Kritik an Dachaus Landrat:Impf-Teams fühlen sich im Stich gelassen

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Ein Schild weist den Weg zum Impfzentrum in Dachau. (Foto: N.P.JØRGENSEN)

In gut fünf Wochen enden die Verträge mit den Impfzentren in Karlsfeld und Dachau. Das BRK drängt den Landrat, rasch für Klarheit zu sorgen, wie es danach weitergehen soll. Viele Mitarbeiter suchen sich bereits neue Jobs.

Von Christiane Bracht, Dachau/Karlsfeld

Wenn es um die Bekämpfung der Corona-Pandemie geht, hat Landrat Stefan Löwl (CSU) immer gern vorne mitgemischt. Bis jetzt jedenfalls. Im Frühjahr organisierte er, wann immer es Gelegenheit gab, zusätzlichen Impfstoff für den Landkreis Dachau, setzte sich für Sonderimpftermine und mobile Impfbusse ein, als viele nicht mehr in die Impfzentren kommen wollten. Und bis heute weist er gerne darauf hin, dass die Impfquote im Landkreis höher ist als im bayernweiten oder bundesweiten Durchschnitt. Doch der "Impfturbo" scheint ins Stocken geraten zu sein.

In gut fünf Wochen enden die Verträge mit den beiden Impfzentren in Karlsfeld und Dachau. Bei den Mitarbeitern macht sich Unsicherheit breit, denn keiner weiß, ob er im Oktober noch Arbeit hat. "Die Stimmung ist schlecht. Vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen, die auf die Beschäftigung im Impfzentrum angewiesen sind, um über die Runden zu kommen", berichtet der Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), Paul Polyfka.

Der Blick in die Nachbarlandkreise Pfaffenhofen und Freising oder auch nach Landsberg am Lech lässt viele engagierte Mitarbeiter verständnislos, ja verärgert zurück. Denn dort sind die Verträge mit den Impfzentren längst verlängert worden. In Dachau heißt es dagegen, man warte auf "Leitlinien" aus dem Ministerium. Eine neue Ausschreibung sei nötig. Mit dem derzeitigen Stillstand hat Löwl seine Spitzenposition in der Pandemiebekämpfung eingebüßt. Einige Mitarbeiter der Impfzentren werfen ihm sogar vor, sie bei ihrer Mission im Stich zu lassen. "Ein massiver Vorwurf, den ich leider nicht ausreichend entkräften kann, weil die Perspektive über den 30. September hinaus fehlt, obwohl es klar ist, dass die Impfungen weitergehen", sagt Polyfka.

"Ich weiß, dass unsere besten Kräfte schon in Gesprächen mit anderen Arbeitgebern sind"

Der Unterschied zu den benachbarten Impfzentren liege darin, dass diese in Einrichtungen des jeweiligen Landkreises tätig seien, erklärt Löwl sein Zögern. Es sei dort also, anders als in Dachau und Karlsfeld, nur darum gegangen, die Verträge des Personals zu verlängern. Der BRK-Kreisgeschäftsführer versteht den Unterschied nicht ganz. Bei den bisherigen Gesprächen habe er angeboten, "das Rotkreuzhaus in der Hinterhand im kostenlosen Standby-Betrieb zu halten", berichtet Polyfka. Denn die Regierung hat bereits signalisiert, dass der Schwerpunkt der Impfzentren künftig in mobilen Impfteams liegen solle. Deshalb soll das Angebot auch deutlich reduziert werden, auf etwa 25 Prozent. Sowohl Johanniter als auch BRK beteuern, dass die Impfbusse viele erreichten. "Bei einer Tour haben wir 50 Impfungen geschafft", sagt Kristina-Désirée Reinelt, Sprecherin der Johanniter. Pro Tag setze man derzeit etwa 80 Spritzen. Polyfka spricht von 300 Impfungen pro Woche, "was bei unserem hohen Impfniveau sehr gut ist". Bis zu fünf Impfteams könne das BRK ad hoc stellen und so bis zu 200 Impfungen pro Team und Tag realisieren, wirbt er für seine Organisation. "Das könnte für die Drittimpfungen sehr nötig werden." Doch das Landratsamt schweigt bisher beharrlich.

Die Vorgaben sähen vor, dass es nur ein Impfzentrum geben dürfe, erklärt Landrat Löwl weiter. "Wir wollen aber, wenn es machbar ist, beide weiter beauftragen." Deshalb warte man die Entscheidung des Ministeriums ab, die noch für August angekündigt sei. Polyfka fürchtet, wegen der langen Verzögerung schon bald gute Mitarbeiter zu verlieren. "Ich weiß, dass unsere besten Kräfte schon in Gesprächen mit anderen Arbeitgebern sind, was nicht verwundert", sagt er. Manche versuchten, einen flexiblen Beginn zu vereinbaren, der abhängig von der Zukunft des Impfzentrums sei. Doch ob das gelinge, sei fraglich. Er versuche, Hoffnung zu spenden, aber wenn die Urlaubszeit erst vorbei sei und die Überstunden abgebaut, fürchtet er die ersten Kündigungen. Dann werde man sehen, wie viel Vertrauen die Mitarbeiter "uns als Arbeitgeber noch schenken können", sagt er.

"Wir würden gerne ein Angebot machen, aber momentan geht das nicht"

"Wir sehen das Problem schon", versichert Versorgungsarzt Christian Günzel. "Wir würden gerne ein Angebot machen, aber momentan geht das nicht. Wir sind nicht glücklich darüber." Man sei bereits in der exponentiellen Phase angekommen. Die Feriengesellschaft habe die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner "hochgeschossen". Die Delta-Variante des Coronavirus sei eben sehr ansteckend. Löwl würde sich sogar freuen, sagt er, wenn eine starke vierte Welle die letzten Zweifler zum Impfen brächte. Spätestens aber wenn im September die Drittimpfungen in den Altenheimen begännen, würden die Impfzentren wieder gut ausgelastet sein, prophezeit Günzel.

Unterdessen steigt die Inzidenz an diesem Dienstag auf 68,4. Damit liegt der Landkreis Dachau sogar deutlich über dem Wert in Deutschland (58,0) und Bayern (45,2). Seit Montag gilt die 3G-Regel (Geimpft, Genesen oder negativ Getestet) im Landkreis. Des weiteren gilt eine Kontaktbeschränkung von zehn Personen aus maximal drei Haushalten. Insgesamt 104 Neuinfektionen wurden dem Gesundheitsamt in der vergangenen Woche gemeldet; die meisten Kranken haben die Delta-Variante. Angesteckt hat sich die Mehrzahl offenbar im privaten Umfeld. Bei knapp der Hälfte handelt es sich um Reiserückkehrer. Etwa die Hälfte aller Infizierten sind zwischen 19 und 39 Jahre alt, 26 Prozent zwischen 40 und 59 Jahre. 18 Neuinfizierte waren bereits geimpft. Aktuell werden zehn Patienten im Helios Amper-Klinikum behandelt, einer muss sogar intensivmedizinisch betreut werden. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 57 Jahren, einer ist bereits geimpft.

Die Impfquote im Landkreis liegt derzeit bei 60,3 Prozent, deutschlandweit ist sie bei 59 Prozent (Stand Montag). Auch in dieser Woche sind die mobilen Impfteams wieder unterwegs.

© SZ vom 25.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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