Dachau:Debatte um Luftreiniger ist neu entfacht

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Am Dienstag, 14.September, beginnt das neue Schuljahr. In kaum einem Klassenzimmer steht jedoch bislang ein Luftreiniger. (Foto: dpa)

Viele Stadträte, die eine Studie über den Nutzen der Geräten abwarten wollten, sind verunsichert angesichts Söders Äußerung auf dem Gillamoos

Von Jacqueline Lang, Dachau

Welche Maßnahmen zu Beginn des neuen Schuljahres am 14. September gelten werden, ist zumindest weitestgehend geklärt: Alle Schüler werden regelmäßig getestet, es gilt eine generelle Maskenpflicht und für die Jugendlichen ab zwölf Jahren soll es die Möglichkeit geben, sich in der Schule impfen zu lassen. Unklar ist indes nach wie vor, ob, wann und in welchem Umfang Luftreiniger angeschafft werden. Der Landkreis hatte vor der Sommerpause eine Studie, die den generellen Nutzen der Geräte prüft, sowie ein Gutachten, das klärt, wie viele und welche Geräte man bräuchte, in Auftrag gegeben. Diese soll den Nutzen noch einmal prüfen. Alle Landkreiskommunen einschließlich der Stadt Dachau haben sich dafür entschieden, die Studienergebnisse abzuwarten, bevor sie Geld in die Hand nehmen.

Das war freilich, bevor Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner Rede beim politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos am Montag nebenbei verkündete, dass Luftreiniger maßgeblich darüber entscheiden könnten, wie viele Kinder im Fall einer Infektion im Klassenverband in Quarantäne müssen. Laut Söder soll nämlich die Quarantäne ganz entfallen, wenn im Klassenzimmer Luftreiniger stehen und die Schülerinnen und Schüler eine Woche lang täglich getestet werden.

Unter den Dachauer Stadträten, die sich mit einer sehr knappen Mehrheit (8:7) vor der Sommerpause im Familien- und Sozialausschuss gegen die Beschaffung von Geräten entschieden hatten, sorgte jedenfalls die Aussage Söders erneut für Diskussionen: Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der in der Sitzung anders als seine Partei für die Beschaffung der Geräte gestimmt hatte, sagt jetzt: "So etwas habe ich bislang noch nie erlebt." Er verstehe einfach nicht, warum das Kultusministerium so "herumeiert" und sich vehement vor klaren Vorgaben drücke. Seine Vermutung sei, dass man seitens der Landesregierung Angst habe, bei einer klaren Vorgabe auch für die kompletten Beschaffungskosten aufkommen zu müssen.

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Die Aussage Söders sei aber, das betont Hartmann, nicht ausschlaggebend für die Einberufung einer Sondersitzung des Ausschusses am kommenden Dienstag, 14. September, gewesen. Vielmehr sei der Grund dafür eine Aussage des Landkreises, wonach die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Studie wohl nicht, wie ursprünglich gedacht, bis zur Kreisausschusssitzung am 1. Oktober bereitstünden, sondern dass es noch deutlich länger dauern könnte, bis ein aussagekräftiges Ergebnis, auf das auch die Stadträte ihre Entscheidung stützen wollten, vorliegt.

Im Hinblick auf Söders Aussage stellt Hartmann sich die Frage, ob die geänderten Quarantäneregeln für den Landkreis Dachau überhaupt etwas ändern würden, wo doch angeblich das hiesige Gesundheitsamt ohnehin schon jetzt sehr individuell entscheide, wer in Quarantäne muss.

Kommende Woche wird zumindest in Dachau erneut über die Beschaffung der Geräte beraten. Ob der Oberbürgermeister hofft, dass die Entscheidung dann anders ausfällt als beim letzten Mal? Nicht unbedingt. Denn, so Hartmann, er persönlich glaube nicht an den Nutzen der Geräte, solange es dafür keine zweifelsfreien Belege gebe, zumal ja auch mit den Geräten regelmäßiges Lüften die "erste Maßnahme" bleibe. Beim ersten Mal dafür gestimmt habe er trotzdem, denn solange es zwei in etwa gleich große Lager gebe, die sich nicht einigen könnten, tendiere er dazu die Geräte zu bestellen, weil er ohne die nötigen Fakten keinen Sinn darin sehe, darüber zu diskutieren. Leider werde in dieser Sache jedoch sehr populistisch taktiert. Jene, die wie in diesem Fall etwa die CSU nicht die Entscheidungsgewalt hätten, machten es sich einfach, etwas zu fordern, das sie am Ende nicht durchsetzen müssten. "Das ist einfach schade", so Hartmann, sei aber mit Blick in andere Gemeinden kein Einzelfall.

Hartmanns Parteikollegin Anke Drexler will ihrer Fraktion nicht vorgreifen, kann sich aber vorstellen, dass die Neuregelung, die Söder in seiner Rede angekündigt hatte, die Entscheidung der Stadträte beeinflussen könnte. Allerdings ändere diese nichts daran, dass die Geräte laut seien und im Raum rumstünden. Und was sagt sie zum Zeitpunkt der Aussage Söders? Anke Drexler vermutet, gerade weil verlässliche Daten weiter fehlen, dass es vor allem um Wahlkampf gehe. Ansonsten hätte man schon früher so entscheiden können.

Helmut Esch (Grüne), der ebenfalls gegen die Beschaffung der Geräte gestimmt hatte, sagt, er sei "nach wie vor skeptisch". Ihm bereitet wie Drexler die Lautstärke große Sorgen. Und wem bringe es etwas, Steuergelder auszugeben, wenn sie am Ende nur in der Ecke stünden? Andererseits: "Nach der Gesundheit der Kinder ist Präsenzunterricht das höchste Gut."

Florian Schiller (CSU), der bereits in einem Eilantrag für die Beschaffung der Geräte plädiert hatte, wirft der SPD, den Grünen, der AfD und dem Bündnis für Dachau vor, "sieben wertvolle Wochen verloren" zu haben. Bereits im Juli sei klar gewesen, dass es einen Unterschied mache, ob Luftreiniger im Klassenzimmer stehen oder nicht. "Dass Söder nun klare Worte findet, ist gut. Eigentlich war es längst überfällig, eigentlich hätte es von FW-Kultusminister Piazolo bereits im Juli kommen müssen", sagt er.

Der Schulamtsleiter Albert Sikora sagt, dass er die Zurückhaltung seitens der Politik nachvollziehen könne. Gleichwohl gebe es natürlich viele in der Schulfamilie, die sich die Geräte wünschen würden. "Schaden tun sie uns jedenfalls nicht", formuliert er es diplomatisch. Dass die Debatte noch einmal Fahrt aufnehmen wird, wenn die Inzidenzen in die Höhe schnellen und die Temperaturen sinken, so dass ein Lüften nicht mehr problemlos möglich sei, davon ist er überzeugt.

© SZ vom 09.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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