Dialog:Bürger kritisieren Verkehrspolitik

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Für die Linienbusse wird es auf den Straßen der Altstadt zwischendurch richtig eng. (Foto: Toni Heigl)

Bei der zweiten Bürgerversammlung in Dachau beherrschen vor allem zwei Themen die Debatte: die Busse und Autos in der Altstadt sowie die leer stehenden Häuser.

Von Lisa Nguyen, Dachau

Für die einen ist die Altstadt ihr Zuhause, für die anderen ein Ort zum Einkaufen oder Ausgehen. Alle Interessen dort unter einen Hut zu bekommen, sei "nahezu unmöglich", sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Mit der Einführung der Tempobegrenzung auf 20 Kilometer pro Stunde ist seiner Ansicht nach "ein ganz guter Kompromiss gefunden" worden.

Nach diesen Worten wird es laut im Thoma-Haus, Raunen und spöttisches Lachen ertönt im ganzen Saal. Kein Wunder, es sind die Bürgerinnen und Bürger, die von der neuen Geschwindigkeitsbegrenzung am stärksten betroffen sind. Es ist die zweite von insgesamt fünf Bürgerversammlungen in diesem Frühjahr, die sich dieses Mal an alle Einwohner der Altstadt, Udlding, Webling und Mitterndorf richtet.

Rund 150 Bürgerinnen und Bürger sind am Mittwochabend zusammengekommen, um mit Hartmann über das zu sprechen, was sie bewegt. Auch wenn der OB in seiner halbstündigen Eingangsrede etliche Aufreger anspricht wie etwa das Hallenbad und die höheren Kita-Gebühren, sind es vor allem zwei Themen, die den Abend dominieren: der Verkehr und die Zukunft der Altstadt.

Klage gegen Tempo 20 bereits eingereicht

Der Dachauer Bürger Ralph Held möchte wissen, ob die neue Tempovorgabe von 20 Kilometer pro Stunde in der Altstadt überhaupt kontrolliert werde. Seiner Beobachtung nach sind etliche Autos unterwegs, die deutlich schneller fahren. Zudem fragt er, ob jemand bereits eine Klage gegen das Tempo 20 erhoben habe. Für das Stichwort "Klage" gibt es im Publikum lautstarken Applaus.

Im vergangenen Sommer haben sich die Mitglieder des Dachauer Stadtrats für eine Tempo 20-Zone in der Altstadt ausgesprochen, Ende Januar ist der Beschluss in Kraft getreten. Zuvor galt ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde. Die Änderung geht auf den Wunsch zahlreicher Einzelhändler, Gastronomen und Bürger aus der Altstadt zurück.

Die Bürgerversammlung im Thoma-Haus ist gut besucht. (Foto: Toni Heigl)
Ralph Held will wissen, ob das neue Tempolimit ausreichend kontrolliert wird. (Foto: Toni Heigl)
OB Florian Hartmann kündigt an, dass die Stadt sich von dem Trinkgeld-Haus am Karlsberg wohl wieder trennen werde. (Foto: Toni Heigl)
Die Renovierungskosten des Gebäudes sind der Stadt zu hoch. (Foto: Toni Heigl)

OB Hartmann antwortet, dass die Stadt Geschwindigkeitsanzeigen aufgestellt habe. Außerdem gebe es regelmäßig Radarkontrollen. Eine Klage gegen das erlaubte Höchsttempo 20 sei tatsächlich in der vergangenen Woche bei der Stadt eingegangen - allerdings ohne jegliche Begründung. Diese solle bald nachgereicht werden.

Das Tempo 20 führt schließlich zur grundsätzlichen Frage, ob Autos überhaupt in die Altstadt gehören. Mike Berwanger vom Bündnis für Dachau hält das Tempo 20 für sinnvoll. Um die Altstadt noch attraktiver zu machen, müsse man den "individuellen Kfz-Verkehr" aus dem städtischen Leben verbannen.

Dafür gibt es ebenfalls Applaus, aber auch Widerspruch. Ein Bürger sagt, dass man Autos auch in der Altstadt zulassen müsse, sonst verlagere sich das Einkaufsleben ins Dachauer Industriegebiet - was ohnehin schon passiere. Auch für diese Aussage gibt es Beifall, der etwas lauter klingt.

Gequetschte Busse in der Altstadt

Es bleibt beim städtischen Verkehr: Der Bauunternehmer Alto Glück beschwert sich über die drei Buslinien, die in entgegengesetzter Richtung durch die Altstadt fahren. Wenn die Busse aneinander vorbeifahren, entstehe ständig Rückstau. "Das schaut grausam aus", sagt Glück. Er schlägt vor, die Buslinien zu reduzieren. Der Bürger Josef Reischl merkt an, dass nach 19 Uhr kaum jemand im Bus sitze.

OB Hartmann hält am aktuellen Busliniensystem fest. Laut eines Verkehrsexperten wird die Haltestelle am Rathaus im Stadtgebiet am dritthäufigsten genutzt. Würde man die Buslinien in der Altstadt reduzieren, so müsse man am Fuß der Stadt umsteigen. Dem Experten nach gilt es, dies zu vermeiden, weil sonst deutlich weniger Menschen mit dem Bus fahren wollten.

Eine Bürgerin appelliert, am bisherigen Fahrplan festzuhalten. Viele ältere Menschen seien auf den Bus angewiesen, den Umstieg würden viele nicht schaffen. Dem stimmt auch die Seniorin Katharina Szimayer zu: "Wir brauchen die Ringbuslinien." Ohnehin sollten "alle Busfahrer der Stadt einen Orden verdienen, so umsichtig wie sie mit den Fahrgästen umgehen".

Das Schicksal der städtischen Gebäude

Thema sind auch die Gebäude, die die Stadt in den vergangenen Jahren gekauft hat. Dazu gehört auch der Zieglerbräu, der seit Ende Februar geschlossen hat. "Wie bringt man dort wieder Leben rein?", fragt Bauunternehmer Alto Glück.

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Die Stadt hat das Gebäude kurz vor der Corona-Pandemie gekauft. Damals sei die finanzielle Lage eine andere gewesen, sagt Hartmann. Angedacht war, im vorderen Teil des Erdgeschosses eine Wirtschaft einzurichten, im restlichen Gebäude sollte die Rathausverwaltung angesiedelt werden. Die Gaststätte wolle man "so schnell wie möglich" vermieten, meint Hartmann, nach einer Ausschreibung sei das Interesse jedoch "nahezu Null" gewesen. Ein Interessent habe sich zwar gemeldet, doch seitdem sei es still um ihn geworden. Zwei Nachfragen seitens der Stadt seien unbeantwortet geblieben.

Der Bürger Ludwig Wirth spricht das Trinkgeld-Haus an. Auch dieses Gebäude hat die Stadt ursprünglich für eine Rathauserweiterung gekauft, doch das Haus steht nach wie vor leer. "Das ist eine Schande für die Stadt Dachau", sagte Wirth. Laut OB Hartmann haben sich die Renovierungskosten als teurer herausgestellt als angenommen. Aufgrund der Hanglage hätte man etliche Stabilisierungen vornehmem müssen. Er kündigt an, sich vom Gebäude "irgendwann zu trennen."

Aus dem leer stehenden Gebäude der Stadt unten an der Martin-Huber-Treppe, einst ein Computerladen, plant die Stadt, unter anderem den Jugendrat anzusiedeln. Laut Hartmann sollen im oberen Geschoss voraussichtlich Wohnungen für Obdachlose entstehen.

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