Kollege von der Feuerwehr sagt aber auch er: "In der Jugend hat uns das wahnsinnig viel gekostet." Deren Ausbildung sei wichtig - auch und gerade in Zeiten einer Pandemie. Von den Verantwortlichen würden sie aber, wie in so vielen Bereichen vernachlässigt.

Ob und wie viele Mitglieder sie pandemiebedingt verloren haben, können weder Langer noch Reimoser eindeutig beziffern. Immerhin sei derzeit noch unklar, wer nur weiter vorsichtig sei und deshalb nicht zu Treffen komme oder wer in den vergangenen Monaten gänzlich das Interesse verloren habe. Zudem, so Langer, habe es gerade zu Beginn der Pandemie und auch jetzt bei der Hochwasser-Katastrophe viele gegeben, die hätten helfen wollen. Alle, die jetzt anrufen, muss Langer allerdings trotz der Hilfe, die so dringend benötigt wird, auf das kommende Jahr vertrösten: Er kann niemand in ein Krisengebiet schicken, der nicht ausgebildet ist.

THW und Feuerwehr fordern, dass jeder sich impfen lassen sollte

Noch etwas anderes haben die vergangenen Monate aber offengelegt: Rein technisch sind weder das THW noch die Landkreis-Feuerwehren auf dem neuesten Stand - zumindest wenn man von den Einsatzgerätschaften einmal absieht. Die ganzen Treffen und Besprechungen, die coronabedingt größtenteils online stattfinden mussten und müssen, wären ohne private Geräte nicht möglich gewesen, sagt Langer. Die Geräte in der Einsatzzentrale und auch die darauf installierten Programme seien zwar aus datenschutztechnischer Sicht sicher, aber das bedeutet eben auch, dass sie nicht immer problemlos genutzt werden könnten. Ohnehin steht für Reimoser aber eines fest: "Trotz aller technischen Fortschritte geht es langfristig nicht ohne das Zusammensein."

Experten warnen, dass die Corona-Pandemie erst die erste von vielen weiteren in den kommenden Jahrzehnten sein könnte. Ist der Landkreis darauf vorbereitete? "Für eine hoffentlich nicht eintretende nächste Pandemie haben wir zumindest einen Plan, wie es funktionieren kann", sagt Reimoser. Allerdings sei auch klar: Viel besser als jetzt könne man sich nicht vorbereiten. Denn was nütze es, haufenweise Masken und Desinfektionsmittel zu horten, das dann alle paar Jahre weggeschmissen werden müsse? Und eine Blaupause für andere Katastrophen, die den Landkreis in Zukunft noch ereilen könnten, sei die jetzige Situation auch nicht. Als THWler oder Feuerwehrler sei man es aber gewohnt, sich innerhalb kürzester Zeit auf eine neue Situation vorzubereiten. Darauf einstellen, dass zumindest bei Einsätzen noch sehr lange Masken getragen werden müssten, könne man sich als Ehrenamtlicher wohl auf jeden Fall, vermutet Reimoser.

Gibt es etwas, dass sie sich für die kommenden Monate und eine womöglich bevorstehende vierte Welle wünschen würden? "Solidarität", sagt Reimoser. Immerhin könnten sich die Einsatzkräfte im Ernstfall nur bedingt schützen. Gerade wenn es um Leben und Tod gehe, könnten Abstände nicht immer eingehalten werden. Gerade deshalb sei es wichtig, dass jede und jeder, der sich impfen lassen könne, dies auch tue - um sich selbst, aber eben auch die Ehrenamtlichen bei Einsätzen zu schützen. So sieht das auch Langer: "Die Bevölkerung hat es in der Hand."

© SZ vom 10.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: